Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Portugal: Der VW-Sieg hing am seidenen Faden

Von Christian Schön
Der Sieg von Sébastien Ogier war keine Selbstverständlichkeit

Der Sieg von Sébastien Ogier war keine Selbstverständlichkeit

Volkswagen musste für den Erfolg bei der Rallye Portugal härter arbeiten, als es von außen aussah. Aber die Defekthexe konnte den Sieg von Sébastien Ogier nicht verhindern.

Willi Rampf, Technischer Direktor bei Volkswagen Motorsport und früher in gleicher Funktion mit BMW in der Formel 1, wollte am Sonntagmorgen eigentlich nebenbei den Großen Preis von China im Fernsehen anschauen. Doch als in Shanghai die rote Ampel erlosch, war in der VW-Kommandozentrale im Servicepark der Rallye Portugal gerade die Hölle los. Sowohl Sébastien Ogier als auch Jari-Matti Latvala hatten von der Verbindungsetappe zwischen Wertungsprüfung 12 und 13 technische Probleme gemeldet. Über Telefon liefen hektische Diskussionen mit den jeweiligen Renningenieuren.

Ogier war zuvor auf WP 12 für rund zehn Kilometer der Vorderradantrieb abhanden gekommen. Der Defekt war zwar von selbst wieder verschwunden. Doch wenn man gerade eine Rallye anführt, ist ein solches Phänomen natürlich alles andere als beruhigend. Vor allem dann, wenn als nächstes die mit 52 Kilometern längste Wertungsprüfung des ganzen Jahres ansteht. «Ich dachte, die Kupplung schleift», berichtete der Franzose. «Ich war mir nicht sicher, ob wir es bis zum Service schaffen.»

Tatsächlich schliff eine Kupplung. Aber nicht diejenige zwischen Getriebe und Antriebsstrang, sondern die, die beim Ziehen der Handbremse das Hinterachsdifferenzial von der Kardanwelle trennt. Ohne diese Kupplung würden beim Ziehen der Handbremse alle vier Räder blockieren. Bei einem World Rally Car gehört das Ziehen der Handbremse auch zum Startvorgang. Im Polo R WRC von Ogier hatte nach dem Start von WP 12 die Kupplung nicht wieder geschlossen – eine Zeit lang fuhr der spätere Sieger nur mit Frontantrieb. Zeitverlust gegenüber Verfolger Mikko Hirvonen (Citroën): knapp 40 Sekunden.

In WP 13 lief Ogiers Einsatzfahrzeug wieder einwandfrei, er holte sich über elf der zuvor verlorenen Sekunden wieder zurück. Am Service erhielt er ein neues Hinterachsdifferenzial und fuhr ohne weitere Unterbrechungen zum dritten Sieg in Folge.

Latvala: Antriebswelle kostete Rang 2

Ebenfalls seit der WP 12 war Teamkollege Latvala nur mit Hinterradantrieb unterwegs. Bei dem Finnen war die Antriebswelle vorne rechts gebrochen. «Erst hat das Auto beim Beschleunigen stark auf eine Seite gezogen, dann ist in einer Kurve der Vorderradantrieb komplett ausgefallen. Wir haben uns beinahe gedreht», erzählte er. Gebrochene Antriebswellen reparieren sich im Gegensatz zu schleifenden Kupplungen aber garantiert nicht von selbst. Der Finne verlor hier und in der anschließenden WP 13 rund drei Minuten und damit den zweiten Rang an Hirvonen.

«Ich fahre ganz gerne Rallye mit historischen Ford Escort», scherzte Latvala später, als die Mechaniker den kompletten vorderen Antriebsstrang gewechselt hatten. «Ich bin Autos mit Heckantrieb also gewohnt. Wenn es hier eine Extra-Wertung dafür gäbe, würde ich mit Sicherheit führen.» VW-Motorsportdirektor Jost Capito flüchtete sich in schwarzen Humor. «Immerhin wissen wir jetzt, dass der Polo R WRC als Hecktriebler genauso schnell ist wie als Fronttriebler», war sein Fazit aus den bangen Minuten am Zeitenmonitor.

Die harten Wertungsprüfungen in Portugal erwiesen sich als echte Belastungsprobe für die vergleichsweise neuen Werksautos aus Wolfsburg. «Wir hatten unheimlich viele kleinere Probleme», verriet Ogier. «Mein Dank gilt meinen Mechanikern, die mir immer wieder ein topfittes Auto hingestellt haben.» Und Capito lobte: «Hier haben nicht nur unsere Fahrer und unser Auto bewiesen, dass sie Weltklasse sind, sondern auch die gesamte Mannschaft im Hintergrund.»

Jari-Matti Latvala hatte dann doch noch einmal Glück. Ungefähr 500 Meter vor der letzten Einfahrt in den Servicepark brach die Befestigungsschraube einer Spurstange. «Plötzlich zeigten die Vorderräder in unterschiedliche Richtungen», erzählte der Finne. Zum Glück passierte der Defekt bei geringer Geschwindigkeit. Latvala hatte sich schon darauf eingestellt, den Rest des Weges im Rückwärtsgang  zurückzulegen, da hatte Beifahrer Miikka Anttiila die zündende Idee: Er fand im Bordwerkzeug einen Inbusschlüssel, der genau in die für die gebrochene Schraube vorgesehene Führung passte und die Spurstange zumindest bei Schritttempo in der richtigen Position hielt.

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