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Aprilia Racing: Der Weg zurück in die MotoGP-WM

Von Günther Wiesinger
Das Aprilia-Werksteam fährt auch 2016 mit Stefan Bradl und Alvaró Bautista

Das Aprilia-Werksteam fährt auch 2016 mit Stefan Bradl und Alvaró Bautista

Stefan Bradl wird auch 2016 für Aprilia Racing um WM-Punkte fighten. Das italienische Werk war in der Königsklasse schon mit einem Twin und einem Dreizylinder-Bike dabei.

Piaggio-Group-Eigentümer Roberto Colaninno hat bei der Mailänder Motorradmesse EICMA im Herbst 2013 angekündigt, dass seine Marke Aprilia 2016 werkseitig in die MotoGP-WM zurückkehren wird.

Damals sah es so aus, als würde Rennchef und Konstrukteur Gigi Dall’Igna bei Aprilia blieben und die Entwicklung der V4-1000-ccm-Maschine weiterbetreiben. Dieses Motorrad hat 2012 und 2013 mit Aleix Espargaró jeweils die Claiming-Rule-Wertung in der MotoGP-WM gewonnen. Und in der Superbike-WM triumphierte Aprilia 2010 und 2012 mit Max Biaggi und 2014 mit Sylvain Guintoli.

Nach dieser MotoGP-Comeback-Ankündigung überlegte Power-Electronics-Teambesitzer Jorge «Aspar» Martinez, ob er auch für 2014 weiter auf ART-Aprilia-Maschinen setzen sollte, um weiter die MotoGP-Speerspitze für Aprilia zu bilden und dann 2016 das Werksteam zu betreiben.

Als Dall’Igna im Oktober seinen Wechsel zu Ducati verkündete, stieg Martinez auf den neuen RCV1000R-Production-Racer von Honda um. «Aspar» vermutete, Gigis Weggang würde bei Aprilia Racing zu einem technologischen Stillstand führen.

Doch der neue Aprilia-Renndirektor Romano Albesiano hielt die Rennabteilung geschickt auf Kurs. Die radikalen Neuerungen (Seamless-Getriebe, pneumatischer Ventiltrieb, neue Aerodynamik, neues Chassis), die bei Aprilia schon 2014 den Weg in die aktuellen MotoGP-Maschinen finden sollten, verzögerten sich aber.

Die Ursache: Die Aprilia-Kundenteams Octo Iodaracing (Petrucci) und PBM-Motorsport (Laverty, Parkes) waren für 2014 finanziell zu schwach aufgestellt und konnten die Entwicklung nicht mitfinanzieren. Iodaracing musste vor dem Saisonstart sogar den Superbike-Piloten Leon Camier als zweiten Fahrer entlassen.
Und bei diesem Fahreraufgebot machte es für Aprilia keinen Sinn, die technischen Innovationen selbst zu finanzieren.

Im Sommer 2013 hoffte Aspar-Sportdirektor Gino Borsoi: «Vielleicht bekommen wir die neue Verkleidung noch in dieser Saison. Sogar das neue Seamless-Getriebe könnte bald zum Einsatz kommen. Es wurde bereits an einem Standard-Motorrad getestet und hat tadellos funktioniert. Aber wir werden diese Neuerungen erst in den Rennen einsetzen, wenn sie völlig ausgereift sind. Wir wollen keinen Ausfall riskieren.»

Das Renndebüt des Motors mit Pneumatik sollte 2014 stattfinden. Daraus wurde nichts. Denn bei Aprilia war vor der Saison 2014 klar: Mit den aktuellen Partnern (und Fahrern) wird das Werks aus Noale in der MotoGP-WM keine dicken Stricke zerreissen.

MotoGP-Comeback vorgezogen auf 2015

Deshalb entschied Piaggio-Präsident Colaninno im Juni 2014, schon 2015 als offizielles Aprilia-Werksteam in die Königsklasse zurückzukehren.

«Wir werden zwar 2015 weit hinten rumfahren, aber immerhin werden wir in der Königsklasse zurück sein», lautete die Ansicht von Colaninno.

Es wurde überlegt, für Aprilia Racing bei der IRTA und Dorna eigene Startplätze anzumelden (wie Suzuki) oder sich die Plätze eines existierenden Teams (Iodaracing, PBM) zu kaufen und zu übernehmen.

Beim Silverstone-GP Ende August 2014 sickerte durch: Aprilia Racing verbündet sich für vier Jahre mit dem Gresini-Team und übernimmt 2015 dessen Startplätze, einen Teil der Technik-Crew, die Hospitality und Transportfahrzeige.

Aprilia gilt 2015 als Neueinsteiger. Das heisst: Die Italiener könnten auch als Factory Team zwölf statt fünf Motoren und 24 statt 20 Liter verwenden, die Motorenentwicklung ist nicht eingefroren, sie haben keine Testverbote und den um eine Stufe weicheren Hinterreifen.

Das Aprilia Racing Team Gresini kann also 2015 mit Vollgas entwickeln und sich in diesem Übergangsjahr mit dem «Laboratory Bike» für die Saison 2016 (Einheits-Elektronik für alle, erstmals Michelin-Einheitsreifen, 22 Liter für alle) vorbereiten. Und als «concession team» (Neueinsteiger) darf das Aprilia Racing Team Gresini nächstes Jahr (wie Suzuki) neun statt sieben Motoren verwenden, das unterliegt nicht den üblichen Testbeschränkungen, die Motorenentwicklung wird ab dem Katar-GP nicht eingefroren.

Aprilia: Mit Zwei- und Dreizylindern dabei gewesen

Aprilia hat bereits 2002, 2003 und 2004 mit einem offiziellen Werksteam an der MotoGP-WM teilgenommen, es wurde ein 990-cm-Dreizylinder-Reihenmotor gebaut – und zwar bei der Formel-1-Motorenschmiede Cosworth. In der Marken-WM wurden damals mit der «Aprilia Cube» die WM-Ränge 5, 4 und 6 erzielt.

2002 sass Régis Laconi (er wurde WM-19.) im Sattel. 2003 traten Colin Edwards und Noriyuki Haga an und schafften die WM-Ränge 13 und 14. In der Saison 2004 hielten Jeremy McWilliams und Shane Byrne die Aprilia-Flagge hoch. Dann folgte der Ausstieg, denn Aprilia schlitterte fast in die Pleite – und wurde von der Piaggio Group (Piaggio, Gilera, Aprilia, Derbi, Laverda, Moto Guzzi) übernommen.

Aprilia hat in den letzten fünf Jahren dreimal die Superbike-WM gewonnen. Der dort eingesetzte und von Dall’Igna gebaute RSV4-Motor bildet die Basis für das heutige 1000-ccm-MotoGP-Triebwerk.

Auch in der 500-ccm-Weltmeisterschaft war Aprilia aktiv – mit einer 410-ccm-Zweizylinder-Maschine. Loris Reggiani landete damit 1994 und 1995 auf den WM-Rängen 24 und 10. Doriano Romboni steuerte das Motorrad 1996 auf den 19. WM-Rang. Der Hubraum wurde im Laufe der Jahre auf 430, 480 und schliesslich 500 ccm (1998) erhöht.

Honda kopierte dann diese Twin-Idee von Konstrukteur Jan Witteeveen und eroberte damit sogar Podestplätze und eine Pole-Positon durch Tady Okada. 1999 eroberte Tetsuya Harada mit diesem Zweizylinder-Gerät (es hatte jetzt volle 500 ccm) noch einmal den zehnten WM-Gesamtrang.

2016 will Aprilia Racing (in den letzten 25 Jahren wurden 54 WM-Titel gewonnen) wieder zurück in die Top-Ten der Königsklasse.

Der ambitionierte Rennstall entwickelt jetzt einen neuen, kompakten MotoGP-Motor mit einer gegenläufigen Kurbelwelle, die Pneumatik ist seit dem Jahresbeginn im Einsatz, das Seamless-Getriebe seit Mugello. Alvaró Bautista hat 2015 in Barcelona und Silverstone bereits zwei Top-Ten-Plätze erkämpft. Das Iodaracing-Team von Giampiero Sacchi träumte 2014 noch davon, eines Tages das Aprilia-Werksteam betreiben zu können. Jetzt hofft Sacchi, für 2016 wenigstens wieder Kunden-Motorräder (für Alex De Angelis) finanzieren zu können.

Roberto Colaninno und Aprilia Racing haben für 2016 klare Ziele: Sie wollen beweisen, dass die Zeit in Noale auch ohne Gigi Dall’Igna (seit Oktober 2013 General Manager bei Ducati Corse) nicht stillsteht.

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