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Pit Beirer (KTM): «Der Wahrheit ins Auge schauen»

Von Günther Wiesinger
Mika Kallio beim Misano-Test im Juni auf der KTM RC16

Mika Kallio beim Misano-Test im Juni auf der KTM RC16

«Drei Sekunden Rückstand, das wäre beim ersten direkten Kräftemessen mit den MotoGP-Gegnern kein Drama», sagt Pit Beirer, Motorsport-Direktor von KTM, vor dem am Dienstag beginnenden grossen Spielberg-Test.

Das neue KTM-MotoGP-Werksteam erlebt ab morgen auf dem Red Bull Ring in Spielberg in der Steiermark zwei Tage die erste richtige Bewährungsprobe im direkten Wettstreit gegen die anderen MotoGP-Teams.

Mika Kallio und Tom Lüthi treten zwei Tage lang gegen die gesamte MotoGP-Elite und fünf andere Hersteller an. Bisher hatte sich KTM in aller Stille bei privaten Tests unter Ausschluss der Öffentlichkeit vorbereitet.

Das RC16-KTM-Projekt wird beim Spielberg-GP am Samstag, 13. August, erstmals offiziell präsentiert.

Pit Beirer, Motorsport Director bei KTM, beantwortete vor dem ersten Kräftemessen ein paar dringliche Fragen von SPEEDWEEK.com.

Pit, bist du vor dieser Standortbestimmung aufgeregt, nervös oder neugierig?

Das wird für uns alle ein sehr spannender Moment. Wir haben jetzt doch eine ordentliche Vorlaufzeit von fast zwei Jahren gehabt und konnten uns sehr gut vorbereiten. Es ist echt sehr gut gelaufen für uns. Die ganzen Schritte, die wir uns gewünscht haben, wie wir das Team zusammenstellen, wie wir das Motorrad aufbauen und wie wir die passenden Strukturen schaffen, das hat alles gut geklappt.
Aber irgendwann hören natürlich die ganze Sprüche auf, dann musst du der Wahrheit ins Auge schauen. Wir freuen uns jetzt wirklich darauf. Wir sind jetzt viel gefahren und wollen selber mal sehen, wo wir wirklich stehen.
Klar, du stoppst bei jedem privaten Test Rundenzeiten, aber dann hat es 10 Grad mehr oder 10 Grad weniger, es herrscht Wind oder kein Wind. Deshalb ist ein direkter Vergleich immer aufschlussreicher und wegweisender. Echte Vergleiche kriegst du nur, wenn du am selben Tag mit der Konkurrenz auf derselben Rennstrecke fährst.
Wir freuen uns darauf. Und am Mittwochabend werden wir genau wissen, wo wir stehen.

Im Frühjahr ist durchgesickert, dass euch beim ersten 2016-Test in Jerez mehr als vier Sekunden auf die MotoGP-Bestzeiten von 2015 gefehlt haben. Entspricht das der Wahrheit?

Ja, das haut schon hin. In diesem Bereich haben wir in diesem Jahr begonnen, als es mal angefangen hat, ordentlich zu laufen.
Es ist ja bei weitem nicht so, dass man auf dem Reissbrett ein MotoGP-Motorrad zusammenstellt, dann auf die Strecke geht und automatisch gleich weniger als vier Sekunden verliert.
Aber ich erhoffe mir, dass wir bis zu diesem Spielberg-Test den Rückstand verkleinert haben.

Ihr habt in den letzten Wochen viel getestet. In diesem Jahr haben bisher sechs oder sieben Tests mit vier verschiedenen Piloten (Kallio, de Puniet, Abraham und Lüthi) stattgefunden.

Ja, das kommt ungefähr bin. Wir sind im Juni dreimal gefahren, im Mai zweimal. Vorher in Jerez.

In Brünn war es aber beim ersten Mal zu kalt?

Ja, wobei man natürlich sagen muss, wir haben Regen, Wind und Kälte gehabt, aber wir haben ja keine Erfahrungswerte, also nützen uns auch Tests bei widrigen Bedingungen. Auch wenn das Tage sind, an denen du das Material nicht wirklich verbessern kannst. Du lernst halt, wie das Motorrad im Regen funktioniert, was genau so wichtig ist. Man kann zum Beispiel rausfinden, wie die Sensoren funktionieren, wenn es regnet.
Deshalb waren auch diese Tage für uns enorm wichtig, obwohl sie keine Rundenzeiten brachten. Du fährst also frustriert heim, weil du 20 Dinge dabei hattest, die du probieren möchtest. Aber du kannst nichts umsetzen.
Dafür haben wir nachher mit dem umfangreichen Testkalender, wo wir zwischendurch noch einmal in Jerez und Brünn waren, in Misano, in Mugello, wirklich ein Mammut-Testprogramm absolviert, bei dem die Zeitabstände zwischen den Testterminen extrem kurz waren, wo wir daheim kaum Zeit zum Ausladen und Fassen von neuem Material hatten. Da haben die Jungs wirklich die Wochenenden durchgearbeitet und Nachtschichten geschoben, als wären wir schon mitten drin im Rennbetrieb. Das war eine ganz wichtige Periode, die uns wirklich vorwärts gebracht hat.

Wie nahe seid ihr jetzt an den MotoGP-Topzeiten dran? Drei Sekunden – oder näher?

Naja, jetzt warten wir schon so lange auf das MotoGP-Projekt von KTM. Jetzt haben wir noch zwei Tage Zeit, um abzuwarten, was wirklich rauskommt. Meine Prognosen von heute sind da nicht wirklich zielführend. Wir werden das hinnehmen, was passiert. Nachher werden wir brav weiterarbeiten.
Wir gehen davon aus, dass wir Rückstand haben werden. Aber ich fühle mich momentan in einer ruhigen Position. Wir können sagen, wir liegen im Plan, es wird alles ordentlich laufen.

LCR-Honda-Teambesitzer Lucio Cecchinello hat kürzlich zu mir gesagt: Drei Sekunden Rückstand für KTM wären erklärbar, denn 1,5 Sekunden verliert man mit einem nagelneuen Bike und 1,5 Sekunden mit den Testfahrern, die nicht im Rennbetrieb stehen wie Kallio und de Puniet.

Ja, drei Sekunden Rückstand, das wäre kein Drama, absolut nicht. Denn bei der Zeit, die uns noch bleibt bis zum ersten Rennen im März 2017 in Katar, da könnten wir von so einem Rückstand noch was runterknabbern.
Dazu dürfen wir uns erhoffen, dass wir uns durch die nächstjährigen Werksfahrer Bradley Smith und Pol Espargaró noch einmal steigern.

Aprilia bestreitet jetzt die zweite Saison, sie verlieren teilweise auch noch 2,5 Sekunden auf die Bestzeit.

Ich lasse mich jetzt von dir auf keine Zeiten festnageln. Wir werden ein bisschen zu langsam sein... Aber wir werden uns anstrengen, damit der Rückstand weniger wird.
Wenn du jetzt als neuer Mitspieler anfängst, musst du mal ganz hinten beginnen und hoffen, dass du den Anschluss hast im hinteren Feld. Von dort musst du dich Position um Position nach vorne hangeln.

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