Marc Márquez: Abschiedsgeschenk für Shuhei Nakamoto

Kolumne von Michael Scott
Marc Márquez liess die Honda in diesem Jahr gut aussehen – sehr zur Freude von Shuhei Nakamoto

Marc Márquez liess die Honda in diesem Jahr gut aussehen – sehr zur Freude von Shuhei Nakamoto

Es gab in Valencia viele Abschiede. Einer davon war ziemlich wichtig: HRC-Vizepräsident Shuhei Nakamoto hat das japanische Rentenalter erreicht. Im April 2017 wird er 60 Jahre alt und muss in Rente gehen.

Shuhei Nakamoto übernahm die Leitung des Repsol-Honda-Teams 2009. Obwohl er ursprünglich schon in der Zweirad-Welt unterwegs war, hatte er sich zuvor acht Jahre lang dem Formel-1-Projekt von Honda gewidmet. Dort leitete er die Konstruktion eines sehr erfolglosen GP-Renners, der noch langsamer als sein Vorgänger ausfiel. Die anhaltende Erfolglosigkeit führte in Kombination mit der Weltwirtschaftskrise schliesslich zum Ausstieg der Japaner aus der Königsklasse.

Was von Aussen wie eine schlechte Leistung von Nakamoto aussieht, wertete Honda jedoch deutlich positiver. Schliesslich gab es einige Gründe für den Misserfolg, die ihm nicht angelastet werden können. Nakamoto war ein Opfer der Umstände, und als solches ging er nach dem gescheiterten Vierrad-Abenteuer gleich dazu über, das MotoGP-Werksteam zu leiten.

Auch dieses Projekt durchlief gerade eine schwierige Phase. Nicky Hayden hatte 2006 ziemlich überraschend den Titel geholt, indem er eher durch Konstanz denn durch Rennsiege glänzte. Nur zwei Mal stand er in diesem Jahr auf dem höchsten Podesttreppchen. Dennoch muss man den Titel hoch werten, denn er war der einzige Gesamtsieg der Japaner, seit Valentino Rossi das Team Ende 2003 im Unfrieden verlassen hatte.

Der MotoGP-Superstar holte sich 2008 seinen dritten Titel auf einer Yamaha, und dieses Kunststück wiederholte er im folgenden Jahr. Auch 2010 holte sich Yamaha den Titel, diesmal mit Jorge Lorenzo.

Bis heute hat sich Nakamoto die Dienste eines wichtigen Verbündeten gesichert, indem er den schroffen Livio Suppo von Ducati als Sportdirektor einstellte. Der Italiener konnte mit dem Team schnell Fortschritte erzielen und die erste Frucht, die diese Zusammenarbeit hervorbrachte, war die Verpflichtung des 2007er-Weltmeisters Casey Stoner, den Suppo zu Honda lockte.

Gleichzeitig sorgte die neue Struktur dafür, dass Honda wieder zu einem strengen Führungsstil zurückfand – mit ein wichtiger Grund für Rossis Abgang. Es gab auch im Team viele personelle Änderungen und es gab Spannungen innerhalb der eigenen Reihen.

Dies stand im Widerspruch zu Nakamotos persönlichem Auftritt. Denn Aussenseiter nahmen den Japaner als umgänglichen Charakter wahr, der immer ein Lächeln bereit hielt. Da er schon Jahre zuvor nach Grossbritannien gezogen war, sprach er fliessend Englisch, darüber hinaus glänzte er auch mit seinem guten Sinn für Humor.

Stoner war natürlich ein brillantes Naturtalent, doch Ducati konnte seinen Fähigkeiten nicht gerecht werden. Er konnte zwar mit der Desmosedici noch Siege einfahren, doch er musste auch viele Stürze einstecken. Wie stark seine Leistung trotz der schwindenden Stärke des italienischen Bikes war, zeigte sich schliesslich, als Rossi sich damit versuchte und kläglich scheiterte.

Stoner liess die Honda überragend aussehen, was keine grosse Überraschung war. 2011 holte er den Titel und liess Nakamoto und sein Gefolge damit wie Superstars aussehen. Wahrscheinlich hätte er das auch 2012 hinbekommen, doch das Verletzungspech sorgte schliesslich dafür, dass Lorenzo und Yamaha am Ende wieder jubeln durften.

Die Erlösung von HRC liess allerdings nicht lange auf sich warten: Auf Stoner folgte Marc Márquez, und wir alle wissen, was dann folgte: 2013 holte er den Titel als Rookie, 2014 dominierte er die WM und auch 2016 schaffte er es, die Titelkrone für sich zu erobern. 2015 verpasste der Spanier den Titelgewinn nur, weil er zu oft stürzte.

Natürlich muss der Teamchef die richtigen Fahrer wählen. Und mit der Verpflichtung von Márquez hat Nakamoto viel Ruhm geerntet. Doch wie gut hat der Fahrer die Honda aussehen lassen? In diesem Jahr sehr gut, wie wir wissen.

Denn die RC213V wurde technisch stark verändert. Die Anpassungen bei der Kurbelwelle sorgten dafür, dass sich das Fahrverhalten des Bikes stark veränderte – vor allem am Kurveneingang und am Kurvenausgang mussten die Honda-Piloten ihren Fahrstil komplett ändern.

In Kombination mit den Schwierigkeiten, die der Wechsel von der Honda-eigenen zur Einheitselektronik von Magneti Marelli mit sich brachte, war die 2016er-Honda eine echte Herausforderung für die Zweirad-Profis: Schwierig zu fahren am Kurveneingang und noch schwieriger beim Beschleunigen. Es fehlte nicht an Power, aber an der Fähigkeit, diese auf die Strasse zu bringen.

Mit seinem unfassbaren Talent schaffte es Márquez, diese Schwächen auszugleichen. Dank seines Reifeprozesses und seines natürlichen Talents schaffte es der Ausnahmekönner, die 2016er-RCV an die Spitze der WM-Wertung zu setzen. Wie stark die Leistung des 23-Jährigen aus Cervera ist, zeigt die Tatsache, dass es Dani Pedrosa schaffte als zweitbeste Honda-Pilot gerade Mal auf den sechsten WM-Rang schaffte.

Auch für das nächste Jahr sind umfassende Änderungen geplant. Die Tests nach dem Saisonfinale in Valencia haben gezeigt, dass Honda bei der RCV vom Screamer-Prinzip abkommt, zugunsten der sogenannten «Long-Bang»-Intervalle, was das japanische Bike näher an die Konkurrenz von Yamaha, Ducati und Suzuki bringt.

Márquez hat HRC 2016 gerettet und dem scheidenden Team-Oberhaupt Nakamoto damit das besondere Geschenk gemacht, auf der Höhe seines Schaffens abzutreten.

Nun wird ein anderer die Entwicklung der RCV in die richtigen Bahnen lenken müssen. Auch wenn Márquez weiterhin da sein wird, um die Siege in jedem Fall einzufahren.

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