Über Nico Hülkenberg
Nicolas «Nico» Hülkenberg begann seine Rennkarriere als Neunjähriger im Kartsport und wurde 2002 mit zehn Saisonsiegen Deutscher Juniorenmeister. Ein Jahr später sicherte er sich den Titel in der Deutschen Kartmeisterschaft (DKM).
2005 stieg Hülkenberg in den Formelsport auf und wurde mit acht Siegen bereits in seinem Debütjahr Meister der deutschen Formel BMW. 2006 fuhr er im deutschen Formel-3-Cup und feierte in seinem erst vierten Rennen den ersten Sieg. Im Winter 2006/2007 startete Nico Hülkenberg für das deutsche Team in der A1GP-Serie, in der er mit insgesamt neun Siegen ebenfalls den Meistertitel holte.
2007 ging es weiter in die Formel-3-Euroserie, in der er neben Romain Grosjean für das französische Meisterteam ASM startete und am Ende der Saison mit vier Siegen hinter seinem Teamkollegen Grosjean und Sébastien Buemi als bester Neuling Dritter wurde. Nach seinem Sieg beim Formel-3-Masters in Zolder durfte der Emmericher für Williams einen Formel-1-Boliden testen und wurde für 2008 als Testfahrer engagiert.
Neben seiner Tätigkeit als Ersatzfahrer bei Williams fuhr Nico Hülkenberg ein weiteres Jahr in der Formel-3-Euroserie und war nach sechs Siegen schon vor dem letzten Rennwochenende Meister, bevor er in Hockenheim Saisonsieg Nummer 7 herausfuhr.
2009 stieg Hülkenberg mit ART Grand Prix, jenem Team, mit welchem er in den beiden Jahren zuvor in der Formel 3 und bei vier Rennen der GP2-Asia-Serie gestartet war, in die GP2-Meisterschaft ein. Sein Teamkollege war der Venezolaner Pastor Maldonado. Nach zwei Podestplätzen in Monaco und Silverstone übernahm Hülkenberg am Nürburgring mit zwei Siegen die Führung in der Meisterschaft. Nach weiteren Siegen in Ungarn, Valencia und Portugal und drei Platzierungen auf dem Podium war er nach 20 Rennen mit 100 Punkten GP2-Champion.
Haben Sie es bemerkt? Hülkenberg ist in jeder Autosportkategorie, in welcher er angetreten ist, Champion geworden. Diese Serie sollte nun abreissen.
2010 nahm Williams Hülkenberg als Stammfahrer neben Rubens Barrichello unter Vertrag. In Malaysia, beim dritten Formel-1-Rennen, holte der Emmericher als Zehnter seinen ersten WM-Punkt. Bis zum nächsten Zähler musste er dann allerdings sieben Rennen warten. In Silverstone wurde Hülkenberg abermals Zehnter, zwei Rennen später, in Ungarn, erzielte er mit Platz 6 sein bestes Ergebnis der Saison. In Brasilien sorgte Nico Hülkenberg für eine Sensation, als er den Williams auf abtrocknender Strecke auf die Pole-Position stellte. Schon beim Start wurde er dann allerdings von Sebastian Vettel überholt und kam am Ende als Achter ins Ziel. Seine erste Saison in der Königsklasse beendete er als 14. der Fahrerwertung.
2011 übernahm Nico Hülkenberg bei Force India die Rolle des Testfahrers, nachdem Williams Pastor Maldonado engagiert hatte: Frank Williams musste ans Überleben seines Rennstalls denken und Mitgift dem puren Talent vorziehen.
Nach einigen Freitagseinsätzen beförderte ihn das Team aus Silverstone für 2012 zum Stammpiloten. Von den 20 Saisonrennen beendete er elf in den Punkterängen und verpasste in Belgien des Podium als Vierter nur knapp. Beim letzten Saisonrennen in Interlagos lag der Force-India-Pilot im Regen sogar rundenlang in Führung, bekam nach einer Kollision mit Lewis Hamilton aber eine Durchfahrtstrafe und wurde schließlich Fünfter. Im internen Duell schlug er seinen Teamkollegen Paul di Resta mit 63 zu 46 Punkten.
2013 wechselte Nico Hülkenberg zu Sauber, musste aber gleich beim ersten Rennen in Melbourne wegen technischer Probleme am C32 zuschauen. In Malaysia holte er als Achter seine ersten WM-Zähler der Saison und beendete auch den Grand Prix von China in den Punkten. Danach folgte eine Durststrecke, in der Hülkenberg die Punkte meist nur knapp verpasste, erst in Großbritannien und Deutschland landete er wieder auf Rang 10. Nach der Sommerpause ging es mit Nico Hülkenberg und Sauber steil bergauf und in Italien überquerte er die Ziellinie als Fünfter, ein Ergebnis, das er mit Rang 4 in Südkorea noch übertraf. Insgesamt beendete Hülkenberg sechs der letzten acht Saisonrennen in den Punkten und schloss das Jahr als WM-Zehnter ab. Mit 51 zu 6 Punkten ließ er seinem Teamkollegen Esteban Gutiérrez im internen Duell keine Chance.
2014 kehrt Nico Hülkenberg wieder zu Force India zurück. Er glaubte nicht an das Potenzial der Schweizer, und auch mit den Gehaltszahlungen war nicht alles nach Plan verlaufen. Sein neuer Teamkollege bei Force India war ein anderer früherer Sauber-Fahrer: Sergio Pérez.
In der ersten Saisonhälfte 2014 fuhr niemand regelmässiger als Nico Hülkenberg (zehn Punktefahrten in Folge, davon vier fünfte Ränge), dann kam der Emmericher ein wenig ausser Tritt. Dennoch wurde er WM-Neunter (sein bestes Gesamtergebnis in der Formel 1), unmittelbar vor seinem Stallgefährten Sergio Pérez. Es stand nie in Zweifel, dass Force India ihn behalten würde.
2015 blieb Hülkenberg unter den besten Zehn der Formel 1 (WM-Zehnter), doch der Mexikaner Pérez drehte den Spiess um und hatte dieses Mal mit 78:58 Punkten die Nase vorne. In Russland wurde Pérez sogar Dritter, Nico Hülkenberg rannte seinem ersten Podestplatz weiter hinterher. Das sollte sich 2016 ändern: «Ich will einfach meine beste Formel-1-Saison zeigen», sagte der Deutsche über sein Ziele für 2016.
Das hat geklappt oder auch nicht, je nach Sichtweise. Denn wie 2014 ist Nico Hülkenberg 2016 WM-Neunter geworden, sein bestes Gesamtergebnis in der Formel 1. Aber er konnte erneut keinen Podestplatz erringen. Dafür half er Force India zum besten Team-Ergebnis des Rennstalls aus Silverstone – toller vierter Platz in der Markenwertung!
Der wahre Knaller in Sachen Hülkenberg kam abseits der Rennstrecke: Im Herbst wurde sein Wechsel zu Renault bestätigt. Force India liess ihn vorzeitig aus dem Vertrag. Als Renault-Werksfahrer will Hülkenberg mit dem Team wachsen. Spätestens 2020 will Renault ein Wörtchen um den WM-Titel mitreden.
Nico Hülkenberg ist gelernter Speditionskaufmann und machte seine Ausbildung in der Hülkenberg Spedition KG seines Vaters Klaus Dieter im heimischen Emmerich.
Seine Fans haben sich für Nico Hülkenberg im Laufe der Jahre die verschiedensten Spitznamen einfallen lassen. So gab es «Hülki», in Anlehnung an Michael «Schumi» Schumacher oder «Hülkinator», in Anlehnung auf den Filmcharakter Terminator. Durchgesetzt hat sich «Hulk», als Anspielung an die gleichnamige Comicfigur.
Hulk verändert sich bekanntlich nur, wenn ihn etwas auf die Palmer bringt, und dazu hätte es 2017 reichlich Gelegenheit gegeben. Fazit der Saison: Zu wenig aus den Möglichkeiten gemacht. Am Fahrer lag es dabei selten. Cyril Abiteboul, Geschäftsleiter von Renault Sport: «Nico ist eine Führungspersönlichkeit. Als echter Leader reisst er uns mit. Er hat Charisma und zu Recht einen guten Ruf. Aber gleichzeitig hat er wie wir in der Formel 1 etwas zu beweisen: Er hat einen guten Namen, aber er will nach vorne. Innerhalb der kommenden Jahre wollen wir gemeinsam in die Position kommen, Rennen zu gewinnen und Weltmeister zu werden. Nico Hülkenberg setzt Prioritäten und gibt eine Entwicklungsrichtung vor. Genau so einen Fahrer haben wir gebraucht.»
Nur waren die aerodynamische Entwicklung zu zäh und der Motor zu schwach und zu wenig standfest, um alle Chancen zu nutzen. Hülkenberg schloss die WM als Gesamtzehnter ab. Acht Punktefahrten waren zu wenig, um weiter vorzustossen. Highlight: die sechsten Ränge von Spanien, England, Belgien und Abu Dhabi.
Nico findet: «In diesem Jahr ging es um Fortschritt und Entwicklung. Ich musste ein neues Team kennenlernen, das sich über das Jahr stark entwickelt hat. Wir haben Fortschritte mit dem Auto und unserer Performance gemacht. Natürlich wollten mir mehr, was die Ergebnisse betrifft, aber wir haben viele Dinge in Stellung gebracht, die es uns erlauben werden, in Zukunft um bessere Ergebnisse zu kämpfen.»
Das Ziel für 2018 bestand darin, die Lücke zu den drei Top-Teams Mercedes, Ferrari und Red Bull zu schliessen und endlich den ersten Podestrang einzufahren. Wurde das erreicht? Ein klares Jein. Denn Renault schloss die WM tatsächlich auf Rang 4 des Konstrukteurs-Pokals ab, und Nico wurde als Siebter «best of the rest». Doch erneut hat es mit dem Podest nicht geklappt. Highlight von Nico: Rang 5 in Hockenheim.
2019 hätte jene Saison werden sollen, in welcher Nico Hülkenberg mit Renault erste Podestränge einfährt und den Fahrern der Top-Teams auf die Nerven geht. Stattdessen ging alles schief: Renault verpasste die Saisonziele meilenweit, und Teamchef Cyril Abitboul holte Esteban Ocon ins Boot. Weil Verhandlungen mit Haas und Alfa Romeo-Sauber fehlschlugen, ist Nico 2020 ohne Stammplatz.
Dennoch will der Emmericher nicht von einem endgültigen Abschied von der Königsklasse sprechen: «Ich gehe nicht in Rente, ich liebe die Formel 1 und was ich hier tue, ich liebe auch den Wettbewerb. Dennoch kann ich damit leben, ich denke, zehn Jahre sind schon eine lange Zeit. Aber ich werde die Formel 1 sicherlich vermissen, wenn ich im nächsten Jahr den ersten Grand Prix im Fernsehen mitverfolgen werde.»
Die Situation lässt den 32-Jährigen nicht kalt, auch wenn sie nichts Neues ist: Bereits 2011 hatte er nach seiner GP-Debütsaison eine einjährige Zwangspause auf der Reservebank des Force India Teams (heute Racing Point) einlegen müssen. Doch eine Reservistenrolle will er diesmal nicht bekleiden: «Es ist ganz offensichtlich das Richtige, wenn du ein junger Fahrer bist, der am Anfang seiner Karriere steht. Ich habe das 2011 ja auch gemacht. Aber es ist schwer zu schlucken, wenn deine Karriere bereits fortgeschritten ist und du schon so viele Jahre am Stück im Renneinsatz warst. Ich bin nicht sicher, ob das die richtige Rolle ist.»
«Ich würde natürlich lügen, wenn ich behaupten würde, dass mich das Ganze nicht berührt, natürlich stimmt es mich traurig, die Formel 1 zu verlassen und keine Rennen mehr zu fahren», stellte Hülkenberg im Gespräch mit dem Briten noch einmal klar. «Aber wenn es da nicht sein soll, dann gibt es noch andere Meisterschaften, in denen man den Nervenkitzel erleben kann.»
Aus Nico Hülkenberg wurde ein Edel-Reservist: Der Emmericher sprang 2020 bei Racing Point für die an Corona erkrankten Sergio Pérez (Silverstone) und Lance Stroll (Nürburgring) ein, in England stellte Hülki den fremden Wagen sensationell auf den dritten Startplatz. Er holte als Siebter und Achter zwei Mal Punkte.
Als aus Racing Point dann Aston Martin wurde, blieb Hülkenberg unter Vertrag, kam 2021 aber nicht zum Einsatz. Das passierte erst Anfang 2022, als Sebastian Vettel positiv auf Corona getestet worden war. Dieses Mal lief es nicht ganz so gut – Rang 17 in Bahrain, Zwölfter in Saudi-Arabien.
Im Sommer 2022 stieg der Unmut beim Haas-Rennstall über Mick Schumacher: zu viele Unfälle, zu wenige Punkte. Teambesitzer Gene Haas und Teamchef Günther Steiner wussten: «Im hart umkämpften Mittelfeld brauchen wir einen Mann, der regelmässig die Autos in die Top-Ten fährt und der routiniert genug ist, die Autos heil zu lassen.»
Mitte November hatten Haas und Steiner ihre Wahl getroffen: Nico Hülkenberg erhielt einen Vertrag für 2023.
Von Kevin Magnussen wurde Nico warmherzig begrüsst: «Ich freue mich auf die Arbeit mit Hülkenberg. Jeder weiss, wie erfahren Nico ist, und ich bin davon überzeugt, dass er für den Haas-Rennstall eine grosse Bereicherung ist.»
Moment mal, Nico Hülkenberg und Kevin Magnussen – da war doch was. Dazu eine kleine Rückblende. Unvergessen, wie Nico nach dem Ungarn-GP 2017 Magnussen auf die Schulter klopfte und sagte: «Einmal mehr der unsportlichste Fahrer im Feld.» Kevin, ohne mit der Wimper zu zucken: «Leck meine Eier, Schätzchen!»
Diese paar Sekunden gingen um die Welt und betonierten den Eindruck: Da sind zwei Fahrer, die sich abgrundtief verabscheuen.
Kevin sagte später darüber: «Ach was, das wurde total aufgebauscht, ich bin es fast ein wenig leid, darüber zu sprechen. Eigentlich hatten Nico und ich nur einmal wirklich Zoff, das war eben damals auf dem Hungaroring. Ich finde es unglaublich, dass wir noch immer davon sprechen.»
Über Bahrain 2022 sagt Nico: «Ich ersetzte beim WM-Auftakt ja Sebastian Vettel bei Aston Martin. Also bin ich dort zu Kevin hingegangen und habe gesagt – Leck meine Eier, Schätzchen! Wortwörtlich. Ich dachte, das wäre lustig. Kevin hat sich gekugelt, offenbar fand er das auch.»
«Es ist ja nicht so, dass ich Kevin nicht mag, aber es stimmt, dass wir seit damals nicht miteinander geredet haben. Ich fand in Ungarn einfach, sein Manöver war jenseits der Grenze. Doch letztlich ist es normal, wenn Rennfahrer über ein Duell nicht immer gleicher Meinung sind. Das liegt alles hinter uns.»
Auch Kevin ist ganz gelassen: «Es gibt kein böses Blut zwischen mir und Nico. Wir haben uns über damals ausgesprochen und fanden in Bahrain beide – schon seltsam, wie das Leben spielt, dass wir nun wieder gemeinsam Formel 1 fahren. Vieles zwischen Nico und mir wurde von den Medien dramatisiert, so wie auch zwischen mir und Romain Grosjean. Was mich angeht, so habe ich für Nico den grössten Respekt. Was in der Formel 1 wirklich Sache ist und wie die Formel 1 von aussen dargestellt und gesehen wird, das sind eben oft zwei verschiedene Paar Schuhe.»
«Ich bin sicher, alles wird gut sein. Anfang 2022 haben wir uns am Flughafen getroffen und erstmals seit Jahren richtig miteinander geredet. Dieses Gespräch haben wir dann während der Fahrerparade vor dem Bahrain-GP fortgesetzt. Und wir haben beide gemerkt, dass wir über unseren Streit von damals herzlich lachen können. Wir finden es ziemlich lustig, dass die Leute noch heute darüber reden. Wir sind beide älter und reifer geworden, und was damals gewesen ist, steht uns 2023 nicht im Weg.»
Vor dem Nachsaisontest in Abu Dhabi stand der GP-Routinier den Journalisten Rede und Antwort. «Letztlich kannst du dir nie sicher sein, bis alles unterzeichnet ist. Aber in den vergangenen Wochen und Monaten wurde das immer konkreter, umso optimistischer und zuversichtlich wurde ich. Für Dienstag gilt: Ich will den Haas-Rennwagen so gut als möglich kennenlernen. Wir haben im kommenden Winter ja nur drei Testtage, also eineinhalb pro Fahrer, da ist ein Tag wie morgen sehr wertvoll.»
«Ich kann bei diesem Test viel Basisarbeit erledigen: Wie ich ins Auto passe, Sitzposition, Funktionen am Lenkrad, dann natürlich Handling des Fahrzeugs, Arbeit mit den Reifen. Ich will auch schon im wahrsten Sinne des Wortes erfahren, was an diesem Renner gut ist und wo wir zulegen können. Die Anpassung ist daher die grösste Aufgabe, denn letztmals sass ich beim Test nach dem Ungarn-GP im Formel-1-Renner.»
«Ich fange also nicht bei null an, aber das ist ein anderes Team, ein anderes Rennauto, also muss man sich zuerst mal beschnuppern. Je früher wir anfangen können, desto besser.»
Nico gibt zu: «Als ich im Frühling kurzfristig für Seb einsprang, da fühlte ich mich schlecht. Formel-1-Fahren ist körperlich sehr anstrengend, und damals war ich weniger trainiert als jetzt. Nun hatte ich gut drei Monate, um mich auf die Rückkehr vorzubereiten, und ich fühle mich gut.»
Nico enthüllte ich: «Ich habe Teamchef Günther Steiner im Sommer angerufen. Ich spürte einfach dieses innere Feuer, dass ich wieder auf der Startaufstellung sein will, in der Formel 1, der Königsklasse, der Spitze im Motorsport. Ich hatte zwar einen Stammplatz verloren, aber nie die Liebe zur Formel 1. Ich vermisste das Rennfahren auf diesem Niveau und fand immer – dieses Kapitel ist noch nicht abgeschlossen.»
Hand aufs Herz: Gab es nicht Momente, in welchen er nicht mehr an eine Rückkehr geglaubt hatte? Hülkenberg: «Ich würde nicht sagen, dass ich je aufgegeben hätte. Aber Ende 2019 war ich über etwas Abstand nicht unfroh, um etwas Distanz zu gewinnen. Ich brauchte eine Pause, und es kann zwischendurch nicht schaden, einen Schritt zurück zu wagen und sich über einige Zusammenhänge Gedanken zu machen. Dieser Sport spielt sich zu einem grossen Teil im Kopf ab. Du musst glücklich sein und dich frisch fühlen. Damit kommt Selbstvertrauen. Wenn du das verlierst, kannst du leicht in einen Abwärtsstrudel geraten. Die Pause hat mir gut getan.»
«2020 sprang ich bei Racing Point ein, 2021 passierte nicht viel, 2022 dann im Frühling die Einsätze für Vettel bei Aston Martin. Aber zu diesem Zeitpunkt liess ich mich in Sachen Comeback nicht stressen, aber je länger das Jahr dauerte, desto grösser wurde das Verlangen, wieder Grands Prix zu fahren. Ich sah diese neue Formel 1, wie cool sie ist, ich erlebte den Wirbel als Mitarbeiter von ServusTV mit, und ich wollte wieder Teil davon sein – als Fahrer. Was Haas anging, so schaute ich mir das genau an und war einfach der Ansicht: Da kann man Einiges besser machen. So begann das Projekt Rückkehr.»
Als Zitterpartie betrachtet Nico Hülkenberg das Warten auf den neuen Vertrag nicht: «Es war ja nicht meine erste Vertragsverhandlung. Da darf man sich nicht verunsichern lassen. Gewiss, in einer Woche war das Eisen heisser, in der nächsten vielleicht wieder kühler. Aber so sehr ich auch zurückkommen wollte, ich wäre weich gefallen. Gewiss, ich wäre enttäuscht gewesen, aber dann wäre es halt so gewesen.»
«Ich sehe Haas als Team mit Potenzial. 2021 war keine gute Saison, weil die Ressourcen ganz auf die Entwicklung des 2022er Fahrzeug verlegt worden war. Aber in diesem Jahr ist Haas besser aufgetreten, und mit einigen zusätzlichen Punktefahrten wäre erheblich mehr drin gewesen (Haas wurde Achter im Konstrukteurs-Pokal, aber nur 18 Punkte hinter Rang 6) Wir können das besser als 2022, und dabei will ich dem Team helfen. Das Team braucht Konstanz, das Team braucht mehr Input, was die Entwicklung des Autos angeht, da will ich mich mit meiner Erfahrung einbringen.»
Die Fans feiern Nico als «Hulkenback». Der Deutsche grinst: «Ich staune immer wieder, wie kreativ die Fans sind und wie leidenschaftlich. Es hat Spass gemacht, das zu sehen. Klar schmeichelt einem das. Und ich finde, Hulkenback klingt doch ziemlich cool.»
«Das Echo bei meinen Einsätzen als Ersatzmann war positiv. Überrascht hat mich das nicht, denn es ist ja nicht so, dass ich Ende 2019 überall nur verbrannte Erde hinterlassen hätte. Ich habe mit den meisten Menschen im Fahrerlager immer ein gutes Verhältnis gehabt, ich bin ein offener Mensch, der gerade heraus ist und auf alle Kinkerlitzchen verzichtet.»
Nach dem Rücktritt von Sebastian Vettel und der Haas-Trennung von Mick Schumacher ist er der einzige Deutsche im Feld. «Zusätzlichen Druck erzeugt das nicht», findet der Emmericher. «Deutschland war über viele Jahre ein wenig verwöhnt, wir hatten Michael Schumacher, Sebastian Vettel, Nico Rosberg, dazu Mercedes. Es gab Zeiten da hatten wir sechs oder sieben Piloten im Startfeld. Wir hatten auch mal eine Phase im GP-Sport mit ganz vielen Franzosen oder Italienern, das hat sich auch geändert. Aber es ist normal in der Formel 1, dass solche Wellenbewegungen entstehen.»
Für den Le Mans-Sieger von 2015 fühlt es sich auch nicht seltsam an, dass er ausgerechnet Mick Schumacher ersetzt. «Es liegt in der Natur der Formel 1, dass jeder auf seine eigene Karriere achtet und auf der Bahn das gleiche Stück Asphalt für sich beansprucht. Viele Piloten mussten ein Team schon wegen der Verpflichtung eines Anderen verlassen. So ist das eben in der Formel 1: Wenn ein Pilot einen Rennstall und die Mitarbeiter nicht von sich überzeugen kann, dann muss eine andere Lösung gefunden werden. Das gilt im Übrigen nicht nur für Rennfahrer, das gilt für alle Angestellten.»
In den sozialen Netzwerken werden die Leute viel Spass an Nico und Kevin Magnussen haben, mit der «Leck meine Eier!»-Affäre von Ungarn 2017 und all dem. Aber inzwischen sind der Däne und der Deutsche an ganz anderen Punkten ihrer Karriere, wie Nico betont.
«Als Kevin und ich uns Anfang 2022 trafen, haben wir das Eis gebrochen. Ich habe ihn in Bahrain mit genau diesen Worten begrüsst, und wir konnten beide herzlich lachen. Das ist längst Vergangenheit. Wir sind beide älter geworden, reifer, wir sind inzwischen beide Familienväter, wir kommen beide nach einer Formel-1-Pause zurück, da gibt es einige Parallelen. (Beginnt zu lachen.) Wir können uns über die besten Windel-Marken austauschen! Wir respektieren uns, wir wissen, was von uns erwartet wird, ich erwarte da wirklich keine Schwierigkeiten.»
Viele Leute im Fahrerlager sind der Ansicht: Zwischen Günther Steiner und Mick Schumacher hat die Chemie nie gestimmt. Er ist ja schon ein Typ, dieser Steiner. Wie stellt sich Nico das Leben mit dem knorrigen Südtiroler vor. Hülkenberg lacht und reimt spontan: «Er ist ein Typ für sich – genau wie ich!»
Als junger Pilot ist Nico Hülkenberg in die Formel 1 gekommen und wolle natürlich Weltmeister werden. Er war Meister in jeder Kategorie gewesen, in welcher er angetreten war: Formel-BMW-Meister 2005, A1GP-Champion 2007, Formel-3-Meister 2008, GP2-Champion 2009. Aber nach 181 WM-Einsätzen in der Königsklasse haben sich die Ziele verändert.
«Klar träumst du vom WM-Titel, aber du musst auch die Füsse am Boden behalten und realistisch sein. Mein Ziel besteht darin, 2023 bei Haas das Beste aus meinen Möglichkeiten zu machen. So dass ich an einem Abend nach dem Einsatz sagen kann – mehr war nicht drin.»
Es gab viel zu tun bei Nicos Rückkehr in den GP-Rennwagen. Hätte er nicht fast zwei Stunden wegen Defekten verloren, wären sogar mehr drin gewesen als diese 110 Runden beim Formel-1-Nachsaisontest auf dem Yas Marina Circuit. Der Le Mans-Sieger von 2015 sagt über seinen ersten Tag mit Haas: «Ein Tag proppevoll mit Daten, mit sehr Vielem, was ich in die Winterpause mitnehmen kann. Wir hatten uns vorgenommen, dass wir üppig zum Fahren kommen, und das ist uns fast gelungen.» Das Fast bezieht sich auch auf eine mehr als eineinhalbstündige Pause, weil der Ferrari-Motor Mucken machte.
Der 181-fache GP-Teilnehmer weiter: «Ich bin zufrieden mit diesem Tag, es gab keine Überraschungen. Körperlich muss ich zugeben – das war schon hart, ich kam an die Grenze.» Nico macht einen Vergleich zum oft zitierten Reifenverschleiss, den die Piloten immer wieder erwähnen. Hülkenberg schmunzelt: «Heute spüre ich eher menschlichen Verschleiss. Das Fahren ging nicht nur auf den Nacken, auch auf die ganze restliche Muskulatur. Ich hatte letztmals im August einen GP-Renner bewegt. Natürlich merkst du das. Aber das hatte ich erwartet. Um genau zu sein, lief es besser als erwartet.»
«Natürlich fühlt sich dieser Wagen anders an, da geht es nicht nur um Sitzposition, bei mir als grossem Fahrer immer ein Thema, da geht es ums Lenkrad, um die Art und Weise, wie die Lenkung funktioniert. Aber das beginnt schon beim Anlassen des Motors, weil da bei einem Ferrari-Triebwerk ganz andere Vibrationen zu spüren sind als mit einem Mercedes-Motor. Es ist einfach alles anders. Aber ich fühlte mich bald zuhause.»
«Ich konnte mich dem Haas-Rennwagen recht gut anpassen, schneller als erwartet eigentlich. Dennoch gab es so viel zu verarbeiten. Es ging ja nicht nur darum, dass ich mich in mein neues Umfeld einpasse. Wir hatten ein grosses Pensum in Sachen Reifen zu bewältigen. Und natürlich wollte ich auch den Technikern schon ein erstes Feedback geben. 2022 hat das Team sehr viel über dieses Auto gelernt, aber es kann nie schaden, eine zusätzliche Perspektive oder Meinung zu erhalten, und klar wollte ich mich da auch einbringen.»
Fühlt sich für Nico die Formel-1-Rückkehr ein wenig wirklicher an als noch vor wenigen Tagen? Hülkenberg: «Auf alle Fälle, aber das war schon gestern so, als ich zur Strecke gekommen bin und wir den Sitz angepasst und die ersten Sitzungen mit den Technikern hatten. Das hat sich heute alles gut angefühlt, und ging zufrieden in die Festtags-Pause.»
Was ist Nico Hülkenberg 2023 zuzutrauen? RTL-Formel-1-Experte Christian Danner sagt: «Grundsätzlich ist Nico ein Spitzenpilot. Dadurch, dass er diese Pause hatte, ist es schwer, seine Form im Detail zu definieren. Kann er einem Magnussen nicht nur Paroli bieten, sondern ihn auch schlagen? Ich bin mal optimistisch und traue ihm das zu. Er hat vor der Formel 1 alles gewonnen und im GP-Sport war er immer eine sichere Bank. Er ist genau das, was Haas-Teamchef Günther Steiner haben will.»