Ducati-Zwischenbilanz: 2016 schwächer als im Vorjahr

Kolumne von Günther Wiesinger
Gemeinsam auf Abwegen: Andrea Dovizioso und Andrea Iannone

Gemeinsam auf Abwegen: Andrea Dovizioso und Andrea Iannone

Ducati droht in der MotoGP-WM von Suzuki überholt zu werden – die Italiener wären dann die vierte Kraft. Der Verlust der Open-Class-Privilegien zeigt Auswirkungen.

Gigi Dall'Igna hat bei Ducati Corse im Oktober 2013 das Kommando als General Manager übernommen. Er ist für die MotoGP-WM und die Superbike-WM zuständig.

Er kam von Aprilia, wo er 2010 und 2012 mit Max Biaggi zwei grandiose Superbike-WM-Titel gewonnen hatte. Ausserdem gewann sein ART-Aprilia-Claiming-Rule-Bike 2012 und 2013 mit Aleix Espargaró überlegen die CRT-Wertung in der MotoGP-WM.

«Meine Rennmaschinen haben in allen Rennserien gewonnen, nur in der MotoGP-WM habe ich noch eine Herausforderung offen», sagte Gigi Dall'Igna anlässlich seines Stellenantritts bei Ducati.

Denn neben der Superbike-WM hatte die Piaggio Group auch in der 125er-WM und 250er-WM dominiert, mit den Marken Aprilia, Derbi und Gilera.

Audi hat Ducati im Jahr 2012 übernommen, der Kaufpreis blieb geheim, es wurden Summen zwischen 742 und 860 Millionen Euro kolportiert.

Damals erklärte Audi-Vorstand Prof. Ulrich Hackenberg, Ducati müsse 2015 wieder um den MotoGP-WM-Titel fighten.
Aber der Wettkampf gegen Honda und Yamaha und jetzt auch Suzuki gestaltet sich für Ducati schwieriger als erwartet. Die Rückkehr an die Spitze ist beschwerlich.

Seit 2007 mit Casey Stoner hat Ducati keinen MotoGP-WM-Titel gewonnen. und seit dem 17. Oktober 2010 auf Phillip Island ist die Siegesserie in der Königsklasse abgerissen.

Klar, 2015 zogen sich Andrea Iannone und Andrea Dovizioso als Ducati-Werksfahrer recht beachtlich aus der Affäre. Dovi fuhr bei den ersten drei Rennen auf Platz 2, es gab eine Pole-Position durch Dovizioso in Doha und eine durch Iannone in Mugello, Iannone glänzte immerhin mit einem fünften, Dovizioso mit einem siebten Gesamtrang.

Aber Gigi Dall'Igna und Ducati profitierten 2014 und 2015 von den Privilegien der Open-Class-Teams. Diese Zugeständnisse bekam Ducati, weil man jahrelang kein Rennen gewonnen hatte und deshalb leise mit dem Rückzug gedroht wurde.

Die Dorna und die Grand Prix Commission gestanden dann Ducati mit Einwilligung von Yamaha und Honda zu, dass sie zwölf statt fünf Motoren, weichere Hinterreifen (nützlich fürs Qualifying) sowie mehr Testtage erhalten und bei ihnen die Motorenentwicklung nicht ab dem Saisonstart eingefroren ist. Dazu durfte Ducati in der Saison 2014 und beim Katar-GP 2015 in den Rennen immerhin 24 statt 20 Liter Sprit verheizen.

Das waren erhebliche Vorteile, die die Kräfteverhältnisse ein bisschen zugunsten von Ducati verschoben.

2016 ist es mit den Privilegien vorbei. Und Ducati ist schwächer als im Vorjahr, obwohl die Roten zumindest bei den ersten Grand Prix deutlich vom Marelli-Elektronik-Knowhow profitierte. Denn Ducati führt seit 2003 in der MotoGP mit Marelli, die Konkurrenz von Honda, Yamaha, Suzuki und Aprilia trat 2015 noch mit der hauseigenen Factory-Software an. 2016 ist erstmals die Einheits-ECU von Marelli vorgeschrieben.

Gigi Dall'Igna: Er hat viel verändert

Wie fällt also die Bilanz von Ducati-Rennchef Gigi Dall'Igna nach zweieinhalb Jahren aus?

Der schlaue Italiener hat geschickt für einen Neuanfang bei Ducati Corse gesorgt. Er hat das vorhandene Wissen gebündelt, einige namhafte neue Techniker und Elektroniker engagiert. Er hat rasch erkannt, dass ein Teil des langjährigen Understeer-Problems nicht allein mit dem Fahrwerk zu tun hatte, deshalb hat er für 2015 einen neuen Motor mit rückwärts drehender Kurbelwelle (nach Yamaha-Vorbild) entwickelt. Honda und Aprilia sind für 2016 diesem Beispiel gefolgt. Gigi Dall'Igna hat das Alu-Chassis für 2016 bei Suter Racing in der Schweiz bauen lassen.

Trotzdem fällt das Resümee 2016 vorläufig nicht hinreissend aus. Dovizioso hat einen zweiten Platz in Katar erobert, Iannone war in Austin und in Mugello Dritter. Drei Podestplätze bei 21 Gelegenheiten...

In der WM-Tabelle liegt Barbera mit der zwei Jahren alten Ducati GP14.2 an achter Stelle vor Dovizioso und Iannone.
Das wird und kann in Borgo Panigale und in Ingolstadt niemand wirklich zufrieden stellen.

Aber Gigi Dall'Igna hat allerlei schlaue Schachzüge getätigt. Er hat acht Bikes ins MotoGP-Feld gebracht, er hat in der Superbike-WM die Konkurrenzfähigkeit der Panigale verbessert. Und er hat Casey Stoner von Honda zurückgeholt. Und wenn das schon bei der MotoGP-Weiterentwicklung bisher nicht viel gebracht hat, so war es auf jeden Fall ein glänzender PR-Gag.

Ausserdem haben Gigi Dall'Igna, Sportdirektor Paolo Ciabatti und Ducati-CEO Claudio Domenicali den dreifachen MotoGP-Weltmeister Jorge Lorenzo für zwei Jahre zu Ducati gelockt.
Damit ist der Zeit der Ausreden vorbei.

Wenn Lorenzo auf der Ducati nicht gewinnt, dann liegt es an der Desmosedici, die immer noch schwer zu fahren ist und viel Körperkraft verlangt, wie Dovizioso immer wieder bestätigt. Auch die Traktion und das Fahrverhalten in schnellen Kurven werden manchmal bemängelt, dazu die Bremsstabilität.

Diese Probleme führen zu einer oft verbesserungswürdigen Renn-Performance. In Barcelona büsste Dovizioso 41,4 Sekunden auf Sieger Valentino Rossi (Yamaha) ein.

Ob sich dieser Rückstand mit Lorenzo innerhalb eines Jahres auf null reduzieren lässt, darf bezweifelt werden.

Auch die Qualifying-Performance liess beim Catalunya-GP zu wünschen übrig: Iannone büsste als Achter 0,869 sec auf die Márquez-Bestzeit ein, Dovizioso als Zehnter sogar 1,440 Sekunden.

Ducati: Wie wäre es mit weniger Power?

Ducati vertraut in der MotoGP-WM vom ersten Tag an auf möglichst viel Motorleistung. Heute ist beim 1000-cm-V4-Motor bereits von 275 oder 285 PS die Rede.

Honda hat nach der Saison 2015 die Motorleistung reduziert, aber dann das Pech gehabt, dass wegen der Einheits-ECU bei den ersten vier, fünf Grand Prix selbst diese kastrierte Power nicht zum Vorschein gebracht werden konnte. Suzuki hat mit überschaubarer Leistung begonnen und für 2016 im Top-Speed erhebliche Fortschritte gemacht. Auch Aprilia nähert sich dem maximal Machbaren mit Motoren, die vorläufig nur 250 oder 255 PS leisten.

Aber Bautista und Bradl fuhren in Barcelona von den Startplätzen 21 und 18 los und landeten im Rennen auf den Rängen 8 und 12. Ducati-Pilot Barbera startete als Vierter und war im Ziel Elfter. Redding fuhr von Platz 11 los und kam wegen des enormen Reifenverschleisses nur als 16. ins Ziel.

Vielleicht gibt es keinen Rennfahrer auf dieser Welt, der mit der brachialen Desmosedici-Power so viel anfangen konnte wie Casey Stoner.

Wenn das der Fall sein sollte, wird auch Jorge Lorenzo keine Siegesserie für Ducati zustande bringen.

Ich erinnere mich an den Südafrika-GP in Welkom 2004. Damals klagte Ducati-MotoGP-Werkspilot Troy Bayliss: «Keiner von uns hat nach der Saison 2003 um mehr PS gebeten, trotzdem haben wir 30 PS mehr erhalten. Ich habe das Gefühl, dieses Motorrad wurde aus dem Weltraum einflogen.»

Danach reduzierte der damalige Chefkonstrukteur Filippo Preziosi die Power Schritt für Schritt auf ein vernünftiges Mass, sodass Capirossi und Bayliss in der zweiten Saisonhälfte 2004 wieder Podestplätze einfahren konnte.

Ganz klar: Die Ducati von heute hat mit dem Vehikel, mit dem sich Rossi 2011 und 2012 abmühte, nicht mehr viel zu tun.

Aber wenn Ducati die Chance mit Lorenzo nicht nützt – ein besserer Fahrer wird 2017 und 2018 nicht zur Verfügung stehen.

Wir wünschen und starke, europäische MotoGP-Teams, die die Japaner ernsthaft herausfordern. Doch die Geduld der Ducatisti wird seit Jahren auf eine harte Probe gestellt. Auch Aprilia und KTM haben noch viel Arbeit vor sich.

Deshalb wäre es interessant zu beobachten, wie es mit dem Kraftaufwand für die Fahrer, dem Reifenverschleiss und den Rennergebnissen bei der 2016-Ducati aussehen würde, wenn Gigi Dall'Igna mal 10 oder 15 PS weniger vom Stapel lassen würde.

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