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Stefan Bradl: «Die alten Probleme sind gelöscht»

Von Günther Wiesinger
«Gute Ergebnisse sind die beste Medizin für die Zukunft», ist Stefan Bradl überzeugt. Aus dem zerknirschten Grübler ist nach den ersten Tests wieder ein tatendurstiger, zuversichtlicher Rennfahrer geworden.

Stefan Bradl (25) macht 2015 bei NGM Forward Yamaha einen Neuanfang in der MotoGP-Weltmeisterschaft, nachdem er 2014 die Erwartungen insgesamt nicht erfüllen konnte.

Bradl kehrte Ende November mit neuem Selbstvertrauen vom Jerez-Test zurück. «Ich gehe jetzt mit einem zehnmal besseren Gefühl in die Winterpause», stellte er fest.

Denn beim Valencia-Test nach dem WM-Finale hatte er nur am Montag mit Öhlins testen können, am Dienstag regnete es, am Mittwoch unternahm er auf Wunsch von Forward ein Experiment mit der japanischen Kayaba-Suspension (Gabel und Federbein), die sich allerdings als nicht konkurrenzfähig erwies.

Deshalb war Bradl erleichtert, als ihm Forward den zusätzlichen Test in Jerez ermöglichte, der wichtige Aufschlüsse brachte. «Ich konnte mich besser an das neue Motorrad gewöhnen und meinen Fahrstil weiter an die M1-Yamaha anpassen», freute sich der Bayer.

Der WM-Neunte kehrte am 28. November heim aus Spanien, liess sich dann am selben Abend noch zwei fünf Zentimeter lange Schrauben aus dem rechten Innenknöchel rausoperieren, mit denen er seit dem Malaysia-GP 2013 rumlief.

Danach gönnte er sich ein Wellness-Wochenende in Lermoos/Tirol, holte seinen neuen Audi SQ5 in Ingolstadt ab, absolvierte einen Promotion-Auftritt bei Tissot in Darmstadt, hielt Kontakt zum Forward-Team und kümmerte sich um die Vorbereitung der neuen Saison.

Am 10. November begann Bradl mit Trainer Bernd Thurner das Aufbautraining für den ersten Sepang-Test (ab 4. Februar), es wird bis zu sechs Tage pro Woche trainiert. «Ich möchte bis zum Saisonstart in Katar auch mindestens zehn Tage Offroad-Training mit dem Motorrad machen», erzählte Bradl.

Stefan, die MotoGP-WM 2015 wird eine harte Bewährungsprobe für dich. Du willst beweisen, dass der neunte WM-Rang 2014 ein Ausrutscher war, dass mehr in dir steckt. Du wirkst recht zuversichtlich. Hast du inzwischen das Gefühl, dass die Yamaha besser zu deinem Fahrstil passen könnte als die Honda?

Ich denke, dass durch den Neuanfang im Kopf die alten Probleme oder Belastungen gelöscht sind.
Es ist ja nicht nur ein neues Motorrad, es ist auch im Forward-Team eine ganz andere Herangehensweise zu spüren, im neuen Team ist alles komplett neu.
Schon die gute Rundenzeit von Jerez hat mir sehr gut getan. Die Stimmung im Team war dadurch exzellent, die haben natürlich gesehen, dass es gut läuft und dass ich mit der Yamaha gut zurechtkomme. Gute Ergebnisse sind die beste Medizin für eine positive Zukunft.
Wenn wir bei den Tests im Februar und März ähnlich gut dabei sind, kann ich beruhigt sagen, dass wir gute Voraussetzungen haben und alles auf einem guten Stand ist.

Du bekommst bei Forward auch viel Zustimmung zu hören. Dirk Debus sagte, du seist besser, als du glaubst. Crew-Chief Verbena und Teambesitzer Cuzari betonen, du seist besser als Aleix Espargaró – oder zumindest gleich gut.

Ja, es ist mir von allen Seiten sehr viel Lob entgegengekommen, besonders nach dem guten Tag in Jerez. Das war eine willkommene Standortbestimmung. Man hat sich im Team gut verstanden, sie haben meine Arbeitsweise gelobt und gesagt, meine technischen Aussagen seien sehr präzise und sehr korrekt. Mir wurde gesagt, sie hätten mit meiner Hilfe sehr rasch sinnvolle Veränderungen beim Set-up gefunden.
Ich möchte aber erwähnen, dass die Zusammenarbeit auch bei LCR meistens sehr gut geklappt hat.

Du musst zwar beim Material Abstriche machen. Du bekommst 2015-Motoren, aber Chassis von 2014. Dazu gibt es die Einheits-ECU und kein Seamless-Getriebe.

Ja, aber Aleix Espargaró hat gezeigt, dass das Technikpaket bei Forward durchaus schlagkräftig ist. Die 2015-Werksmotoren werden ein Fortschritt sein, bisher habe ich mit Motoren getestet, die ziemlich am Ende ihrer Laufzeit waren.
Wie gross der Unterschied bei der Rundenzeit ohne Seamless-Getriebe ist, lässt sich schwer sagen.

Manchmal hiess es, das Getriebe ohne Zugunterbrechung mache zwei bis drei Zehntel pro Runde aus. Dein Elektronik-Ingenieur Dirk Debus meint, es mache nicht einmal ein halbes Zehntel aus. Schliesslich sei Jorge Lorenzo 2012 gegen Honda ohne Seamless-Getriebe noch Weltmeister geworden.

In Zeit ist das für mich nicht messbar. Es ist spürbar, aber es ist nicht so dass man nicht fahren kann, wenn kein Seamless vorhanden ist. Aleix Espargaró war 2014 bei jedem Rennen ohne Seamless vorne dabei.
Es ist nicht so, dass ich jetzt ein komplettes Krampf-Getriebe habe, das sind nur Nuancen, die einen kleinen Unterschied ausmachen.
In Malaysia sehe ich zum Beispiel keine Streckenabschnitte, wo es überlebensnotwendig ist.

Honda und Yamaha verfolgen in der MotoGP seit vielen Jahren unterschiedliche Konzepte. Kurz gesagt: Honda hat die meiste Power, Yamaha den besten Kurvenspeed und das beste Handling?

Ich muss einfach die Vorteile der Yamaha so gut wie möglich nützen. Das ist mit Sicherheit der überlegene «egde grip», die Haftung ist maximaler Schräglage, dazu die Traktion aus den Kurven raus im ersten Moment der Beschleunigungsphase. Man kann vielleicht mit der Yamaha nicht ganz so spät bremsen, dafür ist man vielleicht am Kurveneingang ein bisschen schneller und in der Kurvenmitte.
Es gilt, diese Vorteile auszuspielen. Es wird sicher noch ein paar Testtage brauchen, bis ich diesen Fahrstil absolut verinnerlicht habe.
Aber ich bin mir sicher, dass mir das gelingt.

LCR-Teambesitzer Lucio Cecchinello und Crew-Chief Beefy Bourguignon haben oft kritisiert, du seist in der zweiten Rennhälfte zu langsam und würdest in Linkskurven 1 bis 2 Grad zu wenig Schräglage fahren. Arbeitest du daran, in diesen Bereichen besser zu werden?

Ich bin mit der Yamaha noch keinen Long-run gefahren. Aber ich kann mir vorstellen, dass sie hinten etwas weniger Reifenverschleiss hat als die Honda. Vielleicht nützt mir das in der zweiten Rennhälfte.
Es gab 2014 sicher Phasen, wo ich ein schlechtes Gefühl fürs Limit gehabt habe. Deshalb habe ich mir schwer getan, die gewünschten Rundenzeiten über die Renndistanz zu bringen.
2013 ist mir das oft besser gelungen.
Was kann ich 2015 besser machen? Wir werden uns bemühen, das Motorrad gut hinzubringen, das Set-up reifenschonend hinzubringen. Ausserdem werde ich mich konditionell bestens vorbereiten.

Du hast letztes Jahr im November und Dezember mit Cross-Weltmeister Yves De Maria und Carlos Checa Offroad-Motorrad-Training gemacht – Dirt-Track, Trial, Supermoto. Dieses Training willst du weiter ausbauen?

Ja, ich bin jetzt am Schauen, wo und mit wem ich trainieren kann. Ich werde mal mit Sandro Cortese reden, der ein Gelände zur Verfügung hat, auch mit Peter und Philipp Öttl. In Italien in der Nähe des Forward-Teamquartiers könnte ich auch trainieren. Oder bei Colin Edwards in Texas.

Dein Papa Helmut ist in der WM immer auf Honda gefahren. Du hast im Rookies-Cup auf Honda begonnen, bist zuletzt zwei Jahre in der Moto2 Honda-Motoren gefahren und drei Jahre in der MotoGP. Jetzt bis du bei Yamaha. Gibt es auch eine Zusammenarbeit mit Yamaha Deutschland?

Nein, es gibt keinen Kontakt. Ich habe von Yamaha Deutschland noch nichts gehört. Ich kenne dort niemanden. Aber vielleicht kommen sie auf mich zu. Ich weiss es nicht, ob sich da eine Möglichkeit ergeben wird. Bisher habe ich absolut nichts gehört.

Das Forward-Team hat dir für den Paddock einem Lambretta-Roller hingestellt. Von Yamaha gibt es keinen?

Ich glaube, die Fahrerlager-Roller sind Sache des Teams.
Meine Zusammenarbeit mit Honda Deutschland war durch die vielen Jahre, die mein Papa schon mit ihnen zu tun hatte, sehr, sehr eng. Vielleicht ergibt sich auch bei Yamaha Deutschland irgendwann ein Startschuss. Bisher hat sich keiner gemeldet.

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