Superbike-WM: Toprak zurück am Unfallort

Stoner tobt: «Weiß nicht, warum das niemand sieht!»

Von Stephan Moosbrugger
Casey Stoner in Spielberg

Casey Stoner in Spielberg

Casey Stoner lässt kein gutes Haar an der modernen MotoGP-Ära. Aufgrund der Elektronik würden die besten Fahrer der Welt die einfachsten Bikes fahren. Die neuen Regeln ab 2027 würden das Ganze verschlimmern.

Casey Stoner zählt zu den erfolgreichsten MotoGP-Piloten. Der Australier, der seine Rennfahrer-Karriere 2012 im Alter von nur 27 Jahren beendete, holte zwei Weltmeistertitel – 2007 mit Ducati und 2011 mit Honda. Stoner erzielte insgesamt 45 GP-Siege, 38 davon in der Königsklasse. Er war bekannt für seinen spektakulären Fahrstil. Mit MotoGP-Ikone Valentino Rossi lieferte er sich viele spannende Duelle.

Nach seinem Karriereende wurde es ruhig um den heute 39-Jährigen. Stoner hatte in den letzten Jahren immer wieder mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Zudem widmete er sich seiner Familie – er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Die MotoGP-WM und die technische Entwicklung hat Stoner jedoch stets mitverfolgt. Selten aber doch immer wieder mal stattete er dem GP-Paddock an Rennwochenenden einen Besuch ab. Das letzte Mal war er in diesem Jahr beim Österreich-GP auf dem Red Bull Ring zu Gast. Er nahm dort an der Legenden-Parade am Sonntag vor dem MotoGP-Rennen teil. Daneben absolvierte er Medientermine, an denen sich zahlreiche Journalisten auf den zweifachen MotoGP-Weltmeister stürzten – etwas, dass der öffentlichkeitsscheue Stoner wohl nicht vermisst hat.

Die Medientermine seien aber nicht der Grund, weshalb man ihn nicht sehr oft bei MotoGP-Rennwochenenden antrifft. «Es hängt mehr damit zusammen, was momentan mit den Motorrädern passiert. Was die Fahrer heutzutage für ein Pensum zu absolvieren haben, wäre zu viel für mich», ging der Australier direkt auf die technologische Entwicklung und den Einfluss der Elektronik in der modernen MotoGP-Ära ein. In Spielberg kam zudem erstmals das neue System zur Stabilitätskontrolle – im Zuge eines Softwareupdates bei der Einheitselektronik – zum Einsatz. «Vor allem an diesem Wochenende haben sie wieder ein anderes Level in Sachen Elektronik gebracht. Ich spreche mit den Fahrern – sie haben 300 PS, können am Gasgriff drehen und nichts passiert. Die besten Fahrer der Welt fahren die einfachsten Bikes – so etwas interessiert mich nicht. Du hast keine Kontrolle mehr darüber, wie viel du driften kannst. Auch als ich damals getestet habe, bevor ich mit allem aufgehört habe, durfte ich am Kurveneingang nicht mehr die Kupplung einsetzen, weil dies das System durcheinanderbrachte. Es gibt kein Element mehr, wo die Fähigkeiten ausschlaggebend sind. Du musst nur hart bremsen, in die Kurve hineinfahren, am Gashahn ziehen und einen Knopf drücken, der das Ding hinunterfahren lässt. Es passiert einfach zu viel. Wir haben die Reifentemperatur- und Stabilitätsprobleme sowie die schlimmsten Unfälle, die wir jemals in der MotoGP gesehen haben, obwohl diese Motorräder eigentlich sicherer sein sollten. Ich sehe nicht, dass sie sicherer sind. Wenn man die Kontrolle über das Heck wegnimmt, dann verliert man jegliche Angst vor dem Motorrad. Das Ergebnis ist, dass man dann immer härter über das Vorderrad pusht. Wir haben katastrophale Unfälle gesehen, wenn du über das Vorderrad stürzt. Umso sicherer du das Heck machst, desto schlimmer wird es an der Front.»

Stoner sieht auch die hohen Geschwindigkeiten kritisch: «Mit immer höherem Top-Speed am Ende der Gerade wird der Spielraum für Fehler in den Bremszonen immer kleiner – dann befinden sich in diesem Bereich alle am Limit. Das ist auch der Grund, weshalb so viele Bikes in den Streckenbegrenzungen einschlagen. Es muss einen Punkt geben, an dem wir aufhören, dieses ganze Zeugs hinzuzufügen, um leichter aus der Kurve herauszukommen. Denn das Bike daran zu hindern, einen Wheelie zu machen, ist keine Sicherheitsmaßnahme. Bis zu 20 Prozent (beim Gas, Anm.) sollte man keine Elektronik zur Verfügung haben, alles, was darüber ist, kann die Elektronik zur Sicherheit beitragen. Es darf aber nicht so sein, dass du dich komplett darauf verlassen kannst. Momentan machen wir die Ingenieure zu Champions und nicht die Fahrer. Wir machen dieselben Fehler, wie sie die Formel 1 damals machte.»

2027 treten die neuen MotoGP-Regeln in Kraft. Die einschneidendste Änderung ist die Hubraumreduzierung von 1000 auf 850 ccm. Weitere gravierende Änderungen sind unter anderem der Wegfall von Fahrwerkshöhenverstellungen (Devices) jeglicher Art und eine reduzierte Aerodynamik. Dazu kommt der Wechsel zu den Pirelli-Reifen. Sind dies Maßnahmen, die für Stoner einen Schritt in die richtige Richtung darstellen? «Nicht einmal annähernd. Du machst ein Bike leichter, weshalb die Bremszone kürzer wird. Ohne dem Ride-Height-Device hat man einen geringeren Top-Speed. Das in Verbindung mit dem geringeren Gewicht und den kürzeren Bremswegen bedeutet, dass man weniger Überholmöglichkeiten hat. Die Bikes werden immer noch Winglets haben, womit sie möglicherweise auch höhere Kurvengeschwindigkeiten haben werden. Das wiederum verursacht Luftverwirbelungen – Reifentemperatur- und Stabilitätsprobleme bleiben. Ich weiß nicht, warum niemand sieht, dass dies der falsche Weg ist.»

«Mit diesen Bikes hat man weniger Racing als in der Vergangenheit. Man sieht keine Unterschiede mehr. Yamaha hatte immer einen sanften Motor, der gut für das Reifenmanagement, den Grip und hohe Kurvengeschwindigkeiten war. Ducati war schnell, aber bei den anderen Punkten nicht so gut. Honda war irgendwo in der Mitte, die Suzuki war stark auf der Bremse», zählte Stoner auf. «Man hatte all diese Unterschiede und auf verschiedenen Strecken fand man unterschiedliche Bedingungen vor. Momentan haben wir einen Krieg zwischen den Klonen und jeder muss in diese Blase hineinpassen.»

Stoner will, dass der Fahrer in der MotoGP wieder den Unterschied ausmachen kann. «Wir hatten keine Notwendigkeit, die Rennen spannender zu machen, aber wir haben nun diese Probleme geschaffen. Ich möchte sehen, wie Reifen zusammengequetscht werden und jemand aus der Kurve heraus einen Wheelie kontrolliert. Momentan musst du nur einen Knopf drücken und nicht auf die Front des Bikes klettern, um das Vorderrad auf dem Boden zu halten. Alles wird für einen erledigt. Diese Fahrer sind unglaublich talentiert – das müssen wir zeigen!»

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