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Mika Häkkinen: Der fliegende Finne ist 50 Jahre alt

Von Mathias Brunner
​28. September – Mika Häkkinen ist 50 Jahre alt. Der Formel-1-Champion von 1998 und 1999 war der einzig wahre Gegner von Michael Schumacher und ist dem GP-Sport eng verbunden geblieben.

Happy Birthday, Mika: Der fliegende Finne ist 50 Jahre alt, Mika Häkkinen. Der Finne bestritt zwischen 1991 und 2001 insgesamt 161 GP-Einsätze, 20 WM-Läufe konnte er gewinnen. In dieser Zeitspanne stand der Finne 51 Mal auf dem GP-Podest, 26 Mal durfte er von der ersten Startposition losfahren. Der Widersacher von Rekord-Weltmeister Michael Schumacher glänzte nicht nur auf der Strecke. Abseits der GP-Pisten machte der Gentlemen im Silberpfeil eine gute Figur – und kam bei den Fans entsprechend gut an. Häkkinen, das stand für Speed, für Fairness, für einen gewissen Schalk.

Unvergessen diese Bilder: Wie Häkkinen nach einem Ausfall in Monza an einem Baum des königlichen Parks lehnte und weinte. Wie er Michael Schumacher tröstend auf die Schulter klopfte, als Schumi von Tränen übermannt wurde, angesprochen auf Ayrton Senna. Wie Mika den gleichen Schumacher nach ihrem unfassbaren Duell in Belgien nach dem Rennen zusammenstauchte.

Was treibt einen Mann wie Mika Häkkinen ins Renncockpit? Welches war der entscheidende Moment? «Als ich mein erstes Kartrennen fuhr, das war ich fünf Jahre alt, hat es mich in der ersten Kurve gleich mal überschlagen. Mir wurde klar: Vollgas in der Kurve, das geht nicht. Aber ich war fasziniert.» Schnell und immer schneller, das hat das Leben jenes Mannes geprägt, der den Spitznamen «fliegender Finne» erhielt.

Aber dieser Flug hätte leicht in einer Katastrophe enden können. 1995 war das, nach einem Horror-Unfall im Zeit-Training in Adelaide (Australien). Damals zog sich Häkkinen einen Schädelbasisbruch zu. «Es ist das Schlimmste, was dir im Leben passieren kann. Man merkt, wie zerbrechlich ein Leben ist. In diesen Momenten wird alles andere, was normalerweise deinen Alltag bestimmt, völlig uninteressant. Das einzig Wichtige ist, die Hand des anderen halten zu können und den Worten der Ärzte zu vertrauen. Man sitzt dort und hofft, dass alles gut ausgeht, aber man weiss nicht, was am nächsten Morgen sein wird. Man kann selbst nichts tun – und das ist der Horror», sagte Häkkinen später der Bild am Sonntag. Häkkinen war damals blutend aus dem Wrack gezogen worden. Für die Familie, die zunächst nur diese Bilder sah, der absolute Horror.

Was waren denn seine ersten Gedanken, nachdem er aus dem Koma erwachte? « An die wesentlichen Dinge: Kann ich richtig sehen? Kann ich meine Beine bewegen? Meine Arme? Ich habe mich auch gefragt, ob es ein Fahrfehler war oder ob ein mechanisches Problem zu dem Unfall führte – das war dann auch der Fall.»

Die deutsche Rennlegende Michael Schumacher fürchtete auf der Rennstrecke nur einen Rivalen: Mika Häkkinen. Es ist nicht so, dass sich Michael Schumacher abfällig über seine Gegner geäussert hätte. Es ging mehr darum, was zwischen seinen Worten zu spüren war. Die Williams-Fahrer Damon Hill und Jacques Villeneuve fuhren nur dank überlegenen Materials auf Augenhöhe. Ayrton Senna haben wir verloren, bevor es 1994 zum wahren Duell zwischen dem Brasilianer und Schumacher kommen konnte. Nein, Michael Schumacher erkannte nur einen echten Gegner – den Finnen Mika Häkkinen.

Noch heute reden die Fans über den atemraubenden Rad-an-Rad-Kampf zwischen Michael Schumacher (Ferrari) und Mika Häkkinen (McLaren-Mercedes) in Spa-Francorchamps 2000. Mika nahm damals einen ersten Anlauf, Schumacher die Führung zu entreissen, Michael machte seinen Ferrari seeeehr breit, später begann Häkkinen eine neue Attacke und griff an der Fahrt zu Les Combes innen an, während die beiden Superstars gleichzeitig am BAR-Fahrer Ricardo Zonta vorbeischossen, der Brasilianer wundert sich noch heute, wie das gehen konnte. Häkkinen ging in Führung und gewann, eine Sekunde vor seinem Widersacher.

Noch im Parc fermé ging der Finne auf seinen Rivalen zu und sprach ihm gestenreich ins Gewissen. Als wir damals Mika nachher fragten, was er zu Schumi gesagt habe, meinte Häkkinen: «Das bleibt unter uns.»

Bis im Sommer 2017. Denn im Rahmen einer Videoreihe für den Wettanbieter Unibet verriet Mika Häkkinen endlich, was er damals zu Michael Schumacher gesagt hat. Der Weltmeister von 1998 und 1999 blick zurück: «Es war mir sofort klar, dass ich nach dem Rennen mit Michael sprechen musste. Ich sagte zu ihm: „Du kannst nicht einen Gegner bei 300 Sachen aufs Gras drücken. Hier geht es um Leben und Tod, benutz doch ein wenig gesunden Menschenverstand!“ Er legte seinen Kopf zur Seite und schaute mich an, dann sagte er: „Was habe ich falsch gemacht?“ Er hat sich nicht entschuldigt, er sagte nicht: „Tut mir leid, da war ich wohl ein wenig zu aggressiv.“ So fuhr er halt.»

Häkkinen sagt im Video weiter, er fand das Pistenverhalten von Schumacher «inakzeptabel. Wenn ein grenzwertiges Manöver in einer langsamen Kurve passiert, dann kann ich das noch halbwegs tolerieren, ich hatte ja auch meine Trickkiste. Aber 300 km/h ist so verdammt schnell. Wenn du dann in Belgien auf dem Gras bist, bei einer Bodenfreiheit von 15 Millimetern auf der Vorderachse, dann reicht der kleinste Erdhügel, um das Auto auszuhebeln, und Gott weiss, wo du dann hinsegelst. Daher wollte ich Michael klarmachen: „Jetzt mal ehrlich – denk nach!“»

«Michael hat nicht gefallen, wie ich dann an Zonta und ihm vorbeigegangen bin. Er konnte aber wertschätzen, dass wir ein tolles Duell hatten und nichts passiert ist. Mit jedem anderen Fahrer wäre früher oder später ein Frontflügel davongeflattert.»

«Michael konnte unfassbar autofahren. Er gab immer alles, als Fahrer und auch bei der Zusammenarbeit mit dem Team. Es gibt so viele Aspekte seiner Arbeit, die ich grenzenlos bewundere. Er liess nie locker. Aufgeben gehörte nicht zu seinem Wortschatz. Er war immer am Limit, mit rotglühenden Bremsscheiben, unglaublich.»

«Was die Zweikämpfe angeht, so konnte er sich extrem verteidigen, besonders wenn es Richtung Zielflagge ging. Zur Mitte eines Grand Prix liess er immer ein wenig Luft zum Gegner zwischen den Reifen. Zum Ende eines WM-Laufs scheute er sich aber nicht vor Wagenkontakt.»

Mika Häkkinen ist gegen die zwei vielleicht grössten Formel-1-Fahrer aller Zeiten gefahren – gegen Ayrton Senna und Michael Schumacher. Gegen Schumi konnte der Finne mit seinem McLaren-Mercedes 1998 und 1999 Weltmeister werden, 2000 verlor er das Titelrennen gegen den Ferrari-Star knapp. Ganz aus der Nähe bestaunen konnte Mika hingegen Ayrton Senna, als Stallgefährte.

Häkkinen war für die Saison 1993 von McLaren-Chef Ron Dennis verpflichtet worden, in der Rolle des Edelreservisten. Nachdem Michael Andretti nicht brachte, was Ron Dennis sich vom US-Amerikaner erwartet hatte, wurde der Sohn von Rennlegende Mario Andretti nach dem Monza-GP gefeuert, ausgerechnet nach dem besten Saisonergebnis von Michael, mit Rang 3 im Autodromo Nazionale.

Ab dem folgenden WM-Lauf in Estoril (Portugal) sass Mika Häkkinen im zweiten McLaren-Ford, und ich kann mich gut an die steinerne Miene von Superstar Ayrton Senna erinnern, nachdem Neuling Mika Häkkinen den Wagen in Estoril gleich Mal auf den dritten Startplatz stellte, 48 Tausendstelsekunden vor Team-Leader Senna.

Mika sagt: «Als ich bei McLaren anfing, da spürte ich von Ayrton Senna keinen Respekt. Klar haben wir uns unterhalten, aber es war deutlich zu merken – er schätzte meine Anwesenheit nicht übermässig. Ich hatte damit kein Problem. Der Junge aus Martinlaakso wollte einfach seinen Job machen und in der Formel 1 vorwärts kommen.»

«Als ich dann im Qualifying von Estoril schneller war als er, da kam er zu mir und fragte, wie um alles in der Welt ich das geschafft hätte. Ich machte ein Handzeichen: „Schau, ich habe halt grössere Eier als du.“ Da wurde er richtig wütend. Er erzählte mir von seiner Karriere, von den WM-Titeln, die er gewonnen hatte, er bedrohte mich: “Versuch es nicht mal.“ Danach war unser Verhältnis nicht das Beste. Denn Ayrton hatte mich als Bedrohung verstanden. Als Bedrohung gegen seinen Status als besten Fahrer der Welt.»

Heute bilanziert der 20fache GP-Sieger: «Es war ein Privileg, in jungen Jahren meiner Karriere Stallgefährte des legendären Ayrton Senna zu sein. Aber einfach war es bestimmt nicht.»

Über seinen Abschied aus dem GP-Zirkus von 2001 sagt er rückblickend: «Ich war an dem Punkt angelangt, wo ich nicht mehr hundert Prozent geben konnte. Das erste Mal, wenn du über einen Rücktritt nachdenkst, musst du zurücktreten. Ich war in einer glücklichen Situation. Ich hatte die Weltmeisterschaft gewonnen – und das Ziel erreicht. Aber meine Batterien waren leer.»

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