MotoGP: Bagnaias erstaunliche Einsicht

Halbfertige Neuheiten: Der Kampf um Aufmerksamkeit

Von Bernhard M. Höhne
Ob auf Social Media, im TV oder auf Messen: Aufmerksamkeit ist die wichtigste Währung in der Unterhaltung. Auf der EICMA buhlen Motorradhersteller nicht nur mit fertigen Produkten um das Interesse der Medien und Kunden.

Die EICMA 2025 in Zahlen: 600.000 Schaulustige haben auf der Mailänder Motorradmesse in diesem Jahr 730 Aussteller mit 2000 Marken aus 50 Ländern zu Gesicht bekommen. Die Zahlen demonstrieren, dass die italienische Zweiradschau auf dem Mailänder Messegelände nach wie vor die Leitmesse der Branche ist und es für die überwiegende Anzahl der Unternehmen in diesem Industriezweig keinen Weg daran vorbei gibt, wenn jedes Jahr im November das Gelände Rho Fiera Milano seine Tore öffnet.

Der effektivste Weg, die Zuschauer auf den eigenen Stand und die Produkte zu lenken, sind Neuheiten. Nahezu alle Hersteller demonstrierten, was in ihren Entwicklungsstudios gerade fertig geworden ist, um in Kürze in den Verkaufsräumen der jeweiligen Marken um die Kundengunst zu buhlen. Marken mit Publikumsmagneten auf dem Stand konnten Zuschauer anlocken, die dann auch den Rest des Portfolios in Augenschein nehmen sollten – ob in natura oder auf der Firmenwebseite. Beispiel CFMOTO: Die Berichterstattung über die Chinesen wurde dominiert von der Konzeptstudie V4SR-RR, der Vorschau auf ein Superbike, das 2027 in Serie gehen soll. Das Ausstellungsstück ist ausstaffiert mit den neuesten Brembo-Bremsen und beweglichen Flügeln, deren Zweck es vor allem sein dürfte, Eindruck zu schinden. Der Heckrahmen ist noch aus Stahl und mit dem üblichen Leichtbau in dem Segment nicht vereinbar, die veröffentlichten Leistungsdaten sind noch weit weg davon, sachlich überprüft werden zu können. Die Aussage der Concept V4SR-RR ist: Das Motorrad ist längst nicht fertig entwickelt. Doch die Chinesen haben die Bühne der wichtigsten Motorradmesse der Welt genutzt, um Interesse für die Marke zu generieren.

Und Aufmerksamkeit ist auf der EICMA die wichtigste Währung für die Marken. So wichtig, dass Hersteller sogar Serienmodelle zeigen, die der normale Besucher unter normalen Umständen monatelang nicht zu Gesicht bekäme. Allen voran Ducati: Am Rand des Messestands zeigten die Bologneser die mit dem Zusatz «Preview» versehene Desmo250 MX und die Desmo450 Enduro – und besonders prominent die kommende DesertX. Preview, weil es sich offensichtlich bereits um die nächste Generation des Adventure-Bikes handelte. So war für den Besucher die abermalige Verwendung des neuen V2-Antriebs sichtbar, ebenso der damit einhergehende Verzicht auf den traditionellen Stahlrohrrahmen. Auch, dass die Marke aus Borgo Panigale nur für die DesertX V2 den hinteren Teil von Federung und Dämpfung, mitsamt Schwinge, neu entwickelt hat. Offen darüber sprechen wollte bei Ducati am Stand jedoch niemand. Mehr noch: Das Fahrzeug wurde in Tarnfolie gezeigt, um zu unterstreichen, dass es sich um einen Prototyp handelt, an dem die Entwickler noch Arbeit zu verrichten haben. Erst im Februar 2026 soll die finale Präsentation stattfinden. Bis dahin soll Vorfreude geweckt werden. Warum man das Modell dann überhaupt jetzt schon zu Gesicht bekommt? Andrea Rossi, Markenbotschafter von Ducati für die Adventuremodelle, sagte gegenüber SPEEDWEEK.com: «Darauf zu verzichten, das Motorrad auf der EICMA zu zeigen, wäre die schlechteste Option gewesen!» Der wichtigste Faktor auch hier: Aufmerksamkeit.

Die EICMA ist die Leitmesse der Branche, auf der sogar das italienische Branchenzugpferd zu Kompromissen gezwungen ist im Konkurrenzkampf um Zeit und Interesse potenzieller Kunden. Ähnlich wie die Bologneser verfuhr Royal Enfield, die zur Ankündigung der nächsten Ausbaustufe des luftgekühlten Reihentwins der Inder Prototypen der kommenden Modelle ausstellten, versehen mit dem Vermerk, dass auch diese noch weiterer Entwicklung bedürfen. Erst im Laufe des nächsten Jahres sollen Himalayan und Continental GT 750 tatsächlich fertig werden – bis zum Verkaufsstart wird es noch länger dauern.

Um die Fokussierung auf den Mailänder Branchentreffpunkt zu nutzen, präsentierten dieses Jahr sogar Marken ihre Modelle während der Messe, ohne ein Produkt zum Anfassen vor Ort zu haben. Beispiel Brabus: Die «1400 R Signaturen Edition», ein luxuriös ausstaffiertes Kleinserienmodell einer stark überarbeiteten KTM 1390 Super Duke R Evo, wurde mit Öffnung der Tore des ersten Messetages offiziell, ohne dass der Hersteller selbst vor Ort war. Die Marke aus Bottrop wollte bewusst die Berichterstattung im Rahmen der wichtigsten Motorradschau nutzen. Für die eigene Kundschaft sind die firmeneigenen «Signature Days» für die sonst vor allem als PKW-Veredler auftretende Marke von stärkerer Bedeutung.

Essenziell, um auf der weltgrößten Motorradmesse das Interesse auf die eigene Marke zu lenken, sind bedeutende Neuheiten, notfalls behilft man sich mit Konzeptstudien oder Prototypen, um das Publikum zu locken. Anders als Piaggio, dessen Auftritt sich um den Aprilia SR 400 GT drehte, einen Maxi-Scooter mit Off-Road-Flair und damit in den meisten Märkten ein Nischenprodukt. Ansonsten boten die Italiener nur wenig Neues. Auf die Frage, weshalb keine der Konzernmarken Vespa, Moto Guzzi oder Aprilia einen ähnlichen Weg wie die Konkurrenz wählte und zumindest mithilfe einer Konzeptstudie einen Ausblick auf die Zukunft liefern, erfuhr man halboffiziell: «Wir wollen unsere Kunden nicht in die Irre führen. Wir zeigen das, was es zu zeigen gibt. Conceptbikes, die letztlich so nie in Serie gehen, sind nichts für uns!» Stattdessen wählte der Zweirad-Multi bewusst den Weg, dem Kunden auf dem eigenen Stand Motorräder zu zeigen, auf die dieser nicht lange warten muss. Doch zumindest an den Fachbesuchertagen hielt sich die Aufmerksamkeit dafür in Grenzen.

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