Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Andrea Dovizioso: «Die Schnellstartvorrichtung hilft»

Von Günther Wiesinger
Andrea Dovizioso lobte nach seiner starken Startphase in Texas sein 'holeshot device‘, die Schnellstartvorrichtung von Ducati. «Damit ist das Starten leichter als ohne. Ich bin sehr happy damit», strahlte Dovi.

Ducati fiel beim Malaysia-Test im Februar mit einer mechanischen Startvorrichtung an den GP19 auf, die das Federbein absenkt. Im Motocross wirken ähnliche Systeme auf die Gabel. Beim Katar-GP- wurde das «holeshot device» erstmals eingesetzt. Vor der 1. Kurve lagen dort im Rennen zwei Ducati vorne. Und in Texas stürmte der neue WM-Leader Andrea Dovizioso in der ersten Rudne vom 13. Startplatz auf Position 6. Er lobte dann erstmals sein «holeshot device».

Ducati Corse macht in der MotoGP nicht nur wegen des umstrittenen Hinterradflügels von sich reden. So wurde beim Sepang-MotoGP-Test (6. bis 8. Februar) an den GP19-Werksmaschinen wieder einmal eine technische Neuheit sichtbar, die großes Interesse hervorrief – und so manchen Journalisten auf eine falsche Fährte brachte. Es handelt sich um ein sogenanntes «launch device» oder «holeshot device», also um eine Startvorrichtung, die beim Rennstart wertvolle Dienste leisten soll.

Beim Katar-GP in Doha bogen jedenfalls die Ducati-Asse Dovizioso und Miller vor den Verfolgern in die erste Kurve ein...

Im Motocross-Sport ist diese Apparatur gemeinhin als «holeshot device» bekannt. Sie gehört dort zum guten Ton, hat aber eine unterschiedliche Auswirkung – sie nimmt beim Motocross Einfluss auf die Vordergabel. Bei Ducati wird hingegen mit einer mechanischen Hebelvorrichtung das Federbein betätigt.

Honda hat mit so einer Vorrichtung in der MotoGP-WM schon vor zwölf Jahren experimentiert. Aber damals wurde wie beim Motocross die Gabel abgesenkt. In der Superbike-WM kam das «holeshot device» bei Honda zum Einsatz, als sich HRC zuletzt um diese Rennserie kümmerte. Auch in der BSB wurde damit gefahren.

KTM-Teammanager Mike Leitner kennt die Schwachstelle des damaligen Systems. «Der Clou bei diesen Startvorrichtungen, die ich kenne: Sie machen ein Motorrad schwerfälliger. Beim Motocross stehen und starten alle auf einer Linie. Es geht nur darum, wer aus dem Startgatter besser herausschießt. Wenn die Gabel aber beim GP-Start durch einen mechanisch betätigten Hebel abgesenkt wird, wird das Manövrieren der Rennmaschine schwerfällig. Wenn du zum Beispiel in der vierten Reihe losfährst und unmittelbar nach dem Start einem langsamen Vordermann ausweichen musst, musst du eventuell mit so einer Startvorrichtung Nachteile in Kauf nehmen.»

Das dürfte Gigi Dall’Igna, der schlaue Fuchs, auch mitbekommen haben, deshalb hat er das alte Honda-System nicht nachgeahmt – und sein «launch device» statt mit der Gabel mit dem Federbein hinten verknüpft. Bei Jack Miller war das System schon 2018 mehrmals zu sehen, aber damals hat sich niemand so richtig darum gekümmert. In Sepang, in Doha, Las Termas und zuletzt in Austin  war es auch beim Werksteam an den GP19-Maschinen von Dovizioso und Petrucci in Betrieb. Miller wurde Dritter, Dovi Vierter, Petrucci Sechster.

Die Medien wurden bereits im Februar hellhörig, es wurden Spekulationen angestellt. Italienische Journalisten schrieben sogar, mit dieser Vorrichtung werde das Seamless-Getriebe angesteuert. Sie solle helfen, beim Start den Leerlauf einlegen zu können.

Unsinn: Schon im Motocross und in der Superbike-WM wurde die Startvorrichtung nie in Zusammenhang mit einem Seamless-Getriebe aktiviert, weil dort gar keine Getriebe ohne Zugunterbrechung existieren.

«Bei den Motocross-Motorrädern ist es üblich, dass man beim Start vorne für den Start die Gabel zusammendrückt, um den Schwerpunkt runterzukriegen, das geht bei den Motocross-Bikes mechanisch. Da musst du wirklich einen Haken einhaken», bestätigt Ing. Sebastian Risse, der Head of Factory Road Racing bei KTM. «Das geht bei einer MotoGP-Startprozedur nicht. Ich denke, Ducati hat sich irgendetwas ausgedacht, was das den Fahrer machen lässt. Denn laut Reglement darf nur der Fahrer mechanisch in das Fahrwerk eingreifen. Ich habe mir das System letztes Jahr von außen einmal angeschaut, als Jack Miller damit gefahren ist. Ich würde mir wie Mike Leitner auch vorstellen, dass eine MotoGP-Maschine schwerfälliger wird, wenn du die Gabel runterdrückst. Es kommt darauf an, wie das System ausgelöst wird. Irgendwo muss man es ja nach dem Start auch wieder deaktivieren.»

Es gibt allerdings tatsächlich auch Systeme, mit denen die Hersteller ihre Seamless-Getriebe zusätzlich mechanisch sichern. Risse: «Damit man nicht versehentlich im Leerlauf landen kann, sondern dass man dafür einen eigenen Hebel braucht.»

Und welchen Vorteil hat eine Absenkung des Schwerpunkts beim Start? Ing. Risse: «Grundsätzlich ist es so: Je weiter du den Schwerpunkt absenkst, desto härter kannst du beschleunigen und desto höher ist das Wheelie-Limit. Aber dafür musst du auch den richtigen Schritt tun. Da geht es nicht um drei Millimeter, sondern um einiges mehr.»

«Ja, die Ducati waren in Doha gleich am Anfang ganz vorne dabei, und es kann schon gut sein, dass das Startsystem dabei eine Rolle gespielt hat», überlegt KTM-Ingenieur Sebastian Risse. «Wir haben mit Startvorrichtungen schon 2010 am Superbike experimentiert. So gesehen brauchten wir nichts nachzubauen. Aber so ein System erhöht Gewicht und Komplexitiät und kann in einigen Situationen Probleme verursachen, was die Manövrierfähigkeit und Fahrstabilität angeht. Wenn ich spontan die größte Stärke unseres Bikes nennen müsste, wäre das wahrscheinlich der Rennstart. Normalerweise gewinnen wir mindestens eine Startreihe. Unsere MotoGP-Fahrer sind sehr happy mit dem Startverhalten der RC16. Ich denke, es ist deshalb logisch, dass wir uns auf unsere Schwächen konzentrieren und bei den Stärken eher konservativ bleiben. Die Entwicklung verfolgen wir aber natürlich aufmerksam.»

Gigi Dall’Igna, General Manager von Ducati Corse, widersprach nicht, als sich SPEEDWEEK.com bei ihm erkundigte, ob die Startvorrichtung bei der GP19 auf das Federbein statt auf die Gabel einwirke. Und der «launch button» ist nichts anderes als eine simple große Drehschraube auf der linken Seite der Gabelbrücke, die der Fahrer mit der linken Hand betätigt. Er braucht diese Schraube auch zum Deaktivieren des Systems. Die rechte Hand braucht der Fahrer ja zum Gasgeben und Bremsen. Man darf davon ausgehen, dass diese Startvorrichtung bereits beim Anfahren zur ersten Kurve zügig deaktiviert wird. Eine elektronische Deaktivierung wäre verboten.

Ein ähnliches System mit so einem mechanischen «pull rod» (Zugstange) wurde in der MotoGP-Klasse auch schon probiert, um beim heftigen Bremsen das Federbein hinten abzusenken und so ein Abheben des Hinterrads zu verhindern.

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