Michael Schumacher: Die Fans sind fassungslos
Michael Schumacher
Michael Schumacher ist der grösste Sportheld Deutschlands, nur Max Schmeling und Franz Beckenbauer haben einen ähnlichen Status erreicht.
Und jetzt befindet sich dieser Ausnahmekönner, dieser geniale Grenzgänger, diese unsterbliche Sportlerpersönlichkeit in Lebensgefahr?
Nach einem Skiausflug in den französischen Alpen?
Da macht sich Fassungslosigkeit breit, Staunen, Ungläubigkeit.
Ausgerechnet Schumi, der Dutzende Unfälle überstand, der jahrelang auf Messers Schneide zwischen den Leitplanken balancierte, der in der Todeszone zuhause war, dessen Leben sich zu einem grossen Teil jenseits von 300 km/h abspielte, hat beim Skifahren ein Schädel-Hirn-Trauma und eine Hirnblutung erlitten. Er liegt im Koma.
Ich bin ein paar Nachmittage in Gesellschaft von Michael Schumacher Ski gefahren. 2007 und 2008 war das, bei der traditionellen Ferrari-Veranstaltung «Wrooom» im italienischen Skiort Madonna di Campiglio.
Casey Stoner war dabei, Randy Mamola, eine Gruppe Skilehrer. Viel mehr Menschen gab es nicht, die den nötigen Speed drauf hatten.
Aus Michael Schumacher ist in seiner Ferrari-Zeit ein ausgezeichneter Skifahrer geworden, nach sehr zögerlichen Anfängen, seine Carving-Künste waren bewundernswert, seine Waghalsigkeit, sein Fahrgefühl, seine Linienwahl, seine Zweikampfstärke und seine Kondition standen dem Können in nichts nach.
Nein, feig ist Schumi nicht, dachte ich mir damals bei jeder einzelnen Abfahrt, bei denen wir nur in dringenden Notfällen Schwünge machten, Stopps zwischen den Skiliften waren verpönt, der Speed stand im Vordergrund.
An diese Szenen erinnerte ich mich, als die Neuigkeiten vom Skiunfall durchsickerten.
Aber Schumi ist ein exzellenter Könner auf Skiern, zweifellos. Es muss etwas Unvorhergesehenes passiert sein.
Oder erleben wir ein Beispiel dafür, dass es erfolgreichen (Motor-)Sportlern manchmal schwer fällt, im täglichen Leben auf die Erforschung gewisser Limits zu verzichten? Wir wissen es nicht. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Ungereimtheiten: Wie ist es passiert?
Momentan hilft nur noch beten und Daumen drücken. Und hoffen, dass Schumi seine erstklassige, robuste körperliche Verfassung in diesen schweren Stunden zugute kommt.
Ja, Michael Schumacher wird sich bald vom Krankenbett erheben, mit ein paar Schrammen meinetwegen, so wie es 1976 Niki Lauda vorgemacht hat. Alles andere ist unvorstellbar.
Wir wissen nicht, wie es zum Skiunfall kam. Zum Teil hören wir widersprüchliche Aussagen. Es sei abseits der Pisten passiert, heisst es. Dann wieder: Bei der Kreuzung einer blauen mit einer roten Piste. Aber abseits der Pisten existieren keine Kreuzungen.
Risikofreudig, erfolgsbesessen, verbissen, konditionsstark, siegeshungrig, das sind ein paar Attribute, die wir Schumi gerne zuordnen.
Diese Fähigkeiten haben ihn schon 1991 bei seinem ersten Formel-1-GP im Jordan in Spa-Francorchamps von vielen anderen Piloten abgehoben. Sie haben ihn später zu sieben Weltmeistertiteln geführt, so ist der Kerpener der erfolgreichste Formel-1-Pilot der Geschichte geworden.
Aber sämtliche Erfolge treten jetzt in den Hintergrund. Jetzt sehen wir nur noch den Familienvater, Ehemann, Sohn und Bruder, der sich in einem kritischen Zustand befindet. Michaels Frau Corinna, seine Tochter Gina-Maria und sein Sohn Mick, benannt nach dem fünffachen Motorrad-Weltmeister Mick Doohan, bangen um das Leben ihres Ehemanns und Vaters.
Viele Zwischenfälle überlebt
Im Formel-1-Rennwagen hat Michael Schumacher einige haarsträubende Unfälle überlebt.
Adelaide 1994: Crash mit Damon Hill 1994 beim letzten Saisonrennen in Australien. Schumi schied aus, Hill fuhr weiter, musste aber später aufgeben. Schumacher erfuhr am Streckenrand, dass er Weltmeister war.
Jerez 1997: Schumi fuhr Jacques Villeneuve beim letzten Saisonrennen in Jerez in die Seite, rutsche aber selber ins Kiesbett und blieb stecken. Villeneuve fuhr weiter – und wurde Weltmeister.
Spa-Francorchamps 1998: Crash mit David Coulthard beim Belgien-GP, als er im Regen auf den McLaren auffuhr und DC nachher in der Box an den Kragen wollte.
A1-Ring 1998: Crash mit seinem Bruder Ralf Schumacher.
Silverstone 1999: Schumi kam in der Stowe-Kurve von der Strecke ab und krachte bei hohem Tempo frontal in die Reifenstapel, er erlitt mehrere Beinbrüche. Seine bisher schwerste Verletzung. Schumi musste sechs Rennen pausieren, die Chance auf den WM-Titel war dahin.
Australien 2001: Schumi überschlug sich im freien Training zweimal, als er mit ca. 200 km/h von der Strecke abkam; er blieb unverletzt.
Monza 2004: Bei Testfahrten in Monza drehte sich Schumi bei ca. 300 km/h und knallte in die Reifenstapel. Er stieg unverletzt aus.
Motorrad-Unfall 2009: Langwierige Nacken- und Rückenverletzungen nach schwerem Sturz bei Testfahrten in Cartagena/Spanien.
Singapur 2010: Schumi räumt nach seiner F1-Rückkehr bei Mercedes Nick Heidfeld von der Strecke. 2011 fuhr er Sergio Pérez mit voller Wucht ins Heck, 2012 Jean-Éric Vergne.
Trübe Gedanken
Unweigerlich fallen uns Formel-1-Fahrer wie Graham Hill, Carlos Pace und Harald Ertl ein, die mit Flugzeugen abstürzten. Und Didier Pironi, der 1987 bei einem Rennboot-Unfall nahe der Isle of Wight tödlich verunglückt ist.
Nein, Schumi, du wirst auch diesen Kampf gewinnen. Deine Familie, deine Millionen Fans, Anhänger und Bewunderer erwarten das von dir. Lass uns nicht im Stich.
Du wirst auch dieses Rennen und diese schwere Prüfung grandios bestehen. Du bist in den besten Händen. Und deine Schutzengel werden dich nicht im Stich lassen.
Schumi, du musst bald wieder auf die Beine kommen.
Aber versprich uns, dass du dann ein paar Gänge zurückschaltest, zumindest bei den Risikosportarten. Fordere das Schicksal nicht zu oft heraus. Bitte, bau’ einen Drehzahlbegrenzer ein!
Und wenn es nur Mick und Gina-Maria zuliebe ist.