Mitfahrt im historischen Rallye-Porsche:

Kolumne von René de Boer
Porsche 911 aus 1974 in der marokkanischen Wüste

Porsche 911 aus 1974 in der marokkanischen Wüste

36 Jahre alt und kein bisschen leise: Selbstversuch als Beifahrer in einem historischen Rallye-Fahrzeug.

Ein britischer Kollege, Rallye-Journalist Anthony Peacock, fragte in der vergangenen Woche ob ich am Wochenende vielleicht in Marrakesch wäre, und was ich am Freitag Nachmittag vorhätte. In der Tourenwagen-WM sind Freitage in der Regel wenig ereignissreich, und so kam ich schnell zu der Entscheidung, dass ich wohl für zwei Stunden aus dem Fahrerlager abkömmlich wäre. Zumal es um eine besondere Gelegenheit ging, denn die Einladung zur Mitfahrt in einem alten Rallye-Porsche bekommt man nicht alle Tage.

Zwanzig Minuten ausserhalb der Stadt Marrakesch sieht die Welt komplett anders aus. Mitten in der Wüste, wo man allenfals einen Hirten mit seiner Schafherde trifft und die Landschaft von Kakteen und einigen ziemlich durstig wirkenden Bäumen und Sträuchern bestimmt wird. Befestigte Wege: Fehlanzeige. Man fährt durch die Hügel auf Sandwegen mit Steinen und Löchern, sogar mit vielen Steinen und vielen Löchern. Die Aussicht ist atmberaubend. Ein Franzose, Mitarbeiter der Organisation der Marokko-Rallye für historische Fahrzeuge, der bereits seit Jahren im Marrakesch wohnt, fährt mich zum vorgesehenen Ort, recht komfortabel in einem Volkswagen Touareg mit Lederausstattung und Klima-Anlage. Wie er genau den richtigen Sandweg erwischt, ist mir schleierhaft: Punkte zur Orientierung gibt es hier kaum. Aber auf einmal erreichen wir einen Hügel, wo zwei kleine Zelte und einige Geländewagen stehen, sowie ein roter Porsche 911 in Rallye-Ausführung, komplett mit Überrollkäfig.

«Das Auto kommt gerade zurück von der Classic-Safari-Rallye in Kenia», sagt der Brite Richard Tuthill, der jahrelang selber recht erfolgreich im Rallyesport aktiv war, aber sich mangels Finanzen für den letzten Schritt in die WM doch für den Aufbau historischer Porsche-Rallyefahrzeuge entschied, einen Geschaftsbereich, in dem sein Vater Francis ebenfalls seit vielen Jahren tätig ist. «Eigentlich haben wir an diesem Auto nichts gemacht, ausser sauber machen und überprüfen», sagt er. Der Elfer stammt aus dem Jahr 1974 und wird angetrieben von einem 2,7-Liter-Motor, der etwa 250 PS leistet. «Das Auto ist genau wie es früher war, abgesehen von den Reifen und das Fahrwerk. Wir haben ein modernes Fahrwerk eingebaut, die gleiche Marke, die auch Citroën für seine World-Rally-Cars verwendet», erklärt Tuthill.

Was man mit so einem 36 Jahre alten Porsche alles anstellen kann, wird kurz darauf deutlich, und zwar auf einer beeindruckenden Art und Weise. Im Vierpunktgurt in den Schalensitz festgegürtet und einem Helm mit Gegensprechanlage für die Kommunikation mit dem Fahrer auf dem Kopf, chauffiert mich Tuthill über die etwa 15 Kilometer lange Strecke. Der Schotter- und Sandparcours ist Teil der Streckenführung der «Rallye du Maroc», einer Veranstaltung für klassische Rallyefahrzeuge, die in diesem Jahr vom 9. bis zum 16. Oktober erstmals durchgeführt wird. Es ist die Wiederbelebung einer der legendären Veranstaltungen im Rallyesport. Die Rallye hat mit anderen historischen Veranstaltungen wie etwa die «Mille Miglia» oder die «Histo-Monte», wo es um Gleichmässigkeit geht, nichts gemeinsam. Hier wird auf Zeit gefahren, und zwar so schnell wie möglich. Genau wie in der modernen Rallye-WM, aber dann mit Autos die vor 1975 gebaut wurden. Das geht sehr wohl, so stellt sich heraus. Tuthill lenkt den Porsche mit einem ordentlichen Speed, aber gleichzeitig sehr agil, über den Sand. Er versucht, den tiefsten Löchern so viel wie möglich auszuweichen, dreht ständig am Lenkrad. Und zwischendurch redet er ganz entspannt. Er fühlt sich richtig wohl und bewegt seinen Porsche schneller, als es die Mehrzahl seiner Kunden, überwiegend erfolgreiche Geschäftsleute jenseits der 40, wahrscheinlich jemals tun werden.

An manchen Stellen ist die Strecke wirklich sehr eng. Der englische Begriff «goat track», also Ziegenpfad, ist noch sehr freundlich. Und daneben geht es ziemlich steil bergab, aber ich mache mir Mut mit dem Gedanken, dass auch Tuthill in einigen Tagen wieder normal nach Hause fahren will. Ausserdem habe ich Vertrauen in seine fahrerischen Fähigkeiten, und schliesslich kennt er den Porsche ja durch und durch. «Manche behaupten, man könne mit einem 911er nicht quer fahren. Also, die Realität sieht anders aus», sagt er. Das können wir nach dieser Mitfahrt nur bestätigen. Einmal zurück an unserem Startpunkt – eine solche Fahrt dauert einfach immer zu kurz – kommt mir ein älterer Herr entgegen. Es ist Bob Neyret, der als Werksfahrer für Citroën die Marokko-Rallye 1970 auf einem DS gewann. Er ist nach wie vor sehr engagiert im historischen Rallyesport. «Und, hat es dir gefallen», will er wissen. Eigentlich ist die Frage überflüssig, denn das Grinsen in meinem Gesicht sagt wahrscheinlich mehr als genut... Voller Stolz steht auch Paul Eric Jarry daneben. Der Franzose, selbst regelmässiger Teilnehmer bei solchen Veranstaltungen, ist Initiator der klassischen «Rallye du Maroc». «Wir haben bereits 15 Nennungen, darunter auch bekannte Namen wie Michèle Mouton, und wir erwarten etwa 15 weitere», sagt er. «Unser Ziel ist es, die Atmosphäre der grossen Rallye von damals wieder aufleben zu lassen.» Davon haben wir eine kleine Kostprobe bekommen, und wir können nun sagen, dass den Teilnehmern dieser Veranstaltung eine grossartige Erfahrung bevorsteht!

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