Das Verwirrspiel in der Königsklasse

Kolumne von Manuel Pecino
MotoGP, MotoGP mit 800 ccm, MotoGP mit 1000 ccm, Claiming-Rule, Factory, Open, Factory2: Wer soll sich in diesem Reglement-Wust noch auskennen? Wir sorgen für Aufklärung.

Macht euch keine Sorgen, so ging es mir anfangs auch. Um die Königsklasse des Motorradsports zu verstehen, bräuchte man manchmal eine Betriebsanleitung. In dieser Kolumne werde ich nun die Vielzahl der Abkürzungen, Kategorien innerhalb anderer Kategorien und Unterkategorien in verschiedenen Kategorien erklären.

Wenn man den Promoter der Weltmeisterschaft auf den Wust an verschiedenen Kategorie und Unterkategorien in der Königsklasse ansprechen würde, dann wäre die Antwort wahrscheinlich, dass es kein Problem gäbe und alles kristallklar sei. Und ich bin mir sicher, das ist für diejenigen auch der Fall, aber da ich nun diesen Artikel schreibe, ist es vermutlich für die Menschen, welche die MotoGP-WM verfolgen, nicht so klar. Ich spreche nicht über meine Mutter oder andere gewöhnliche Zuschauer, sondern über echte Biker, echte Anhänger von Rossi, Márquez, Lorenzo, Bautista und so weiter. Wenn wir hier die oben genannten Begriffe erklären, dann tun wir das, weil wir von unseren Lesern darum gebeten wurden.

Wir können die Erklärung der aktuellen Situation wie ein Märchen beginnen. «Es war einmal vor langer Zeit…» Denn vor langer, langer Zeit wurden die Kategorien der Weltmeisterschaft noch durch die Beschaffenheit ihrer Motoren benannt. Es war die Zeit der Klassen bis 50, 80, 125, 250, 350 und 500 ccm. Über Jahrzehnte hinweg war die Königsklasse, die Spitze des Motorradsports, als 500-ccm-Klasse bekannt. So war es seit am 7. Juni 1949 der erste Grand Prix ausgetragen wurde bis 2001, als die FIM die größte Klasse das letzte Mal als 500-ccm-Weltmeisterschaft bezeichnete. Ab 2002 änderte sich der Name in FIM MotoGP.

Die Geburtsstunde der MotoGP

Die Bezeichnung MotoGP war eine Folge von wichtigen technischen Regeländerungen, welche vorsahen, dass die Zweitakt-Motoren durch Viertakter ersetzt werden. In diesem Moment schien dies aus Gründen wie Umweltschutz und Benzinverbrauch als sinnvoller. Ein wichtiger Punkt war auch, dass die Hersteller diese Technik für ihre Production-Bikes verwenden konnten und so der teure Rennsport gerechtfertigt wurde, was bei den Zweitaktern nicht der Fall war. Der Unterschied zwischen Zwei- und Viertakt-Motoren mit gleichem Hubraum machte eine Anpassung des Hubraums notwendig. In der ersten MotoGP-Saison 2002 traten beide Technologien gegeneinander an. Die Zweitakter blieben bei 500 ccm, während die Viertakter bis zu 990 ccm haben durften. Ein Jahr später verschwanden die 500-ccm-Maschinen völlig.

MotoGP: 800-ccm-Ära

Aus Gründen, die nie ganz ersichtlich wurden, änderte sich das Format der MotoGP-Klasse 2007 erneut. Für angeblich mehr Sicherheit, irgendjemand entschied, dass die 990-ccm-Maschinen zu schnell seien, wurde der Hubraum von 990 ccm auf 800 ccm reduziert. Die 800-ccm-MotoGP-Maschinen waren geboren. Dieses Format konnte sich bis 2011 halten, am Ende waren die 800-ccm-Bikes schneller als ihre Vorgänger. Sicherlich war es teurer und erforderte mehr Raffinesse mit den kleineren Motoren dieselbe Leistung zu erzielen. Das vorgebrachte Sicherheitsargument wurde enttarnt und 2012 fand eine erneute Veränderung der Motoren statt: der maximale Hubraum wurde auf 1000 ccm erhöht.

MotoGP: 1000-ccm-Ära

Das MotoGP-Format mit 1000-ccm-Motoren wurde 2012 eingeführt und brachte die Begrenzung des Spritverbrauchs und eine festgelegte Anzahl von Motoren pro Saison mit sich. Die neuen Regeln bedachten Faktoren aus Umweltschutz, Technik und Ökonomie. Mit der 1000-ccm-Ära entstand auch das «Tutti Frutti» aus Abkürzungen und Unterkategorien, das zu dieser Kolumne führte. Da sich einige Hersteller wie Aprilia, Kawasaki, Suzuki oder KTM zurückzogen und private Projekte wie das von Ilmor scheiterten, wurde das Startfeld immer kleiner. Der WM-Promoter kreierte eine neue Unterkategorie der MotoGP-Klasse: CRT.

Die Claiming-Rule-Teams

CRT war die Abkürzung für Claiming Rule Teams, die im Schatten der Teilnehmerzahlen-Krise eine Unterkategorie in der MotoGP-Klasse bildeten. Um die Anzahl der Bikes in der Startaufstellung zu erhöhen, schuf Promoter Dorna die Claiming-Rule-Kategorie, die Privatteams beherbergen sollte. Da die ökonomische Komponente im Vordergrund stand, wurden spezielle Regeln entworfen. Eine Regel besagte, dass die «Constructors Association Teams» für einen festen Preis, wenn ich mich richtig erinnere, sollten es 15 000 Euro sein, einen Motor von den anderen Teams nach den Rennen kaufen können. Eine weitere Sparmaßnahme war die Begrenzung der Bikes auf eines pro CRT-Fahrer. Viele private Teams, die an den hohen Leasing-Kosten der Werksmaschinen zu ersticken drohten, entschieden sich für die CRT-Variante.

Viele verschiedene Projekte entstanden. Das Avintia-Team beispielsweise entwickelte die BQR indem sie einen ZX10-Motor in ein FTR-Chassis einbauten. Das Aspar-Team trat mit einer ART an, die grundsätzlich ein Superbike war, das an die MotoGP-Regeln angepasst wurde. Das Forward-Team wählte einen BMW-Motor und ein Suter-Chassis und das Team von Fausto Gresini setzte auf die Option Honda und FTR. In den zwei Jahren ihrer Existenz erfüllte die CRT-Unterkategorie ihren Zweck. Ein anderes Thema war die Konkurrenzfähigkeit dieser Maschinen.

Die Open-Kategorie

Außer dem 1000-ccm-Hubraum ist alles zuvor angesprochene bereits Vergangenheit. Doch wir mussten einen kurzen Blick auf die Geschichte der MotoGP-Klasse werfen, um zu verstehen, was als nächstes kommt. Die Open-Kategorie, Entschuldigung, wohl besser die Open-Unterkategorie muss als natürliche Weiterentwicklung der CRT-Kategorie verstanden werden. Um die Leistung zu verbessern und wichtige technische Regeländerungen der Dorna für 2017 vorwegzunehmen, wurde die Open-Klasse geschaffen. Sie vereint die CRT-Bikes mit den neuen Production-Racern, die von den Herstellern der Königsklasse entwickelt wurden. Die wichtigsten technischen Charakteristika dieser Maschinen sind:

1. Nutzung der Dorna-ECU von Magneti Marelli
2. 24 Liter Sprit
3. Bis zu zwölf Motoren pro Saison
4. Freie Motorenentwicklung auch während der Saison
5. Exklusive Open-Class-Reifen, die weicher sind als die weichste Mischung der Factory-Fahrer
6. Zwei Maschinen pro Fahrer

Derzeit enthält die Open-Klasse die neue Honda RCV1000R im Aspar-Team mit Nicky Hayden und Hiroshi Aoyama, im Gresini-Team mit Scott Redding und bei Cardion AB Motorracing mit Karel Abraham. Aleix Espargaró und Colin Edwards treten im Forward-Team mit einer Yamaha an. Die Teams Ioda und PBM setzen ART-Maschinen ein. Avintia tritt mit Héctor Barberá und Mike De Meglio an.

Der Factory-Status

Diese MotoGP-Unterkategorie umfasst die Elite. Die Werksmaschinen, die direkt für das Werksteam an den Start rollen und auch die der Privatteams wie Gresini, LCR oder Tech3, fallen in diese Kategorie. Das Factory-Konzept ist eine Unterkategorie mit einem Ablaufdatum, da nur wenige Tage vor dem Start der Saison Promoter und Hersteller eine Einigung erreichten, die Einheitselektronik ab 2016 flächendeckend einzusetzen. Bis dahin ist die Nutzung einer eigenen Elektronik-Software die wichtigste Eigenschaft der Factory-Bikes. Dieses Konzept verteidigten die japanischen Hersteller bis zu dieser Ankündigung als einzigen Weg im Rennsport. Überraschend, das wäre ein Thema für einen anderen Artikel, änderten Honda und Yamaha ihre Meinung. Die Merkmale der Factory-Maschinen sind:

1. Eigene Elektronik-Software
2. 20 Liter Treibstoff
3. Ein Maximum von fünf Motoren pro Saison und Fahrer

Die Factory2-Idee

Diese Variante der Factory-Unterkategorie war in der Diskussion, als Ducati verkündete, dass sie 2014 unter dem Open-Reglement antreten wollen. Da die Möglichkeit bestand, dass Ducati die Vorteile der Open-Klasse nutzt und dadurch Rennen gewinnt, kam eine neue Idee auf. Es sollte eine Sanktionsskala angelegt werden, welche die Performance von Ducati in Schach halten sollte. Die Restriktionen sollten die Spritmenge, die Anzahl der Motoren und die Nutzung der Open-Reifen betreffen. Doch die Factory2-Idee wurde nie umgesetzt.

Die spezielle Factory-Version

Diese Unterkategorie existiert als solche nicht, aber eigentlich tut sie es doch. Was ich hier die spezielle Factory-Version nenne, gibt es seit dem 18. März, als die FIM einen Kompromiss zwischen der Dorna und den Herstellern verkündete. In Zukunft werden alle Teams die Einheits-ECU einsetzen. Diese Einigung beinhaltete auch ein spezielles Programm für die Behandlung von Bikes, die sich noch in der Entwicklungsphase befinden. Ducati kehrte also in den Factory-Club zurück. Eine spezielle Regelung gilt nun für Maschinen, die in der letzten Saison unter trockenen Bedingungen nicht siegten, oder für die Bikes neuer Hersteller.

Zunächst gilt diese Regelung für Ducati und ab dem nächsten Jahr für Suzuki, wenn sie ihr Comeback geben. Diese spezifische Version erlaubt es, die Vorteile der Open-Klasse zu nutzen und zusätzlich die eigene Elektronik-Software einzusetzen. Doch wie auch bei der Factory2-Idee gibt es in bestimmten Fällen Sanktionen.

In der offiziellen Pressemitteilung hieß es: «Die genannten Sonderbedingungen werden unter den folgenden Umständen reduziert: Sollte ein Fahrer oder eine Kombination aus Fahrern, die für denselben Hersteller antreten, einen Rennsieg, zwei zweite Plätze oder drei Podestplätze in der Saison 2014 bei trockenen Bedingungen einfahren, dann wird die Spritmenge für den Hersteller auf 22 Liter reduziert. Sollte ein Hersteller 2014 einen Sieg verbuchen, so wird er das Recht auf die weichen Reifen der Open-Kategorie verlieren. Die Einschränkungen werden für alle noch folgenden Rennen der Saison 2014 und die ganze Saison 2015 gelten.»

So sieht es derzeit in der MotoGP… MotoGP800ccm… MotoGP1000ccm… CRT… Factory… Open… Factory2… aus. Im Zuge dieser Kolumne über Abkürzungen, Kategorien und Unterkategorien, welche die MotoGP-Klasse geprägt haben, las ich sehr aufmerksam einige frühere Artikel und Pressemitteilungen. Es war nicht einfach, alles gänzlich zu verstehen. Doch nun bin ich, und ich hoffe Sie auch, ein Experte auf diesem Gebiet.

Siehe auch

Kommentare

Bitte melden Sie sich an, um einen Kommentar zu schreiben.

Nachbehandlung mit dem Doktor: Saudi-Arabien

Dr. Helmut Marko
Exklusiv auf SPEEDWEEK.com: Dr. Helmut Marko, Motorsport-Berater von Red Bull, analysiert den jüngsten Grand Prix. Diesmal: Jeddah, Ferraris Problem mit Ollie Bearman und die Form der Racing Bulls.
» weiterlesen
 

TV-Programm

  • Di.. 19.03., 00:35, Motorvision TV
    Tourenwagen: Supercars Championship
  • Di.. 19.03., 01:45, Hamburg 1
    car port
  • Di.. 19.03., 03:45, Hamburg 1
    car port
  • Di.. 19.03., 04:10, Motorvision TV
    Super Cars
  • Di.. 19.03., 05:15, Hamburg 1
    car port
  • Di.. 19.03., 05:35, Motorvision TV
    Top Speed Classic
  • Di.. 19.03., 05:50, Sky Cinema Classics SD
    Die fliegenden Ärzte
  • Di.. 19.03., 06:00, Motorvision TV
    400 Thunder Australian Drag Racing Series
  • Di.. 19.03., 07:20, Motorvision TV
    On Tour
  • Di.. 19.03., 07:50, Motorvision TV
    Superbike: Australian Championship
» zum TV-Programm
10