Im MotoGP-Sprint in Jerez krachte es ständig

Corona-Saison 2020: So sah der Alltag im Paddock aus

Von Günther Wiesinger
Stefan Bradl sprang ab dem Brünn-GP für den verletzten Marc Márquez bei Repsol Honda ein. Der Deutsche schildert, was sich im Fahrerlager aufgrund der Corona-bedingten Einschränkungen verändert hat.

Die Covid-19-Seuche hat in diesem Jahr das ganze Leben auf den Kopf gestellt. Auch im Motorrad-GP-Sport war nichts mehr, wie es war. Nur noch 1600 Personen bekamen Zutritt zum Fahrerlager, Teamgäste waren nicht erlaubt. Auch die Anzahl der TV-Reporter vor Ort wurde stark eingeschränkt. Die Print- und Online-Journalisten mussten zunächst ganz daheim bleiben, ab Misano durften sie in einem isolierten Zimmer ohne Zugang zum Fahrerlager arbeiten, Presserunden gab es bis zum Ende der Saison nur über Videokonferenzen. Und die Teams mussten nicht nur pausenlos ihre PCR-Tests absolvieren, sie mussten auch personelle Einschränkungen in Kauf nehmen.

Die Moto3- und Moto2-Teams durften für zwei Fahrer inklusive den Piloten zwölf Personen zu jedem Grand Prix bringen. Die privaten MotoGP-Teams wurden 25 Personen erlaubt, den Werksteams je 45 Teammitglieder. Die üblichen riesigen Hospitality-Gebäude mussten 2020 daheim bleiben, um Personal zu sparen. Die MotoGP-Teams behalfen sich mit ihren kleineren Catering-Services, die sie normal nach Übersee schicken. Ihre Größe reichte jetzt locker aus, da sowieso keine Teamgäste erlaubt sind. Bei Red Bull KTM mussten zum Beispiel in Spielberg nur 30 bis 35 Prozent der letztjährigen Mahlzeiten zubereitet werden.

Die Teammitglieder lebten wie in einer Blase («bubble»), sie wurden wir Gefangene gehalten, die Teams sollten sich untereinander nicht vermischen. Sie bewegten sich nur zwischen Paddock und Hotel, sie mussten Bars und Discos meiden und im Fahrerlager zu jeder Zeit einen Nasen- und Mundschutz tragen. Nur die MotoGP-Fahrer durften sich in der Box ihrer Masken entledigen, solange sie nicht in ein Gespräch mit den Technikern involviert waren.

Strenge Auflagen gab es auch für die Boxengasse-TV-Reporter: Sie mussten einen Mund- und Nasenschutz und darüber noch eine Klarsichtmaske («face shield») tragen, wenn sie mit den Fahrern sprachen.

«Wir sind zwar froh, dass wir wieder Rennen fahren können», stellte KTM-Rennchef Pit Beirer fest. «Aber im Paddock hat man gar keine Lust, sich zu anderen Teams zu bewegen, weil man durch die Masken bei einer Unterhaltung nur ein Nuscheln hört und das meiste nicht versteht.»

Wie hat sich das Fahrerlager-Dasein für die Rennfahrer verändert? SPEEDWEEK.com hat Repsol-Honda-Werkspilot Stefan Bradl um ein paar Schilderungen aus dem Corona-Alltag gebeten.
«Ich musste vor der Abreise zu jedem Grand Prix am Montag einen Covid-19-Test machen. Das passierte am Montag oder Dienstag, der Test durfte bei der Ankunft im Paddock maximal vier Tage alt sein. Also 96 Stunden. Ich liess ihn immer am Montag machen und bekam dann am Mittwoch die Ergebnisse», schilderte der Moto2-Weltmeister von 2011. «Es gibt angenehmere Sachen als diesen Test, aber wenn man das einmal kennt, ist es nimmer so tragisch. Man musste das Testergebnisse dann per E-Mail übermitteln, es wurde dann auf die ‚MotoGP Medical App‘ hochgeladen. Wenn es ‚Grün‘ leuchtete, dann hattest du die Erlaubnis zum Eintreten. Der QR-Code ist in dem Fall fast wichtiger als dein normaler permanenter Paddock-Pass, der sonst beim Reingehen gescannt wird. Am Eingang wurde noch die Temperatur gemessen. Schon am Parkplatz galt die Maskenpflicht, also am ganzen Rennstreckengelände. In der Box und überall, wo du mit anderen Personen zu tun hast, musstest du den Gesichtsschutz tragen.»

Übrigens: Für den Catalunya-Barcelona-GP wurde die Frist für den Test von 96 auf 48 Stunden verringert, weil die Ansteckungsgefahr in Spanien stark gestiegen war.

«Das Fahrerlager ist ohne Teamgäste und ohne Journalisten komplett leer», berichtete Stefan Bradl. «Du kannst dich ohne Probleme frei bewegen. Es ist niemand da, es gibt keine Autogrammjäger oder Selfie-Jäger. Es sind null Fans im Fahrerlager. Selbst beim Einbiegen ins Rennstreckenareal habe ich in Spielberg keinen Menschen gesehen. Es reisen keine Fans an.»

Auch bei der Verpflegung im Fahrerlager galten neue ungewohnte Vorschriften. Bradl: «In Spielberg war die Red Bull Hospitality aufgestellt, HRC hat auch eine, aber in einer kleineren Art und Weise wie bisher.»

Beim Essen in der Hospitality durfte man die Maske abnehmen, aber zwischen den Tischen standen hohe Plexiglasscheiben, um die Absteckungsgefahr zu reduzieren. Außerdem wurden die Teams nicht mit köstlichen Buffets mit 20 Vorspeisen und fünf verschiedenen Hauptspeisen und Süßigkeiten verwöhnt. Sondern die Menüs wurden wie sonst beim Take-away in Einweg-Geschirr in Plastik, Karton und Papier verpackt und verteilt.
«Wenn ich zwischendurch einen Kaffee trinken gehe, kann ich mir in der Hospitality entweder selber einen rauslassen oder die Maschine in der Box bedienen», erzählte Bradl aus dem Corona-Alltag.

Die Teammitglieder waren angehalten, Kontakte zu den anderen Rennställen zu vermeiden. «Ich bewegte mich deshalb in erster Linie zwischen Box und meinem Umkleideraum im Truck hin und her», schilderte der siebenfache GP-Sieger. «Da im Fahrerlager gähnende Leere herrscht, traf ich dort sowieso niemanden. Man sieht sich zwar hinter den Boxen. Früher hat es mit jedem Bekannten ein Händeschütteln gegeben, das fällt jetzt weg. Die Hygiene ist wichtig. Vor jeder Box sind Flaschen mit Desinfektionsmitteln angebracht. Und am Abend nach dem Abendessen in der Hospitality ging ich grundsätzlich zurück ins Hotel und dort gleich aufs Zimmer.»

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