KTM: Im Werk gingen die Lichter aus

Baumgärtel (Kalex): Vor- & Nachteile des Stahlchassis

Von Günther Wiesinger
Kalex-Geschäftsführer Alex Baumgärtel vertraut auf Aluminium, kennt aber auch die Vorteile eines Stahlchassis. Kann KTM damit in der MotoGP-Klasse ganz an die Spitze kommen?

Der deutsche Motorradhersteller Kalex engineering aus Bobingen hat seit 2013 alle Moto2-WM-Titel gewonnen und insgesamt schon 110 GP-Siege gefeiert. 2019 entschied die Firma von Alex Baumgärtel und Klaus Hirsekorn mit Weltmeister Alex Márquez, Tom Lüthi, Augusto Fernandez, Lorenzo Baldassarri und Luca Marini 14 von 19 WM-Läufen für sich.

Die beiden Kalex-Eigentümer kommen aus dem Automobilsport und haben vom ersten Tag an auf Alu-Chassis gesetzt. KTM ist 2017 mit neuen Bikes mit Gitterrohrstahlrahmen in die Moto2-WM eingestiegen. In drei Jahren hat KTM 14 Moto2-GP-Siege errungen. Trotzdem zogen sich die Österreicher als Chassis-Hersteller wieder aus der Moto2-Klasse zurück.

«Der Stahlrahmen ist bei uns Religion», betont KTM-Firmenchef Stefan Pierer. «Wir sind Weltmarktführer auf diesem Gebiet. Wir haben in der Moto3 und Moto2 gezeigt, dass dieses Konzept erfolgreich sein kann und werden es auch in der MotoGP beweisen.»

Viele Rennfahrer und selbst ernannte Experten bezweifeln, dass sich KTM in der MotoGP-Klasse mit dem Stahlrahmen und der hauseigenen WP Suspension (alle Gegner verwenden Öhlins-Federelemente) durchsetzen kann. Manche Kritiker sagen, nicht der Eigentümer dürfe die Art des Rahmenmaterials bestimmen, diese Entscheidung müsse den Ingenieuren und Technikern der Rennabteilung überlassen werden.

Fakt ist: Ducati hat mit einem Stahlrahmen 2007 die MotoGP-WM gewonnen, seither mit dem Karbon-Monocoque (das 2011 aussortiert wurde) und dem Alu-Chassis nie mehr.

KTM hat 2019 in der MotoGP-WM zehn Top-Ten-Plätze errungen. Das Stahl-Konzept wird deshalb nicht in Frage gestellt. Daran ändern auch die viereckigen seitlichen Profile am neuen Chassis nichts, die beim Valencia-Test viel beachtet wurden.

Mit Kalex-Geschäftsführer Alex Baumgärtel haben wir einen kompetenten Gesprächspartner gefragt: Kann man im MotoGP-Sport auch heutzutage mit einem Stahlrahmen zum Ziel kommen?

Alex, du hast dich beim Moto2-Einstieg 2010 für Aluminium entschieden. Aber Stahl hat als Rahmenmaterial gewisse Vorzüge. Warum hast du auf Aluminium gesetzt?

Prinzipiell ist das eine Technologie, bei der ich relativ flexibel bin. Das bist du natürlich mit Stahl auch. Aber ich glaube, dass Stahl sehr sensibel reagiert. Besonders wenn man auf Flex arbeitet, sind natürlich die Toleranzen sensibler, allein dadurch, dass der Elastizitäts-Modul oder das Dehnungsmodul knapp das Zweieinhalbfache höher ist. Dadurch ist auch deine Sensibilität für die Geometrie größer und empfindlicher.

Wenn du bei deiner Produktion mit Alu drei Zehntel Toleranz hättest und beim Stahl auch, wäre der Fehlerfaktor 2,5. Somit ist das Stahlthema etwas sensibler.

Ein Vorteil bei Stahlrahmen: Bei neuen Rennmaschinen in neuen Kategorien können Stahlrahmen viel leichter angepasst werden, wenn Flex oder Steifigkeit verändert werden müssen. Das wird dann einfach ein Stück im Rahmen getauscht.

Ja, klar, da kann man beim Stahl mit unterschiedlichen Wandstärken oder Rohrdurchmessern variieren. Dann bist du schneller dabei, wenn Anpassungen gemacht werden müssen. Das ist natürlich DER Vorteil bei dieser Art von Rahmen-Konstruktion.

Bei uns wird es beim Alu-Chassis in so einem Fall immer aufwändiger, weil wir ein komplettes Frästeil neu gestalten müssen. Damit sind natürlich Kosten verbunden.

Ich muss dann ein neues Programm schreiben, die Chassis-Teile werden nachher aus dem Vollen gefräst.

In der Serienproduktion werden die Alu-Rahmen nicht aus dem Vollen gefräst, dort werden Gussteile fabriziert. Aber das ist für den Motorsport bei weitem zu teuer. Die Formen dafür sind immens teuer. Da müsste man viel größere Stückzahlen machen. Das lohnt sich erst von 200 Stück aufwärts.

Kann KTM in der MotoGP mit dem Stahlchassis ganz an die Spitze kommen?

Ich denke – ja. Ja.

Die japanischen Hersteller verkaufen viele Serienmotorräder mit Stahlrahmen, im Rennsport vertrauen sie auf Alu. KTM setzt konsequent auf Stahl. Sinnvoll?

Na gut, die vielen Stahlrahmen sieht man bei den Japanern in der Serie in den kleinen Hubraumklassen; da geht es um die Produktionskosten. Da muss man die Rahmenherstellung günstig halten. Das ist reine Massenware.

Wenn man sich die Wettbewerbs-Motorräder anschaut, sind sie auf einem ganz anderen technologischen Level. Da spielen sie dann auch mit Aluminiumrahmen.

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