Youthstream und der Blatter-Clan

Kolumne von Thoralf Abgarjan
Volle Zuschauerränge wie im Talkessel sind in der Motocross-WM inzwischen selten

Volle Zuschauerränge wie im Talkessel sind in der Motocross-WM inzwischen selten

Der Verkauf von Youthstream an das in der Schweiz ansässige multinationale Sportmarketing-Konsortium 'Infront' weckt Erinnerungen an den Verkauf des Unternehmens 'Action Group' an die 'Dorna'.

Das Sportmarketing-Unternehmen Infront, das Youthstream übernommen hat, ist in Zug (Schweiz) ansässig und durch die Vermarktung der Medienrechte der Fußball-Weltmeisterschaft bekannt.

Infront berät auch renommierte Fußball-Vereine. Neben einigen Wintersportarten war und ist Infront auch im Motorsport tätig, unter anderem als Vermarkter der Sportwagen-WM und der prestigeträchtigen 24 Stunden von Le Mans. Von 2007 bis 2012 trat Infront als Promoter der Superbike-WM auf.

Außerdem bietet Infront Serviceleistungen wie Sportstättenwerbung, Hospitality und Event-Management an. Das Unternehmen hat weltweit 39 Niederlassungen mit ca. 1000 Mitarbeitern.

Das Medienunternehmen Infront ging aus der ehemaligen KirchSport AG hervor, das 2002 von einem Investorenkonsortium übernommen wurde. 2015 übernahm die chinesische 'Wanda Group' 'Infront Sports & Media', die später in die 'Wanda Sports' integriert und umfirmiert wurde. Infront ist ein multinationales Konsortium von global agierenden Investoren.

Der Chef des Unternehmens, Philippe Blatter, selbst ein bekennender Enthusiast für Extremsportarten, erhielt von der FIFA lukrative Aufträge, die noch unter der Führung seines Onkels Sepp eingefädelt wurden - so auch die Rechte zur Übertragung der Fußball-WM in Russland und 2022 in Katar via TV, Internet und Radio für die Regionen China, Indien, Indonesien und Thailand sowie zwei Dutzend weiterer Länder.

Welche Konsequenzen wird diese Übernahme haben? Organisatoren und Teams werden künftig weiterhin mit Giuseppe Luongo verhandeln. Er agiert zusammen mit seinem Sohn David weiterhin als Geschäftsführer. Daniele Rizzi bleibt als COO (Chief Operating Officer) für das operative Geschäft zuständig.

Auf den ersten Blick bleibt alles beim Alten. Aber: Infront will selbstverständlich nicht nur mitverdienen, sondern vor Allem den Ertrag steigern. Das könnte zu höheren Preisen führen: Für Veranstalter, Teams, Werbepartner, Caterer und letztendlich auch für die Zuschauer.

Der Motocrosssport leidet aber schon heute unter massiven Finanzierungsproblemen. Die Werksteams reduzieren ihr Engagement zusehends: KTM tritt dieses Jahr statt mit 3 Fahrern nur noch mit 2 Werkspiloten an. Husqvarna hat diesen Schritt schon 2018 vollzogen. Mit KTM, Husqvarna, Yamaha, Honda und Kawasaki sind nur noch 5 Factory-Teams mit 10 Werksfahrern am Start. Suzuki hat sich Ende 2017 komplett aus der WM verabschiedet. Kleinere Teams haben heute kaum noch eine Chance, die komplette WM-Saison zu finanzieren, wie das Beispiel von Max Nagl zeigt, der zuletzt beim Motocross der Nationen in RedBud zwar eine überragende Leistung zeigte, aber um seine Teilnahme bei Überseerennen in der WM bangen muss. Andererseits können bei WM-Läufen in Asien nicht einmal alle WM-Punkte vergeben werden. Viele Überseerennen finden vor gähnend leeren Zuschauerrängen statt. Positiv formuliert würde man sagen 'emotionslos', in der öffentlichen Wahrnehmung aber 'langweilig'.

So kann man Giuseppe Luongo nur erstaunlichen Geschäftssinn bescheinigen. Ein in Wirklichkeit kränkelndes Produkt gewinnbringend an einen 'Global Player' der Medienwelt zu verkaufen, ist zweifellos ein wirtschaftlicher Geniestreich.

Auch wenn über den Kaufpreis geschwiegen wird: Im Vergleich zu Sportarten wie Fußball ist Motocross für Infront natürlich ein 'kleiner Fisch'. Es ist ein Engagement, das kaum eine Rolle in der Gesamtbilanz des Unternehmens spielen wird, auch dann nicht, wenn es defizitär ist. Vielleicht ist es sogar eine Chance für den Sport. Vielleicht kann Infront den Trend umkehren und verhilft dem Motocross-Sport tatsächlich wieder zu mehr Popularität, zu größerer Akzeptanz und zu mehr Begeisterung.

Mit der Übernahme von Youthstream wiederholt sich ein Stück Sportgeschichte. Zur Erinnerung: Luongos erste Vermarktungsfirma, 'Action Group', die 1997 von der FIM die Vermarktungsrechte an der Motocross-WM erwarb, wurde 2001 an die spanische Dorna verkauft, welche die Vermarktungsrechte an der Moto-GP hält. Nach nur 3 Jahren kaufte Luongo diese Rechte mit seiner neu gegründeten Firma Youthstream wieder zurück, weil sich die Erwartungen der Dorna nicht erfüllten.

Eine der wichtigsten Aufgaben des neuen Vermarkters wird sein, wieder mehr Zuschauer an die Rennstrecken zu holen, denn im Motocross ist es wie im Fußball: Nur die Emotionen machen eine Sportveranstaltung zum unvergesslichen Ereignis. Für Emotionen und Begeisterung spielen die Zuschauer am Streckenrand eine entscheidende Rolle. Motocross hat zweifellos das Potenzial dafür.

Vielleicht war das der ausschlaggebende Punkt für diese spektakuläre Übernahme. Und so kann man Infront am Ende nur viel Erfolg wünschen bei der Bewältigung dieser großen Aufgabe.

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