Realistische Ziele setzen
Dominique Aegerter: Keine Streiche mehr
Klar war der sechste Rang in Le Mans mein bisher bestes Resultat. Aber gross gefeiert haben wir ihn nicht. Viele Leute haben mir zwar gratuliert, aber sonst verlief die Woche danach wie üblich. Ich will auch nicht lange darüber philosophieren, ob ich wegen dem Sturz das Podest verpasst habe oder nicht. Niemand kann im nachhinein sagen, ob es tatsächlich gereicht hätte. Zudem könnte sich ein ganzer Haufen anderer Piloten ausrechnen, wo sie ohne ihre Stürze gelandet wären. Es war doch für alle dasselbe.
Mein Sturz passierte in dem Moment, als Stefan Bradl und Jonas Folger vor mir schneller wurden und Bradley Smith, der direkt hinter ihnen lag, ihnen nicht folgen konnte. Er war auf der Geraden schneller als ich, die verlorenen Meter wollte ich beim Anbremsen wieder wettmachen und ihn dann attackieren. Ich wollte die beiden Deutschen nicht kampflos ziehen lassen. Aber ich habe überbremst, das Vorderrad rutschte weg. Glücklicherweise konnte ich weiterfahren. Ein sechster Rang mit einem Sturz ist auch nicht schlecht.
Nach dem Rennen sind mein Vater Fere und ich zurück nach Hause in die Schweiz gefahren. Am Montag habe ich bis Mittag ausgeschlafen, das habe ich mir gegönnt. Den Nachmittag habe ich viel rumtelefoniert, um allen Leuten zu danken, die mir geholfen und gratuliert haben. Auch sonst stand einiger Bürokram an.
Während der Woche arbeitete ich wie immer bei uns zuhause in Rohrbach im Betrieb meines Vaters, der ein Auto- und Motorradgeschäft führt. Ich habe keine fixen Arbeitszeiten, sondern helfe, wenn Bedarf ist. Ich kann mir immer genügend Zeit für das Training nehmen, laufe viel, fahre Velo und regelmässig Motocross.
Mittlerweile kennen mich so ziemlich alle Leute bei uns im Dorf. Wenn ich aufs Postamt oder einkaufen gehe, passiert es mir in letzter Zeit immer öfter, dass man mich anspricht oder mir gratuliert. Das ist einerseits erfreulich, andererseits ist damit die Zeit, wo ich mit ein paar Kollegen Streiche und andere schräge Sachen anstellen konnte, endgültig vorbei. Dafür bin jetzt wohl zu bekannt. Na ja, damit kann ich leben.
Für Mugello habe ich mir erneut einen Top-Ten-Platz zum Ziel gesetzt. Ich will mir nicht unnötig Druck machen, eine einstellige Platzierung ist aber angesichts unserer bisherigen Leistungen ein realistisches Ziel. Wegen unseres Geschäfts in Rohrbach können mein Vater und meine Mutter nicht gemeinsam an jedes Rennen mitkommen. Papa war in Le Mans dabei, meine Mutter wird gemeinsam mit ihrer Schwester mit mir in unserem Wohnmobil nach Mugello fahren.
In Italien habe ich vor zwei Jahren den ersten WM-Punkt meiner Karriere geholt. Hoffen wir, dass es dieses Jahr ein paar mehr werden!