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Mattia Binotto (Ferrari): Viel Ungewissheit um Vettel

Von Mathias Brunner
Mattia Binotto von Ferrari

Mattia Binotto von Ferrari

​Durch eine komplette Umstellung beim Formel-1-Rennstall von Ferrari wurde Mattia Binotto (47) neuer technischer Leiter. Der Italiener über die WM 2017: «Ich kann noch keinen klaren Trend erkennen.»

Ferrari ist seit 2007 und Kimi Räikkönen ohne Fahrer-WM-Titel. Der letzte Gewinn des Konstrukteurspokals geht auf 2008 zurück. Ferrari-Präsident Sergio Marchionne löste Ende 2014 den langjährigen Firmenchef Luca Cordero di Montezemolo ab. Und FIAT-Sanierer Marchionne fackelte nicht lange: Bei der Umstellung der Rennabteilung blieb fast kein Stein auf dem anderen.

Im Juli 2016 bestätigte Ferrari mit einer dürren Stellungnahme, dass Technikchef James Allison den Rennstall verlassen hatte, es war der Abschluss einer fast zwei Jahre langen Phase der Umwälzung. Mattia Binotto übernahm neben seinem Posten als Chef der Motorenabteilung auch die Funktion des technischen Gesamtleiters. Seither geht es mit Ferrari aufwärts.

Mattia Binotto ist für die meisten Rennfans ein ungeschriebenes Blatt geblieben. Geboren am 3. November 1969 in Lausanne, Absolvent des Polytechnikums Lausanne für Mechanik, später weitere Ausbildung in Modena zum Fahrzeugingenieur, ist seit 1995 in Maranello tätig. Zunächst als Motorenfachmann im Testteam, ab 1997 in der Rennmannschaft.

2004 und 2005 engagierte sich Binotto als Renningenieur und arbeitete am Wagen von Rubens Barrichello, stieg dann zum leitenden Ingenieur auf, 2009 zum Chef der Motorenentwicklung. Im Oktober 2013 eine weitere Beförderung: zum stellvertretenden Motorenchef, 2014 erhielt Binotto den Posten des in Ungnade gefallenen Luca Marmorini.

Damit setzte Teamchef Maurizio Arrivabene weiter um, was er angekündigt hatte: Man wolle künftig eher auf eigene Talente setzen. Ferrari-Chef Sergio Marchionne meinte zu Gerüchten im Spätsommer, wonach Maranello die Angel nach dem damaligen Mercedes-Technikchef Paddy Lowe ausgeworfen habe: «Mit der technischen Expertise, die wir in Maranello besitzen, brauchen wir keinen Paddy Lowe. Unsere Vorgehensweise ist richtig. Wir haben Mattia Binotto befördert, seither ist Ruhe eingekehrt, und wir geben Geld für die richtigen Dinge aus.»

Binotto war ein Glücksgriff: Als Chef der Motorabteilung hatte er nicht jedes Einlassventil selber entworfen, sondern eher die Funktionen eines Managers übernommen, das kommt ihm beim neuen Job zugute. Beim Design des Motors konnte er sich ganz auf Lorenzo Sassi verlassen (der im September Ferrari verlässt).

Binotto gilt als Menschenkenner, guter Zuhörer, weiser Einschätzer einer Situation. Was Binotto von Allison unterscheidet – Binotto ist kein Chassis- und Aerodynamikspezialist. Hier muss er sich auf Chefdesigner Simone Resta stützen. Aber als Renningenieur hat Binotto ein grösseres Bild erfasst und seine Ausbildung komplettiert.
Marchionne und Arrivabene klopfen sich heute auf die Schulter, der Erfolg gibt ihnen Recht. Aber Fakt ist: Was wir heute auf der Rennstrecke sehen, wurde vor vielen Monaten von James Allison in die Wege geleitet. Der Engländer sagte im vergangenen Frühling zur Renaissance von Ferrari: «Alles, was Ferrari erreicht hat, ist den vielen Mitarbeitern in Maranello zu danken. Erfolg hängt in der Formel 1 nie an nur einer Person.»

Mattia Binotto ist exakt der gleichen Ansicht: «Wir haben in Maranello zahlreiche herausragende Ingenieure, wirklich gute Leute. Wenn wir heute Erfolg haben, dann ist das einfach ein Zeichen dafür, dass wir sehr hart gearbeitet haben und dass die ganzen internen Abläufe stimmen.»

Ferrari kämpft heute auf Augenhöhe mit Ferrari. Aber bei aller Erfahrung weiss selbst Mattia Binotto nicht, wo die Reise hingeht, es gibt beim WM-Kampf mit Sebastian Vettel einfach zu viel Ungewissheit. Binotto im Rahmen des Ungarn-GP: «Es hat sich herausgestellt – jedes Rennwochenende ist anders. Es gibt Rennen, wo wir überaus konkurrenzfähig sind, dann scheint Mercedes wieder die Oberhand zu haben. Ich kann keinen klaren Trend erkennen.»

«Natürlich wird ausschlaggebend sein, wie effizient die Top-Teams entwickeln. Auch hier wird eine Rolle spielen, wie sich die jeweiligen Verbesserungen am GP-Wochenende auswirken. Alles ist offen, wir haben noch so viele Rennen.»

Binotto weiss: Er muss mit Ungemach rechnen. Wie der überhitzte Turbolader bei Kimi Räikkönen in Bahrain. Oder die Reifenschäden in England. Oder ein Hydraulikdefekt, der in Ungarn fast den Start des späteren Siegers Vettel verhindert hätte.

Sky-GP-Experte Marc Surer sagt: «Das Element Glück spielt beim WM-Kampf zwischen Vettel und Hamilton eine grössere Rolle als viele Fans glauben.»

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