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Skandal in San Juan: Die Gründe für das Versagen

Kolumne von Günther Wiesinger
Rennen 1 auf dem San Juan Villicum Circuit: Nur 12 Fahrer am Start

Rennen 1 auf dem San Juan Villicum Circuit: Nur 12 Fahrer am Start

Die Superbike-WM-Fahrer waren sich einig: Der neue Belag in San Juan/Argentinien ließ am Samstag kein vernüftiges Rennen zu. Der Weltverband FIM räumt keinen Fehler ein und bezichtigt die Fahrer der Lüge.

Vier Tage machte der Motorrad-Weltverband FIM keinen Mucks. Als dann das unrühmliche Trauerspiel beim Superbike-WM-Lauf in San Juan/Argentinien (im ersten Rennen streikten sechs Fahrer) vorbei war, meldete sich die FIM mit einer Pressemitteilung, bei deren Durchsicht ich von Übelkeit und Ärger übermannt wurde. Ich fühlte mich 40 Jahre in die Vergangenheit zurückversetzt, als die ehrenamtlichen FIM-Funktionäre in ihrer Ahnungslosigkeit und unübertroffenen Selbstherrlichkeit einen Streik und einen Boykott nach dem anderen heraufbeschworen.

Ich nenne nur folgende Grand Prix als Beispiele, die mir aus dem Stegreif einfallen: Nürburgring 1974, Salzburgring 1977, Nogaro 1978, Francorchamps 1979, Francorchamps 1989, Hockenheimring 1989, Misano 1989 und Rijeka 1990.

Diese Ereignisse führten zu Sperren, zu schweren Verletzungen, und am Ende zum Machtverlust der FIM, weil Teams, Fahrer und Werke gegen die FIM und die Veranstalter rebellierten und für 1992 eine Piratenserie ohne FIM-Segen planten. Die FIM gab im letzten Moment klein bei. Die Dorna kaufte für ca. 6 Millionen US-Dollar die kommerziellen Rechte am GP-Sport und diktiert seither das Geschehen. 2012 kaufte die Dorna der FIM auch die Superbike-Rechte ab.

Im Grunde haben die FIM-Funktionäre seit dem Machtverlust nur noch die Aufgabe, die Siegerehrung vorzunehmen, im Anzug durch die Gegend zu spazieren, die Teilnehmerliste zu veröffentlichen, bei der sie kaum was mitzureden haben, und den Rennkalender zu veröffentlichen, den die Dorna ohne FIM-Zutun erstellt. Ja, und sie darf manchmal sogar eine FIM-Hospitality im Fahrerlager parken.

San Juan: Die Verantwortlichen haben versagt

Klar, es gibt im GP-Sport und in der SBK einen «FIM Safety Officer», aber im Grund wird er mit Dorna-Geld bezahlt, deshalb wird er sich nie vehement gegen die (kommerziellen) Interessen der Dorna stellen, welche die Bandenwerbung verkauft, die Rennprogramme, die Namensrechte für die WM-Läufe und die TV-Rechte.

Jetzt kam es auf dem Circuit San Juan Villicum zu einem Problem, das schon vor 40 Jahren in Belgien zu einem GP-Boykott führte. Dort traten damals nur die Nachzügler an, es gewannen die unbekannten Barry Smith (125 ccm), Edi Stöllinger (250 ccm) und Dennis Ireland (500 ccm).

Inzwischen sollten die Veranstalter und die Verantwortlichen etwas dazu gelernt haben. Es gibt genaue Spezifikationen für brauchbaren Rennstreckenasphalt. Trotzdem musste 2018 der Silverstone-GP wegen einer unbrauchbaren Teerschicht (wasserundurchlässig) abgesagt werden.

Genau genommen hätte man auch den Superbike-Event in Argentinien absagen müssen, zumindest das erste Rennen am Samstag. Denn wegen der großen Hitze drang Öl durch den Teer.

Namhafte Fahrer wie Chaz Davies, Marco Melandri, Leon Camier, Eugene Laverty, Ryuichi Kiyonari und Sandro Cortese streikten.

Sandro Cortese hielt ein Rennen am Samstag für lebensgefährlich. Zwölf Fahrer hielte sich dann nicht an die Abmachung, sie gingen an den Start. Eigentlich wollten die SBK-Fahrer das erste Rennen am Samstag streichen, am Sonntag zwei Rennen über die volle Distanz fahren und das Sprintrennen absagen. Aber dann trafen beim Race 1 trotzdem zwölf Fahrer an der Startlinie ein. Die sechs erwähnten Fahrer streikten, Loris Baz war bereits verletzt.

Im Press-Release bezichtigt die FIM die Fahrer der Lüge. Sie hätten am Samstagmittag angekündigt, sie hätten nichts gegen ein Rennen einzuwenden, dann seien sechs Fahrer dem Start ferngeblieben, wird da erwähnt. Aber spätestens nach der Superpole war nachweislich wieder von einem Streik die Rede!

Das FIM-Schreiben wurde von keinem Funktionär unterzeichnet, es blieb anonym, so viel zur Feigheit des Weltverbands. Die Fahrer hingegen stellten sich tapfer hin und gaben die triftigen Gründe für ihr Nichtantreten bekannt. Der zweifache Weltmeister Sandro Cortese: «Mein Leben ist wichtiger als Geld.» Ducati-Werksfahrer Chaz Davies: «Schuld sind die FIM und die Dorna.»

Ja, diese Einsicht kann nur bestätigt werden. Denn die FIM räumt ein, den neuen Belag erst am Mittwoch (9. Oktober) homologiert zu haben, also zwei Tage vor dem ersten Training! Auf die Idee, den überforderten weiblichen Safety-Officer Tamara Matko mal im September nach Argentinien zu schicken, kam niemand.

Da ich davon ausgehe, dass es auch in Argentinien Wetterprognosen gibt, kamen die hohen Oktober-Temperaturen in San Juan nicht aus heiterem Himmel. Auch der Franzose Franck Vayssie, der die SBK-WM-Strecken homologiert, hat sich in Villicum nicht mit Ruhm bekleckert.

Superbike-Fahrer: Menschen zweiter Klasse

Man wird den Eindruck nicht los, dass die FIM die Superbike-WM-Fahrer als Menschen zweiter Klasse betrachtet. Denn sie fahren teilweise auf Pisten, die für einen Grand Prix nicht homologiert werden. Und man schenkt ihnen kaum Gehör. Da werden sich auch die Dorna-SBK-Manager Gregorio Lavilla und Marc Saurina einige Vorwürfe anhören müssen.

Im MotoGP-Sport sind dank der Safety Commission, in der die Fahrer ein sehr starkes Mitspracherecht haben, in den letzten Jahren auch dank des umsichtigen Dorna-Chefs Carmelo Ezpeleta immer vernünftige Kompromisse erzielt worden. In Katar 2009 wurde das MotoGP-Rennen am Montag ausgetragen, 2017 wurde das Samstag-Training in Doha gestrichen, ähnlich wie in Sepang 2018, die F1-Piste in Mexiko wurde von den Piloten abgelehnt.

Dagegen herrschen bei den Superbikes Zustände wie vor 40 Jahren.

Man muss auch dem fünffachen Weltmeister Johnny Rea einen Vorwurf machen. Er hätte sich an seinen MotoGP-Kollegen wie Rossi, Márquez, Lorenzo & Co. ein Vorbild nehmen und den Kollegen nicht in den Rücken fallen sollen.

Der neue FIM-Präsident Jorge Viegas spricht viel von Reformen. Er ist aber bisher in erster Linie als begnadeter Selbstdarsteller aufgefallen und tappt gerne in Fettnäpfchen.

Das lapidare FIM-Presse-Release passt zu ihm. Denn er wäscht seine Hände in Unschuld und macht dem Promoter in Argentinien nicht einmal den Hauch eines Vorwurfs. Klar, er braucht für die Wiederwahl die Stimmen der vielen südamerikanischen Verbände. Der Machterhalt ist Viegas offenbar wichtiger als die Sicherheit und das Leben der Fahrer.

Die Superbike-Fahrer haben kein Stimmrecht, sie werden nur als Melkkühe betrachtet und zahlen kräftig für ihre FIM-Lizenzen.

Statt im FIM-Statement Fehler einzuräumen, meldet der Weltverband, dass er am Donnerstag mit den 150 Streckenposten ein Seminar veranstaltet habe.

Ist das jetzt ein Bestandteil der Reformen von Jorge Viegas, dass Streckenposten vor einem WM-Lauf sogar noch geschult werden?

Und was hat das mit dem dreckigen, öligen Asphalt und dem Skandalrennen in der Pampa zu tun?

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