Krankenlager gefährdet die Show
Gehen in der MX-WM bald die Fahrer aus?
Die MX1-Rennen in Portugal waren die langweiligsten der Saison. Hätte Cairoli im zweiten Lauf keinen schlechten Start gehabt, wäre das Rennen eine Prozession ohne Action geworden. Im Vergleich zu den ersten beiden Grands Prix in Faenza und Portugal fehlten mit de Reuver, Strijbos, Pourcel und Ramon gleich vier der Top-Piloten. Hinzu kommt, dass Max Nagl noch immer mit seiner Handverletzung kämpft und Jonathan Barragan seit einem Trainingsturz Probleme mit der Schulter hat. Zudem hat sich David Philippaerts bei der unsanften Kollision mit Cairoli den linken Zeigefinger gebrochen.
Ein dermassen dezimiertes Feld bleibt auch den Zuschauern vor Ort nicht verborgen, denn die Piloten aus dem Mittelfeld können die freigewordenen Plätze auf der Strecke nicht einnehmen. Ihnen fehlt es schlicht und ergreifend am Speed. Wir müssen uns also auf einige Rennen gefasst machen, die weniger Siegesanwärter am Startgatter haben werden, als zu Beginn der Saison – und das nach nur fünf WM-Läufen!
Vielleicht gelingt es den Honda-Mannen rund um das Martin-Team ja tatsächlich, Kevin Windham für ein paar Rennen nach Europa zu locken, auch wenn mir der Glaube daran fehlt. Das wäre sicher ein kleines Highlight, doch auch der Amerikaner könnte nicht mehrere Top-Piloten ersetzen. Er wäre höchstens ein kleiner Trost für die entgangene Action mit den verletzten Stammfahrern.
Aber woran liegt es, dass sich so viele Fahrer in so kurzer Zeit, zum Teil schwer, verletzt haben. Die Motorräder haben sich in den letzten zwei, drei Jahren nicht wirklich verändert. Sicher, die Strecken werden immer schwieriger, weil die Top-Piloten fordern, dass ab Samstag früh die Bagger verstummen. Sie wollen ausgefahrene Pisten, weil sie auf schwierigem Geläuf ihre Stärken besser ausspielen können. Doch kann das die Ursache sein? Einige der schlimmen Verletzungen fanden beim Training unter der Woche statt.
Bleiben also nur noch die Fahrer selbst? Fahren die Jungs vielleicht zu viele Rennen? Obwohl sie es nicht müssten, gehen die meisten der GP-Fahrer an ihren freien Wochen noch in nationalen Meisterschaften und bei freien Rennen an den Start. Zehrt das nicht zumindest langfristig an der körperlichen Konstitution? Ich habe mich in Agueda mit Stefan Everts zu diesem Thema unterhalten. Er war der einzige Spitzenfahrer, der zu seiner aktiven Zeit offen eingestanden hat, dass er die freien Wochenenden zwischen den GPs oft genug gebraucht hat, um seinen geschundenen Körper zu regenerieren. Doch der 10-fache Weltmeister will sein persönliches Verhalten nicht verallgemeinert sehen.
«Jeder Fahrer muss selbst entscheiden», so Everts. «Es ist eine sehr persönliche Sache, ob man lieber jedes Wochenende Rennen fährt oder sich auch mal ein paar Tage richtig regeneriert. Es macht einen grossen Unterschied, ob ich nur für ein, zwei Stunden Joggen gehe oder Rad fahre und dann wieder zu Hause bin oder ob ich ein Rennen im Ausland bestreite und die Strapazen der Reise noch zusätzlich hinzukommen.»
Die Piloten bei KTM geniessen dazu weitestgehend Entscheidungsfreiheit. «Wir schreiten erst ein, wenn wir der Meinung sind, dass einer unserer Fahrer besser ein Wochenende aussetzen sollte, weil er eine kleine Verletzung hat. Letztendlich können die Jungs in der Regel selbst entscheiden. Wir machen jedoch keinesfalls Druck, dass sie so oft wie möglich an GP-freien Wochenenden starten sollen.»
Letztendlich also alles nur eine Verkettung unglücklicher Unfälle? «Ich glaube schon», meint Everts. «Die Häufung der schlimmen Verletzungen in den letzten Wochen waren wohl schlicht und ergreifend Zufall.»
Hoffen wir es – im Sinne des Sports!