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Mercedes von Lewis Hamilton: Grosse Schwäche behoben?

Von Mathias Brunner
​Auch 2019 ist der Schlüssel zum Sieg in der Formel 1 rund und schwarz: Nur wer alles aus den Pirelli-Walzen holt, kann um Siege und WM-Titel mitreden. Hat Mercedes-Benz die grösste Schwäche behoben?

Wie wird das beste Team der Formel 1 noch besser? Indem für das neue Auto Stärken betont und Schwächen ausradiert werden. Mercedes hat beim W10 viel getan, um mehr aus den Reifen zu holen, wie Technikchef James Allison unter Anderem erklärt.

James, wann hat das Team mit der Arbeit am W10 begonnen?

Die ersten Arbeiten am Projekt W10 begannen Ende 2017. Damals wurden die ersten Meetings abgehalten und darüber gesprochen, wie das Chassis aussehen sollte, wie die Power Unit sich im Vergleich zum Vorjahr verändern sollte und wie unsere groben Ziele für das Projekt aussehen sollten. Zu diesem Zeitpunkt haben wir die Pläne für unsere Ressourcenverteilung erstellt, um das Auto in der Saison 2018 weiterzuentwickeln und einzusetzen und gleichzeitig die richtige Anzahl an Personal festzulegen, welches das Auto für 2019 entwickeln, konzipieren und entwerfen sollte.

Das Technische Reglement hat sich für diese Saison erheblich verändert. Welche Bedeutung hatte das für das Team?

Regeländerungen stellen stets sowohl eine Chance als auch eine Gefahr dar. Sie sind eine Chance, weil alle bisherigen Annahmen darüber, was man braucht, um schnell zu sein, über Bord geworfen werden. Wer schnell reagieren und clever damit umgehen kann, erhält die Gelegenheit, sich besser als alle anderen Teams anzustellen, die sich den gleichen Änderungen gegenübersehen. Umgedreht stellt dies aber auch eine Gefahr dar, wenn man nicht so clever ist und nicht das Beste aus dem neuen Regelwerk herausholen kann. Dann kann einem das in der anstehenden Saison gehörige Kopfschmerzen bereiten. Eins ist aber sicher: Solche Regeländerungen stecken immer voller Spannung. Man verspürt dieses besorgniserregende Gefühl, dass man vielleicht nicht genug getan hat. Gleichzeitig sorgt es aber für einen einzigartigen Kick und die Vorfreude darauf, die Wahrheit herauszufinden.

Auf welche Bereiche hat das Team bei der Entwicklung des W10 sein Hauptaugenmerk gelegt?

Das Fahrverhalten des W09 war ein großer Fortschritt gegenüber dem eher eigenwilligen W08. Dadurch waren wir auf Strecken konkurrenzfähig, auf denen wir in den Vorjahren Schwierigkeiten hatten. Aber obwohl uns in diesem Bereich Verbesserungen gelungen sind, konnten wir die Performance der Hinterreifen nicht so gut konservieren wie einige unserer Konkurrenten. Deshalb haben wir hart an der Aufhängung und der aerodynamischen Charakteristik gearbeitet, um ein Auto zu erhalten, das viel sanfter mit den Reifen umgeht. Das reicht hoffentlich aus, damit wir in allen Phasen eines Rennens und auf allen Rennstrecken im Kalender konkurrenzfähig sein können.

Obwohl das Mindestgewicht für die Saison 2019 um zehn Kilogramm angehoben wurde, bleibt die Gewichtsreduzierung bei der aktuellen Fahrzeuggeneration eine echte Herausforderung. Wir haben uns Komponenten angesehen, von denen wir dachten, dass wir sie im letzten Jahr schon bis auf die Knochen abgespeckt hätten. Nun haben wir sie Stück für Stück einer weiteren aggressiven Analyse unterzogen, um noch mehr Gewicht einzusparen. Bei einigen Teilen ist uns gefühlt ein riesiger Sprung mit einem halben Kilo Gewichtsersparnis gelungen, bei anderen waren es nur ein paar Gramm. Aber alles in allem summieren sich diese Erfolge zu einer Handvoll Kilogramm auf, die wir in die Aerodynamik, die Aufhängung und die Power Unit stecken konnten, um mehr Performance zu gewinnen.

Welche Gemeinsamkeiten besitzt der W10 mit dem Weltmeister-Silberpfeil aus dem Vorjahr?

Der W10 hat den Radstand und die generelle Bauweise mit seinen Vorgängern gemein. Ein genauer Blick verrät jedoch, dass wir die Umsetzung dieses Konzepts weiter verfeinert haben. Die Teile sind alle noch enger und schlanker gestaltet. Jede dieser Änderungen erlaubt es uns, die aerodynamische Performance noch weiter zu verbessern, als es uns unter den physikalischen Einschränkungen des 2018er Designs möglich gewesen wäre.

Die Regeländerungen wurden im vergangenen Frühjahr zu einer Zeit beschlossen, als alle F1- Teams bereits mit den Arbeiten am diesjährigen Auto begonnen hatten. Wie stark haben die neuen Regeln sich auf das Fahrzeugkonzept ausgewirkt?

Das neue Reglement hat nichts an den frühen Entscheidungen wie der Platzierung der Power Unit oder den Positionen von zentralen Fahrzeugteilen verändert. Sie hatten jedoch erheblichen Einfluss auf das Aerodynamikkonzept des Autos. Die Regeln kamen relativ spät heraus, während wir uns in einem sehr engen Kampf auf der Rennstrecke befunden haben. Zunächst versuchst du zu verstehen, was das neue Regelwerk für den Fluss rund um das Auto bedeutet. Danach versuchst du zu verstehen, was die größten Freiheiten sind, die dir dabei helfen können, die verlorene Performance wiederzufinden. Damit im ersten Fall nicht zu viele Köche den Brei verderben, schicken wir eine Vorhut an erfahrenen Aerodynamiker voraus, die den Fluss rund um das Auto auskundschaften sollen. Ihre Aufgabe ist es, das Maß an Freiheiten herauszufinden, mit dem wir die durch das neue Reglement verlorene Performance wieder zurückgewinnen können. Danach wurden immer mehr Gruppen an Aerodynamikern zugeteilt, um diesen Plan umzusetzen und die Aerodynamikteile zu entwickeln. Dieser Prozess läuft noch heute und wird auch bis Melbourne und darüber hinaus weiterlaufen, da die Teams ihre Autos im Saisonverlauf stetig weiterentwickeln.

In welchem Umfang waren die Fahrer in die Entwicklung des neuen Autos involviert?

Überhaupt nicht und gleichzeitig ganz erheblich. Überhaupt nicht, weil sie in dieser Jahreszeit normalerweise ihre Akkus aufladen und frische Energie für die anstehenden Herausforderungen in der neuen Saison sammeln. Sie sind also nicht in der Fabrik anwesend, um die Entwicklung des Autos zu verfolgen. Aber sie sind ganz erheblich darin involviert, weil es im Vorjahr 21 Rennwochenenden gegeben hat, an denen es nach jeder Session ein Debriefing gegeben hat. Dadurch haben sie uns mit unglaublich vielen Informationen über das Verhalten des Autos versorgt. Somit wussten wir, wie das Auto auf unsere Änderungen reagiert hat, wo es stark war und wo es schwach war. All das wissen wir von den Fahrern. Obwohl es hunderte Sensoren an den Autos gibt, ist nichts besser als mit den Personen zu sprechen, die tatsächlich am Lenkrad sitzen und spüren, wie das Auto auf ihre Eingaben reagiert. Dieses Feedback kann entscheidend für ein Rennwochenende sein, um das Auto für den Samstag und Sonntag besser abzustimmen. Aber es fließt auch sehr stark in die Entwicklung des neuen Autos ein.

Am Mittwoch fuhr das neue Auto zum ersten Mal auf der Strecke. Was bedeutet das für das Team?

Der Shakedown ist nur einer von rund 90 geplanten Subsystem-Tests und Schritten auf einem langen Weg. Dieser beginnt, wenn wir die Teile zum ersten Mal in der Hand halten und führt bis zum ersten Rennen des Jahres. Der Shakedown ist aber ein ganz besonderer Moment, weil in diesem Moment das neue Auto zum ersten Mal auf die Strecke fährt. Du möchtest die wenigen erlaubten, aber umso wertvolleren Kilometer beim Shakedown ohne Schwierigkeiten hinter dich bringen und hoffst, dass alle Systeme funktionieren. Das gibt uns das nötige Vertrauen, damit wir mit einem funktionierenden Auto zum ersten Test nach Barcelona reisen können, um dort vom ersten Kilometer an voll dabei zu sein.

Für mich beginnt es mit Anspannung, die dann hoffentlich am Ende in Erleichterung übergeht. Wenn alles gut läuft, stehen diese Anspannung und die folgende Erleichterung über dem Erstaunen über die bloße Existenz dieses wundervollen Fahrzeugs, in dem die monatelange Arbeit von vielen hundert Menschen steckt. Die Aufregung und die Freude darüber baut sich während der Wintertestfahrten weiter auf und kommt erst richtig zum Vorschein, wenn das Auto genau das macht, was es machen soll – nämlich Rennen zu fahren.

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