Zukünftiger Tech3-Boss Coleman: «Nicht im Weg stehen»
Es war die große Nachricht des Catalunya-GP in Barcelona: Günther Steiner kauft Tech3 Racing. Während einer prominent besetzten Pressekonferenz hatte Steiner die Übernahme des Traditions-Rennstalls aus Frankreich bestätigt. Zum 1. Januar 2026 übergibt Mitgründer und Inhaber Hervé Poncharal sein Lebenswerk an die Struktur des umtriebigen Rennsport-Enthusiasten Günther Steiner.
Neben dem aktuellen und zukünftigen Tech3-Inhaber und dem Dorna-Spitzenmanagement, vertreten durch Carmelo und Carlos Ezpeleta ebenfalls anwesend: der in der Motorradwelt bislang noch weitgehend unbekannte Richard Coleman. Der Engländer wurde als zukünftiger Tech3-Teamchef vorgestellt. Damit wurde bereits eine wesentliche Änderung zur gegenwärtigen Tech3-Aufstellung bekannt.
Während Hervé Poncharal die Rolle des Inhabers und des Teamchefs in Personalunion wahrnimmt, werden die Verantwortungen in Zukunft getrennt. Im ersten Vieraugengespräch mit SPEEDWEEK.com erklärte Richard Coleman die neue Aufstellung: «Günther Steiner wird auch zukünftig mehrere Projekte vorantreiben und sich nicht alleinig um die MotoGP kümmern. Die Rolle des Teamchefs erfordert hingegen ein 100-Prozent-Bekenntnis. Ich werde die Rolle übernehmen, wie Hervé bei jedem Grand Prix, bei jedem Test und bei jeder Veranstaltung vor Ort sein, und das gesamte Tagesgeschäft verantworten.»
Wie bereits bei der Auftaktpressekonferenz in Barcelona angesprochen, soll sich innerhalb des Teams erst einmal gar nichts ändern. Teammanager bleibt Nicolas Goyon und auch der Standort der in der MotoGP und der Moto3 aktiven Mannschaft in Südfrankreich ist gesetzt.
Mit dem Rennsport selbst kam Coleman bereits früh in Berührung: «Meine Ausbildung habe ich mit 16 Jahren in der Technik bei Mitsubishi begonnen – und zwar in der Abteilung, welche die Einsätze des Werksteams in der Rallye-WM durchgezogen hat. Seit dem bin ich mit dem Rennsport auf der ganzen Welt auf Reisen. Rückblickend war es die perfekte Schule. Der Rallye-Sport ist in jeder Hinsicht großartig und wenn man etwas lernen will, dann muss man zuerst die Rallye selbst – und dann erst die Gegner schlagen. Es war eine extrem erfolgreiche Struktur, die es auf vier WM-Titel gebracht hat.», so Coleman.
Die Verbindung zu Formel-1-Unikum Günther Steiner entstand erst deutlich später, zu einem Zeitpunkt als sich die Karriere des Engländers bereits in eine andere Richtung entwickelt hatte. Richard Coleman: «Ich habe später in England mehrere Auto-Rennteams in verschiedenen Fahrerlagern betrieben. Da ist mir schnell klar geworden, ein wesentlich limitierender Faktor im Rennsport ist das Budget. Also musste ich mich auf die Suche nach Partnern und Sponsoren machen. Das hat sich als Talent von mir herausgestellt und später habe ich 2014 eine Agentur gegründet, die sich mit Sportsponsoring – und im Herzen mit dem Rennsport und der Formel 1 beschäftigt.»
Im Gespräch stellte der zukünftige Teamchef klar: «Ich möchte natürlich schon jetzt möglichst viel lernen und verstehen – aus dem heutigen Geschäft von Hervé werde ich mich aber komplett heraushalten. Ich werde nicht im Weg rumstehen und versuchen, das ganze System in mich aufzunehmen. Und was offensichtlich ist: Tech3 ist eine erstklassige Mannschaft, mit der größten Tradition im ganzen Fahrerlager. Ohne Frage sind sie als Rennteam betrachtet eine brillant funktionierende Einheit, die in der MotoGP auf Podestplätzen unterwegs ist. Es wäre also nicht zielführend hier einzugreifen.»
Handlungsbedarf sieht der Brite eher im Hinblick auf die langfristige Ausrichtung der gesamten MotoGP: «Tech3 macht genau das, was von einem MotoGP-Team erwartet wird. Sie kümmern sich um den Sport und das auf hohem Niveau. Doch in Zukunft, und das ist auch der Liberty Ansatz, um die MotoGP global nochmals deutlich aufzuwerten, wird der Sport viel breiter aufgestellt sein. Und dafür werden nach und nach andere Disziplinen gefragt sein, die neue Fähigkeiten erfordern – speziell im kaufmännischen Bereich.»
Der Familienvater weiter: «Es wird darum gehen, auf der einen Seite die Aufgaben eines Rennteams im Auge zu halten – mit dem Blick auf Siege – und zugleich die MotoGP auch als Geschäft auszubauen. Und dort werden wir ansetzen. Das wird zum Teil eine völlig neue Denkweise erfordern – aber es wird auch nur dann funktionieren, wenn eine starke Basis in Form eines Spitzenteams vorhanden ist. Und diese Voraussetzung erfüllt Tech3 bestens, da sind sich Günther und ich einig.»