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Porsche RSR: Unter dem Kleid des neuen Elfers

Von Oliver Runschke
Nicht alles, aber vieles Neu: Porsche 911 RSR

Nicht alles, aber vieles Neu: Porsche 911 RSR

Warum der neue Porsche 911 RSR für die Sportwagenweltmeisterschaft radikaler und extremer als seine Vorgänger ist.

Porsche 911 RSR-Projektleiter Marco Ujhasi kommt ziemlich ins Grübeln, fragt man ihn nach den Unterschieden zwischen 997 GT3 RSR und dem neuen 991 RSR. Was nicht am Gedächtnis von Ujhasi liegt oder daran, dass die Unterschiede so schwer zu beziffern wären, sondern das der 991 RSR den Arbeitstag von Ujhasi schon seit sehr mehr als 1,5 Jahren bestimmt. «Die ersten grundsätzlichen Überlegungen zum 991 RSR haben wir Mitte 2011 angestellt, danach wurde es immer konkreter», erinnert sich Ujhasi.

Mit dem Aufbau des ersten Testträgers des neuen RSR wurde vor gut einem Jahr, Ende April 2012, begonnen. Am 25. Mai 2012 drehte der 991 RSR seine ersten Runde auf der Porsche-Teststrecke in Weissach. «Als wir dann sicher sein konnten, dass wir keine unerwarteten Überraschungen erleben, haben wir uns danach auch auf andere Strecken zum Testen getraut.». Der Testträger und das Testchassis sind mittlerweile schon ordentlich rumgekommen. Nach Weissach folgten Tests im Motorland Aragon in Spanien, Abu Dhabi, Portimão, Sebring und zum Schluss der Test auf dem Paul Ricard HTTT in Le Castellet in Südfrankreich.

Mit dem 991 RSR kehrt Porsche nicht nur werkseitig in den Langstreckensport zurück, der GTE-Bolide verkörpert auch eine neue Philosophie bei Porsche. Bisher war Porsche stolz darauf, biblisch dem GTE-Reglement zu folgen und zeigte mit dem Finger auf die Konkurrenz, die technische Ausnahmegenehmigungen («Waiver») in rauen Mengen für ihre Fahrzeuge beantragten. Die Einstellung ist war edel, aber in den vergangenen beiden Jahren wahrlich kein Erfolgsgarant. Daher geht Porsche nun auch den Weg der Konkurrenz und hat mit dem RSR ein ziemlich radikales Gefährt auf die Räder gestellt. «Damit müssen wir nun hoffentlich weniger Hilfe durch die Balance of Performance in Anspruch nehmen», so Porsche Hartmut Kristen bei der Vorstellung des RSR.

Neuer RSR basiert auf dem Carrera 4

Der RSR wird von Leichtbau dominiert, wie es ihn beim GT2/GTE-Modell von Porsche bisher noch nicht gegeben hat. Die Karosserie wird zwar noch in Stuttgart auf der Elfer-Fertigungslinie am Band gebaut, aber schon in einem frühen Stadium entnommen und nach Weissach geschafft. Der Karosserie ist übrigens vom Carrera 4, auf dem der RSR basiert. Auch das ist neu, basierten doch die bisherigen GT-Topmodell von Porsche auf dem Typ GT3. Doch der geht erst im Sommer in den Verkauf, aus Homologationsgründen griff Porsche auf den Carrera 4 zurück, damit entfiel aber auch die Typenbezeichnung GT3 im Namen.

Mit Ausnahme des aus Aluminium gefertigten Dachs sind alle weiteren Karrosserieteile des RSR aus Kohlefaser gefertigt. Kohlefaser kommt auch unter der Karosserie bei allen Teilen zum Einsatz, bei denen das möglich ist. Ein schönes Beispiel für den extremen Leichtbau ist die Abtrennung des Innenraums. Beim 997 trennte noch eine Kunststoffscheibe den Fahrer von der imaginären Rückbank, um den Innenraum, und damit auch das Luftvolumen, das die seit einigen Jahre vorgeschrieben Klimaanlage herunterzukühlen hat, zu verkleinern. Im neuen RSR ist die Kunststoffscheibe einer Zeltplane gewichen. In der Summe hat Porsche an Stellen, wo es eben geht, Gewicht gespart und den RSR extrem unter den vom Reglement geforderten 1.245 kg gebaut und dazu den Schwerpunkt gesenkt, um anschliessend das Gewicht optimal im Fahrzeug – bevorzugt im Vorderwagen – verteilen zu können.

Benzindirekteinspritzung im kommenden Jahr

Auch unter dem Bugteil, das sich dank von Schnellverschlüssen nun als Ganzes schnell entfernen lässt, ist einiges neu. Der Kühler ist tiefer und weiter hinten im Vorderwagen platziert sowie anders angestellt, damit arbeitet der Kühler deutlich effizienter. Und zwar so effizient, das die Porsche-Ingenieure sich die beiden kleinen Kühler, die sich bisher in den Lufteinlässen unter den Frontscheinwerfern verbargen, sparen können. An deren Stelle strahlen nun «Corner Lights», also Kurvenlicht, in die Nacht. Das Kurvenlicht ist zwar nicht dynamisch, sorgt aber dennoch für eine wesentlich bessere Ausleuchtung der Rennpiste. Weitere Änderungen im Bug: Der RSR hat nun auch an der Vorderachse mit doppelten Querlenkern feinste Rennwagentechnik.

Das Cockpit ist auch gänzlich neu und kommt nicht aus der Serie, sondern wurde komplett nach dem Wunsch und in Zusammenarbeit mit den Werksfahrern gebaut.

Wie das Bugteil, so lässt sich auch die Heckschürze dank Schnellverschlüssen schnell entfernen. Der Motor ist beim Elfer auch nach wie vor nicht zu sehen, daran ändert sich auch beim 991 ist. Zu sehen gibt es ohnehin nicht viel, denn der 4-Liter-Sechszylinder Boxer, den Porsche mit 460 PS angibt, ist zum Vorgänger unverändert. Eine Evolution ist erst für 2014 geplant: Dann wird der Sechszylinder-Boxer voraussichtlich mit einer Benzindirekeinspritzung ausgerüstet, denn die kann aus Homologationsgründen in diesem Jahr noch nicht eingesetzt werden. Gänzlich neu ist hingeben das Getriebe: «Zum einem ist das neue Getriebe leichter, zum anderen war die Aufgabenstellung die Zuverlässigkeit zu verbessern», erklärt Ujhasi.

Porsche will Rettungsluke für Fahrer zum neuen Standard machen

Neu positioniert ist der Heckflügel, der nun etwas tiefer als beim 997 im Wind steht. «Exakt nach Reglement, 10mm unter Dach», stellt Ujhasi fest. Das Aerodynamikpaket, mit dem Porsche den RSR in Le Castellet in der vergangenen Woche vorgestellt hat, ist das High-Downforce-Paket für die WEC. Ein zweites Aeropaket, das jeder Hersteller laut Reglement homologieren darf, ist eine low-downforce für Le Mans, die sich deutlich von dem bisher bekannten Paket unterscheiden wird.

Auffällig am neuen RSR: Eine Luke im Dach oberhalb des Fahrers. Wer auf James-Bond-ähnlich Schleudersitze hofft, wird allerdings enttäuscht. «Das ist eine Rettungslucke. Durch die Luke passt der Fahrer nicht, aber im Falle eines Unfalls lässt sich die beispielsweise die Wirbelsäule des Fahrer durch diese Luke stabilisieren. Vom Reglement her ist das nicht vorgeschrieben, aber wir halten das für einen wichtigen Beitrag für die Sicherheit und sprechen mit FIA und ACO, damit Rettungsluken zukünftig Pflicht werden.»

Gebaut wurden bei Porsche bisher drei Exemplare des 991 RSR, dazu noch ein Testträger, der aber nicht auf dem Stand der Einsatzautos ist. Am kommenden Wochenende steht in Silverstone beim Auftakt der Sportwagen-WM die erste grosse Bewährungsprobe für den 991 RSR an. Nervös, sich nach so länger Entwicklungszeit endlich der Konkurrenz zu stellen, Herr Ujhasi? «Nervös nicht, aber eine gesunde Anspannung ist schon vorhanden.»

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