Sébastien Ogier (Volkswagen): Gegner? Welche Gegner??

Kolumne von Christian Schön
Sébastien Ogier kann den Champagner für Titel Nummer vier schon mal kaltstellen

Sébastien Ogier kann den Champagner für Titel Nummer vier schon mal kaltstellen

Bei der Rallye Frankreich unterstrich Sébastien Ogier wieder einmal, dass ihn nur die Startreihenfolge vom Siegen abhalten kann. Die Konkurrenz resigniert.

Sébastien Ogier (Volkswagen) kann sich auf Asphalt nur selbst schlagen. Die Niederlagen gegen die Teamkollegen Jari-Matti Latvala (Frankreich 2014 und 2015) und Andreas Mikkelsen (Spanien 2015) sind Patzern des Weltmeisters beziehungsweise dessen Beifahrers Julien Ingrassia zuzuschreiben.

Sollten Latvala und Mikkelsen jemals geglaubt haben, ernsthaft am Thron des Asphalt-Königs sägen zu können, hat ihnen die Rallye Frankreich gnadenlos die Augen geöffnet. Latvala und Mikkelsen waren nicht nur keine Gefahr für Ogier, sie mussten sich am Ende gar Thierry Neuville (Hyundai) geschlagen geben.

Nur rechnerisch kann Mikkelsen Ogier auf dem Weg zum vierten WM-Titel in Folge noch bremsen. Dagegen, dass die Franzose schon bei der nächsten Rallye in Spanien den Sack endgültig zumacht, würden aber wohl nicht einmal die risikofreudigen Buchmacher in London wetten.

Warum Latvala nicht schon bei den Testfahrten vor der Rallye Frankreich oder spätestens beim Shakedown direkt vor dem Start eingesehen hatte, dass der Wechsel auf einen anderen Typ Bremsbeläge ein Schritt in die falsche Richtung war, wird wohl sein Geheimnis bleiben. Und Mikkelsen blieb nur die Erkenntnis: «Séb fährt in einer eigenen Liga.»

Das ist zwar faktisch richtig. Erschreckend ist allerdings, mit welcher Schicksalsergebenheit das mittlerweile sogar von den eigenen Teamkollegen anerkannt wird, die sich nicht mit wie Hyundai-Pilot Neuville mit einem nicht ganz konkurrenzfähigen Auto herausreden können. Killer-Instinkt oder gar das Material, aus dem zukünftige Weltmeister geschnitzt sind, sieht anders auch.

Einzig Kris Meeke (Citroën) und Hayden Paddon (Hyundai) ließen zuletzt so etwas wie Gegenwehr erkennen. Aber der eine (Meeke) ist einfach nicht konstant genug, leistete sich nach zwei Siegen mal wieder einen Unfall. Und der andere (Paddon) ist zumindest auf Asphalt doch einige Schritte von der Klasse Ogiers entfernt. Sogar Thierry Neuville, auf Korsika immerhin Zweiter, war schon zufrieden damit, «zwei von drei Volkswagen» im Griff zu haben.

Der Belgier spielt trotzdem die entscheidende Rolle bei den letzten Runden des Fahrerkarussells 2017. Auf seine Wahl warten alle. M-Sport-Boss Malcolm Wilson würde Neuville mit Handkuss nehmen, hat aber nicht das Budget dazu. Toyota-Teamchef Tommi Mäkinen soll abgewinkt haben, angeblich wegen persönlicher Dissonanzen. Bleiben Citroën und natürlich Neuvilles aktueller Arbeitgeber Hyundai. Ein weiteres Gerücht besagt, dass Neuville nur an einem Ein-Jahres-Vertrag interessiert sei, um sich für 2018 neue Optionen offen zu halten. Das wäre sicherlich weder im Interesse von Yves Matton (Citroën) noch von Michel Nandan (Hyundai).

Solange sich Neuville nicht entschieden hat («ich denke, innerhalb der nächsten zwei Wochen»), steht das Fahrerkarussell. Talente wie Citroën-Pilot Craig Breen – in Frankreich wieder stark – oder die WRC2-Titelfavoriten Teemu Suninen und Elfyn Evans treten ebenso auf der Stelle wie Routinier Ott Tänak, für den eine weitere Saison im DMack-finanzierten Ford wahrscheinlich erscheint. Sogar der Name Robert Kubica geisterte plötzlich wieder durch die Gerüchteküche, nur weil der ehemalige Formel-1-Pilot und WRC2-Weltmeister im Servicepark in Bastia beim Smalltalk mit so ungefähr jedem Teamchef beobachtet wurde.

Wie auch immer sich Citroën, Hyundai, Toyota und Ford (M-Sport) aufstellen werden – Volkswagen als Team zu schlagen, dürfte auch 2017 unmöglich sein. Zumindest dann, wenn man einfach mal voraussetzt, dass der zukünftige Polo R WRC nicht entscheidend schlechter sein wird als die neuen WRC der Konkurrenz. Nach allem, was bisher von den Testfahrten nach außen gedrungen ist, ist eher das Gegenteil der Fall.

Die Regeländerung, dass nächstes Jahr pro Hersteller drei Fahrer punkteberechtigt sind, nutzt vor allem dem dann viermaligen Marken-Weltmeister (Zweifelt daran noch jemand?) aus Deutschland. Wendet man die zukünftige Art der Punkteberechnung auf die vergangenen drei Saisons an, hätte Volkswagen mit dem starken Trio Ogier, Latvala und Mikkelsen die jeweiligen Titel mit noch größerem Vorsprung gewonnen.

Vor diesem Hintergrund verwundert es wenig, dass die Motorsportbehörde FIA offensichtlich am bisherigen System der Startreihenfolge festhalten will. Immerhin hat das Verfahren, den Tabellenführer zur ersten und zweiten Etappe ganz vorne starten zu lassen, in der laufenden Saison für schon fünf verschiedene Sieger gesorgt.

Einziger Trost für den davon stark benachteiligten Sébastien Ogier: 2017 findet die (Asphalt-) Rallye Frankreich schon im April statt und bricht damit das momentane Ungleichgewicht von sechs Schotter-Rallyes in Folge auf. Ob das reicht, den Weltmeister vom angedrohten Rücktritt abzuhalten, wird sich zeigen.

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