Formel 1: Carlos Sainz zurück zu Ferrari?

Jorge Lorenzo: Bekommt er jetzt mehr Genesungszeit?

Von Günther Wiesinger
Jorge Lorenzo

Jorge Lorenzo

Nach dem 14. Platz in Silverstone und der vorzeitigen Abreise beim Misano-Test steht fest: Jorge Lorenzo ist nicht fit genug für ein Comeback. Deshalb rauchen bei Honda die Köpfe.

Weltmeister Marc Márquez liegt in der Weltmeisterschaft nach zwölf von 19 Rennen mit 78 Punkten Vorsprung auf Andrea Dovizioso (in Barcelona von Lorenzo und in Silverstone von Quartararo zu Fall gebracht) klar in Führung. Trotzdem ist bei Repsol-Honda nicht alles eitel Wonne. Denn Jorge Lorenzo hat sich mit der Honda RC213V nie anfreunden können. Und jetzt ist durchgesickert, dass ihn die HRC-Manager am Donnerstag beim Misano-Test quasi heimgeschickt haben – weil er zu langsam war.

Dabei hatte Lorenzo beim Silverstone-GP noch gehofft, sich beim Misano-Test steigern zu können, dann beim San-Marino-GP wieder ein Stück – um sich beim Aragón-GP am 29. September wieder in anständiger Form präsentieren zu können.

Beim British Grand Prix hatte sich Jorge in jämmerlicher Verfassung präsentiert. Er lag in den Trainings meist 3,5 bis 4 sec zurück, er fuhr im Quali auf Platz 21; er verlor in der ersten Rennrunde 7,5 Sekunden und kam im 20-Runden-Rennen über Rang 14 mit 56,6 Sekunden Rückstand nicht hinaus. «Da fährt die Angst mit», attestierte ein ehemaliger GP-Pilot aus England.

«Wegen meiner aktuellen körperlichen Verfassung war es mir während des gesamten Wochenendes nicht möglich, das Motorrad 100-prozentig zu pushen. Zum Glück hatte ich während des Rennens nicht viele Komplikationen und bin froh, dass ich nicht in den krassen Sturz in der ersten Kurve involviert war. Das hätte schlimm ausgehen können», fasste Lorenzo am Sonntag seinen Auftritt in England zusammen. «Ich wollte hier nach zwei Monaten wieder fahren. Um zu üben und um Kilometer zu sammeln.»

Seit dem schweren Crash in Assen, dem schon ein übler Abgang beim Montag-Test in Barcelona vorangegangen war, macht sich Lorenzo ernsthaft Gedanken über seine Gesundheit und die Fortsetzung seiner Karriere. Er hat in Assen einen Bruch des sechsten Brustwirbels erlitten und einen Haarriss im achten Brustwirbel.

Hiroshi Aoyama, 250-ccm-Weltmeister 2009 auf Honda, hat auf der Interwetten-Honda 2010 in Silverstone eine ähnliche Verletzung erlitten. Er fand danach nie mehr zu seiner alten Form.

Das weiß auch Repsol-Honda-Teamprinzipal Alberto Puig sehr genau, der einst Aoyamas persönlicher Manager war und ihn 2018 im Januar für HRC in Sepang noch als MotoGP-Testfahrer beschäftigte.

Der 52-jährige Alberto Puig weiß aus eigener Erfahrung, welche prekären Auswirkungen ein so folgenschwerer Crash haben kann.

Der Spanier krachte 1995 in Le Mans mit der Honda NSR 500 mit 272 km/h in die Airfences. Danach beratschlagten die Ärzte über die Amputation seines übel zugerichteten linkes Beins. Kurz zuvor hatte Puig als erster Spanier einen 500-ccm-GP in Spanien gewonnen – 1995 in Jerez.

Puig kehrte zwar 1996 in die 500er-WM zurück. Er verkündete jedoch 1997 seinen Rücktritt – mit nur 30 Jahren. Er sah sich nach der schweren Verletzung außerstande, die erhofften Top-Ergebnisse zu erreichen.

Beim Misano-Test wirkte Lorenzo abermals ernüchtert. «Mein Gefühl auf dem Bike war nicht großartig, schlechter als in Silverstone. Leider geht es mit dem Rücken nicht gut», gab der Mallorquiner zu. «Ich habe auf dem Motorrad immer noch große Schmerzen, mehr als in Silverstone. Ich brauche jetzt sicher zehn bis 14 Tage, damit die Entzündung zurückgeht.»

Die HRC-Manager mit Takeo Yokoyama an der Spitze haben bei Repsol-Honda vor einem Jahr ein vermeintliches Dream Team installiert, aber bisher hat sich die Paarung Márquez/Lorenzo als Albtraum entpuppt. Denn Lorenzo hat bisher keinen Top-Ten-Platz errungen, er schleppt sich seit Aragón 2018 von einer Verletzung zur nächsten – und wirkt entsprechend zermürbt.

Lorenzos Rückkehr zu Ducati für 2020 ist gescheitert. Bei Honda spürt er nicht ausreichend Nestwärme, alles ist auf Márquez ausgerichtet. Daran ist auch Dani Pedrosa irgendwann zerbrochen.

Lorenzo gab in England ein paar vielsagende Sätze von sich. «Ich habe viele Qualitäten verloren», seufzte er nach dem Freitag-Training.

Am Donnerstag vor dem Training: «Wenn du gewohnt bist, Rennen zu gewinnen, aber dann schwere Stürze hinnehmen musst, kommen bei dir Zweifel über das Leben und die Karriere auf.»

So spricht kein fünffacher Weltmeister, der voll im Saft steht.

Lorenzo: Comeback zu früh?

Im vergangenen Juni flog Lorenzo nach Japan, um mit den Ingenieuren zu besprechen, wie die Honda RC213V besser auf ihn zugeschnitten werden kann. In Assen verwendete er dann ergonomische Hilfsmittel am Tank, die ihm ein kraftsparenderes Fahren ermöglichen sollten – wie 2018 bei Ducati.

Beim Mugello-GP 2018 stand Lorenzo auch ein Wechsel zu Petronas-Yamaha offen. Dort hätte er seine geliebte M1-Yamaha vorgefunden, mit der er 44 seiner 47 MotoGP-Siege und alle drei WM-Titel (2010, 2012 und 2015) errungen hat. Aber der HRC-Deal wirkte lukrativer. Heute zaubert Rookie Fabio Quartararo mit der Petronas-Yamaha fabelhafte Ergebnisse. Aber das war  icht absehbar. Und der ehrgeizige Lorenzo wollte bei Yamaha nicht hinter Rossi und Viñales die dritte Geige spielen.

Jorge Lorenzo ist der einzige MotoGP-Pilot, der seit 2013 einen Titelgewinn von Marc Márquez verhindern konnte – 2015.

Aber es sieht so aus, als hätte er seine besten Tage hinter sich. Er wirkt zaghaft, verunsichert, die Freude am Rennfahren ist ihm gründlich vergangen.

Wie es jetzt bei Honda und Lorenzo weitergeht, bleibt abzuwarten.

In der Team-WM liegt Repsol Honda schon 36 Punkte hinter dem Ducati-Team. Dank Márquez führt Honda aber die Marken-WM noch 256 zu 211 gegen Ducati an.

Offenbar kam das Comeback in England zu früh. Der 32-jährige Wahl-Schweizer hat 4 kg an Muskelmasse verloren und klagte über Schmerzen.

In so einem Zustand kann auch ein Superstar in der MotoGP-WM keine Leistung bringen.

Doch Testfahrer Stefan Bradl wurde nicht für England aufgeboten, weil ihn HRC dann von Dienstag bis Freitag vier Tage lang in Misano brauchte.

Vielleicht entscheiden sich HRC und Lorenzo, die Genesungszeit auszudehnen und in Misano und womöglich auch in Aragón noch einmal zu pausieren.

Stefan Bradl könnte einspringen.

Im jetzigen Zustand kann Lorenzo nur enttäuschen, weiter an Selbstvertrauen verlieren – und sich womöglich wieder verletzen.

In den nächsten zehn Tagen wird sich herausstellen, ob Lorenzo für Misano (15.9.) aufgeboten wird.

Mich würde gar nichts mehr wundern. Auch eine sofortige Vertragsauflösung nicht.

Auch wenn die eifrigen Internet-Besserwisser, die noch nie ein GP-Fahrerlager von innen gesehen haben, das nicht wahrhaben wollen: Für 2020 ist bei Repsol-Honda der Franzose Johann Zarco ein ernsthafter Kandidat, wenn sich Lorenzo zum Rücktritt entschließt.
Wer sonst?

Ich sehe keinen anderen Fahrer, der verfügbar wäre und 2017 und 2018 auf der Tech3-Yamaha sechs Podestplätze errungen hat.

Und HRC wohl auch nicht. Denn Bautista wird dringend für die Superbike-WM gebraucht, Bradl als MotoGP-Test- und Ersatzfahrer.

Die Lorenzo-Verletzungen seit Aragón 2018:

- Aragón-GP 2018: Luxation der großen Zehe, Bruch des zweiten Mittelfußknochens rechts;

- Buriram-GP 2018: schwere Prellung am linken Handgelenk, Verstauchung des rechten Knöchels;

- Januar 2019: Trainingssturz beim Offroad-Fahren; Kahnbein am linken Handgelenk gebrochen;

- Losail-GP 2019: Knochenriss an einer Rippe; heftige Prellungen am Rücken; am Handgelenk, an den Fingern und Füssen;

- Jerez-Montag-Test am 6. Mai 2019: starke Schmerzen am ganzen Körper;

- Barcelona-Montag-Test am 17. Juni 2019: Schmerzen am Brustkorb und am Rücken;

- Assen-FP1 am 28. Juni 2019: Sechster Brustwirbel gebrochen, Haarriss im achten Brustwirbel.

WM-Stand nach 12 von 19 Grand Prix:

1. Márquez 250. 2. Dovizioso 172. 3. Rins 149. 4. Petrucci 145. 5. Viñales 118. 6. Rossi 116. 7. Miller 94. 8. Quartararo 92. 9. Crutchlow 88. 10. Morbidelli 69. 11. Pol Espargaró 68. 12. Nakagami 62. 13. Mir 39. 14. Aleix Espargaró 33. 15. Bagnaia 29. 16. Iannone 27. 17. Oliveira 26. 18. Zarco 22. 19. Lorenzo 21. 20. Bradl 16. 21. Rabat 14. 22. Pirro 9. 23. Guintoli 7. 24. Syahrin 6. 25. Abraham 5.

Diesen Artikel teilen auf...

Mehr über...

Siehe auch

Kommentare

Crash, Boom, Bang: Sturzkönige und Kuriositäten

Von Michael Scott
Eine sturzeiche MotoGP-Saison 2024 ging Mitte November in Barcelona zu Ende. Überraschenderweise waren es die erfahrenen Piloten der Königsklasse, die über alle Kategorien hinweg die meisten Crashs fabrizierten.
» weiterlesen
 

TV-Programm

  • Sa. 14.12., 21:50, Motorvision TV
    Tour European Rally Historic
  • Sa. 14.12., 22:15, Motorvision TV
    Rallye: World Rally-Raid Championship
  • Sa. 14.12., 22:40, Motorvision TV
    Rally
  • Sa. 14.12., 23:10, Motorvision TV
    UK Rally Show
  • So. 15.12., 00:15, Hamburg 1
    car port
  • So. 15.12., 00:35, Motorvision TV
    Pikes Peak International Hill Climb
  • So. 15.12., 01:10, SPORT1+
    NASCAR Truck Series
  • So. 15.12., 01:20, Motorvision TV
    Goodwood
  • So. 15.12., 02:10, Motorvision TV
    Pikes Peak International Hill Climb
  • So. 15.12., 02:55, Motorvision TV
    Goodwood
» zum TV-Programm
6.762 20111003 C1412212015 | 7