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Der Meister und sein Protegé

Kolumne von Justin Hynes
Wird der Schüler Nachfolger seines Lehrers? Sebastièn Ogier

Wird der Schüler Nachfolger seines Lehrers? Sebastièn Ogier

Wer soll Sebastièn Loeb denn irgendwann einmal schlagen, wenn nicht sein eigener Schüler?

Samstag, am Nachmittag. Es ist dunkel und wird von Minute zu Minute dunkler. Schwere, tiefschwarze Gewitterwolken sind am Horizont aufgezogen. Besser gesagt, sie haben den Horizont bereits hinter sich gelassen und sich genau über dem Service Park eingerichtet. Es fängt an zu regnen. Dicke, schwere Tropfen, von denen jeder einzelne mit einem hörbaren Platscher aufschlägt, werden zu einem immer lauteren Crescendo. Es tobt ein Sturm über unseren Köpfen.

Sie dachten wahrscheinlich, mein Geschwätz bezieht sich auf das grottenscheußliche Wetter, das zur Zeit wie ein bösartiger Dämon über dem Westen Irlands hängt. Stimmt doch, oder? Falsch gelegen. Es ist bloß eine bemühte, überfrachtete Metapher für das, was Sébastien Loeb mit der Rallye Irland und darüber hinaus mit der WM insgesamt anstellt.

Nachdem der Red Bull Citröen-Fahrer heute in der Ferne verschwunden ist, seiner angeblichen Konkurrenz um Lichtjahre voraus, war es interessant, bei den anderen Teams eine kleine Umfrage zu machen – über die Wirkung, die Loeb weltweit auf den Rallyesport hat. Nennen wir es, um beim gestrigen Thema zu bleiben, den Schumacher-Effekt. Wenn immer der Gleiche gewinnt, geht das Interesse verloren. Die Zuschauer wollen Wettbewerb sehen.

Ein Sprecher für Stobart Rally gab zu, dass sie Loeb in ihre Berechnungen gar nicht mit einbeziehen. Sie kämpfen lediglich gegen das Citröen-Juniorteam. Mit Loeb und mit dem Budget, das Citröen sich leistet, können sie sowieso nicht mithalten.
Malcolm Wilson von Ford versuchte ein tapferes Gesicht aufzusetzen und gab zur Antwort, dass es für ihn ein Privileg sei, beim Rallyesport dabei zu sein und ein so großartiges Talent bei der Arbeit zu sehen. Er brauchte eine Weile, um das auf den Punkt zu bringen, und es schien ihn ein wenig zu schmerzen. Seine endgültige, wohlüberlegte Antwort lautete, dass es an ihm liegt, seinen beiden jungen Fahrern ein Auto zu geben, mit dem sie Loeb schlagen können. Das Problem also quasi auf technischem Weg zu lösen. Ein deutlicheres Eingeständnis, dass es niemanden gibt, der Loeb allein mit fahrerischen Mitteln schlagen kann, wird man offiziell nicht zu hören bekommen.

Diese Erkenntnis wird, wenn auch mit Widerwillen, allgemein hingenommen. Seb fährt in einer Klasse für sich. Man muss entweder warten, bis er in Rente geht, oder man versucht ein Auto zu bauen, das seinem Citröen weit genug überlegen ist.

Allerdings könnte sich diese gängige Meinung bald ändern. So wie Rick Blaine es im Filmklassiker «Casablanca» gesagt hat: vielleicht nicht heute, vielleicht nicht morgen, aber bald und dann für den Rest deines Lebens. Und es liegt eine hübsche Ironie der Geschichte darin, dass derjenige, der Loeb ablösen wird, möglicherweise sein eigener Protegé Sébastien Ogier ist.

Ogier, der im November ins Citröen-Juniorteam befördert wurde, nachdem er die Rallye-Juniorenweltmeisterschaft gewonnen hatte, wurde heute sechster. Er lag nur drei Minuten hinter seinem Teamkollegen Chris Atkinson, nachdem er seine erste Prüfung am Morgen mit einem Unfall ruiniert hatte und den ganzen Nachmittag lang von hinten aufschließen musste.

Auf den ersten Blick wirkt das nicht allzu beeindruckend. Aber dann erinnert man sich, dass dies erst Ogiers zweite Rallye in diesem Auto ist und dass sein erster Einsatz am Ende der letzten Saison stattfand. Er bestreitet gerade seine erste vollständige WM-Saison. Er hat hier überhaupt nicht testen können. Und erst vor einer Woche fuhr er bei der Intercontinental Rally Challenge in Monte Carlo mit, wo er siegte. Unter diesen Umständen und angesichts der Bedingungen, die in Irland herrschen, sieht ein sechster Rang plötzlich ziemlich gut aus.
«Ohne den Fehler am Morgen würde es hier interessanter für uns ausschauen», sagte Ogier danach. «Okay, wir sind sechster, und das ist für meine zweite Rallye mit diesem Auto gar nicht so schlecht.»

Es hat sich im Grunde genommen alles schon abgezeichnet. Ogier erregte erstmals Aufmerksamkeit, nachdem sich kein geringerer als Loeb selbst für ihn eingesetzt hatte. Wie Loeb vor ihm wurde Ogier vom französischen Automobil-Verband FFSA gefördert und machte rasche Fortschritte – mit Loeb als Vorbild.

«Wir haben ziemlich viel gemeinsam, nicht nur den Vornamen», sagte Loeb letztes Jahr. „Er kommt ebenfalls aus einer Familie, die nicht besonders reich ist und nie was mit dem Rallyesport zu tun hatte. Wir wurden beide von der FFSA unterstützt und wir sind beide Mechaniker von Beruf.»

Diesen Kommentar gab er anlässlich von Ogiers WM-Debüt in Mexiko ab, bei dem der Schützling auch gleich seinen ersten Punkt einfuhr. Besonders interessant war, dass Ogier die Juniorenmeisterschaft in einem weniger PS-starken, nicht so technisch ausgereiften Fahrzeug bestritten hatte wie die großen Stars. Trotzdem schaffte er es, sie alle zu schlagen, und wurde zum ersten Junior-WRC-Fahrer, der so eine tolle Belohnung einheimst.

Ogier gab das Kompliment zurück: «Als ich mit dem Rallyefahren anfing, habe ich mir immer Onboard-Aufnahmen von Seb (Loeb) angeschaut. Und ich habe ein Notizsystem entwickelt, das sehr ähnlich wie seines ist. Das scheint sehr gut zu funktionieren.»
So gut, dass er die Juniorenweltmeisterschaft im letzten Jahr überlegen gewann und jetzt mehrere Einsätze mit Loebs Team fahren darf. Wenn Ogier nicht so vollkommen bodenständig wirken würde, dann wäre es fast schon furchteinflößend, wie er seinem großen Vorbild ähnelt.

Die Frage, ob es irgendwann für Loeb selbst furchteinflößend wird, ist noch offen. Ohne Zweifel hat Ogier eine Menge Talent. Er ist schnell, fährt konstant und macht vor allem sehr wenige Fehler. Das kann man von anderen jungen Heißspornen wie Jari-Matti Latvala nicht behaupten, der etwa im selben Alter wie Ogier ist, aber mehr Erfahrung gesammelt und zudem schon wesentlich mehr Schrott produziert hat.
Echter Wettbewerb für Loeb hat in den letzten Janren in der WRC gefehlt. Spätestens, seit Marcus Grönholm nicht mehr dabei ist. Wenn sich aber nächstes Jahr die technischen Regeln ändern, bedeutet das für Ogier möglicherweise einen frischen Start in einem ausgeglicheneren Feld. Vielleicht sehen wir dann die beiden «Sebs», wie sie sich im gleichen Auto und mit der gleichen Unterstützung vom Team Kopf an Kopf duellieren. Das wäre dann allemal interessant...

Von Justin Hynes, übersetzt von Christoph Stappert

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