Topraks Erbe: Danilo Petrucci hat schlaflose Nächte
Danilo Petrucci ist in der Geschichte des Motorradrennsports eine Ausnahmeerscheinung: Der bald 35-jährige Italiener hat als Einziger Rennen in der MotoGP- und Superbike-WM und dazu eine Etappe bei der Rallye Dakar gewonnen. Im Superstock-1000-Cup und der US-Superbike-Meisterschaft MotoAmerica siegte er ebenfalls.
Er leidet auch nicht an mangelndem Selbstbewusstsein, ist sich der Schwierigkeit seiner nächstjährigen Aufgabe aber bewusst. Petrucci wurde von BMW als Nachfolger von Toprak Razgatlioglu einkauft, der 2026 in die MotoGP und zu Yamaha wechselt.
Der Türke wurde mit BMW im Vorjahr Champion, es war der erste Titelgewinn des deutschen Herstellers in einer Motorrad-Solo-Weltmeisterschaft in der damals 101-jährigen Firmengeschichte. In dieser Saison ist Toprak auf dem besten Weg zu seinem nächsten großen Wurf: Er ist seit zehn Läufen ungeschlagen und liegt vor den Rennen in Magny-Cours am Sonntag 31 Punkte gegenüber seinem nächsten Verfolger Nicolo Bulega (Ducati) voraus.
Mit 73 Siegen und 163 Podestplätzen ist Razgatlioglu der zweiterfolgreichste Fahrer in der Geschichte der Superbike-WM, nur Jonathan Rea (119/264) holte mehr. Solche Leistungen sind beeindruckend – und einschüchternd.
«Einerseits denke ich mir, dass dieses Motorrad sehr gut sein muss», erörterte Petrucci im Gespräch mit SPEEDWEEK.com die herausragenden Leistungen von Toprak auf der BMW M1000RR. «Andererseits denke ich mir, dass wenn Toprak mit 9 sec Vorsprung gewinnt, ich möglicherweise das Gleiche leisten muss. Ich bin auch glücklich, wenn ich mit 1 sec Vorsprung gewinne – aber gewinnen muss ich trotzdem. Mir ist noch nicht ganz klar, wie phänomenal Toprak ist. Ganz sicher gehört er zu den größten Fahrern, die ich getroffen habe. Aber wie gut ist er wirklich?»
«Jedes Mal, wenn ich Toprak zuschaue, denke ich an den Tag, an dem ich mein Bein zum ersten Mal über dieses Motorrad schwingen werde», grinste der Evergreen. «Ich bin sooo neugierig und glücklich über diese Chance – ich muss aber mehr oder weniger das Gleiche leisten wie Toprak. Oder zumindest um Rennsiege kämpfen. Das verursacht mir schlaflose Nächte. Das Ziel ist, dass wir um den Titel kämpfen. Das ist das Weltmeisterteam und sie führen die Meisterschaft auch dieses Jahr an – sie erwarten sicher, dass sie auch nächstes Jahr um den Titel kämpfen. Darüber gesprochen haben wir nicht. Aber ihr Ziel – und auch meines – muss sein, um den Titel zu kämpfen. Mit Toprak darauf ist dieses Motorrad unglaublich schnell. Aber das ist die einzige BMW, die so gut ist. Van der Mark war am Samstag auch gut, er lag vor mir. Aber er lag direkt vor mir – und nicht weit voraus wie Toprak. Wenn man sich anschaut, was Toprak in seiner Karriere geleistet hat, dann ist das unglaublich. Er ist ein großartiges Talent. Gleichzeitig bin ich aber auch von mir überzeugt und möchte mit der BMW gewinnen.»
Wo sieht Petrucci Toprak im Vergleich mit Fabio Quartararo, Yamahas bestem MotoGP-Fahrer? «In gewissen Bereichen ist er sehr talentiert – wie Quartararo, Marquez, Rossi oder Acosta», hielt der WM-Dritte fest. «Ich kenne das Potenzial der Yamaha nicht. Aber ein Fahrer wie Toprak kann auch MotoGP-Rennen gewinnen. Ob das mit der Yamaha möglich sein wird, weiß ich nicht. Aber wenn wir nur über sein Talent sprechen, dann kann er das. Ich habe zwei MotoGP-Rennen gewonnen, dann ist auch er in der Lage dazu.»