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Formel 1Kolumne
Die Formel 1 sucht das Superhirn
Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird 2009 nicht der schnellste Fahrer Weltmeister, sondern der intelligenteste.
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Kimi Räikkönen macht sich GedankenKimi Räikkönen macht sich GedankenFoto: LAT
Kimi Räikkönen macht sich Gedanken© LAT
Zuhause schlage ich mich nachmittags derzeit oft mit dem Satz des Pythagoras und meinem Sohne herum. Anschliessend mit der Auswertung der Formel-1-Testfahrten. Die sind gegen Schulmathematik reinstes Integral-Raten. Da arbeitet man auch mit Näherungswerten. Und das müssen wir in Zukunft in viel höherem Masse praktizieren, wenn wir die Wettbewerbsfähigkeit der Autos und der Fahrer beurteilen wollen.
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In den Wintermonaten sahen wir Sébastien Buemi regelmäs­sig die Zeitenlisten anführen. Einen Neuling in einem alten Auto (2008er-Toro Rosso). Wie ich das meiner Mutter erkläre, muss ich mir noch ganz genau überlegen. Dann höre ich, dass die Hybrid-Technik KERS die Techniker dazu zwinge, die Getriebe-Abstufung eher zu raten, als aus wissenschaftlicher Erfahrung zu ritzeln. Verständlich, denn die absolute Topspeed erreichen die Fahrer nur für ein paar Sekunden pro Runde, in denen sie am Schub-Knopf die 80 Zusatz-PS aktivieren. Das heisst für den Rest der Zeit, also im Schnitt für 80 Sekunden pro Runde, dass die Gänge blödsinnig lang übersetzt sind, oder wie?
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Und wenn nicht, dann beschleunigen die doch mittels KERS-Anschub regelmässig in den roten Bereich (über 18 000/min) hinein, was ja eigentlich verboten ist.
Und wenn der Fahrer langsamer wird: Lässt der KERS-Schub dann nach? Gewissermassen als KERSeite der Medaille? Oder geht er vom Gas? Oder bremst er? Oder ist KERS überhaupt angeschaltet? Denn womöglich ist sein Team mit der KERS-Batterie schon am Zoll hängengeblieben, was passieren kann, wie Experten befürchten.
Was wir noch raten müssen, ist der Status der Frontflügel: Denn die sind 2009 aus dem Cockpit verstellbar. Und zwar zweimal pro Runde, einmal flacher, dann steiler und umgekehrt. Es ist also durchaus denkbar, dass unsere schnellen Helden in der Hitze des Gefechts mal vergessen, das Ding in die richtige Position zu hieven. Das wird mit blossem Auge nicht festzustellen sein. Es mag also Startnummer Sowieso durch Eau Rouge dümpeln wie eine olle Jolle – und wir senken den Daumen über die Flachzange an den Pedalen – weil der Fahrer den Flügel neu zu justieren vergessen hat. Oder weil der Verstell-Mechanismus in der Auto-Nase gerade klemmt.
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Zwei Anpassungen pro Runde bedeuten 40 im ganzen Feld. Das wirft die Frage auf, wie lange wir den jeweiligen Stand des Geflügels korrekt nachverfolgen können. Und wie lange die Piloten das selbst schaffen, ohne das harte Training der Testfahrten. Oder ohne Simulator. Und ohne Abitur (wie die meisten). Es liegt genau so nahe, dass manch einer der zunehmend abgemagerten Jung-Models kollabiert unter der Fracht seines geistigen Lastenhefts, vielleicht keinen Bock mehr hat, pausenlos idealen Fahrzuständen nachzustreben, am Streckenrand ausrollt und sich schlafen legt, wie es einst Rebell James Hunt in Le Castellet getan hat. Wir werden uns an den Kopf greifen und rufen: Warum attackiert der jetzt nicht? Ist seine Batterie noch nicht wieder vollständig geladen? Oder schon zu heiss gelaufen durch die vielen Brems- und Boostmanöver, die die Ionen rein- und rausjagen und Reibung erzeugen. Hat der Fahrer eine saftlose Speichereinheit oder nur eine temperaturanfällige, mit einer eigenen Elektronik oder einer gekauften? Oder ein Schwungrad, wie Williams, oder keines, wie alle anderen? Oder bauen bloss seine Reifen ab? Die neuen Slicks sollen an den Antriebsrädern ja wegbröseln wie ranziger Knetgummi. Darüber werden wir sinnieren, wenn einer nach fünf Runden langsamer wird, um später lapidar zu erfahren, das Team habe ihn über Funk angewiesen, sein Mütchen zu kühlen. Soll ja schon vorgekommen sein.
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Es gibt noch eine Menge weiterer möglicher Wettbewerbsverzerrer, die ich noch gar nicht erwähnt habe. Die Differenzial-Einstellung, die Bremsbalance und … Reicht es? Sie sehen: 2009 wird nicht unbedingt der schnellste Fahrer Weltmeister, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit der intelligenteste. Ist das eine gute Nachricht für die Fans von Kimi Räikkönen? Wir Deutschen sind in punkto Brainpower, wie das neudeutsch heisst, hervorragend aufgestellt: Wir haben mit Nico Rosberg und Sebastian Vettel zwei hochschulreife Fahrer, beide mit 2er-Abi-Schnitt. Und mit Dr. Mario Theissen einen Honorarprofessor im (BMW-Sauber-)Team. Das werden sie alle nicht gerne hören. Macht nichts. Alain Prost hat sich auch an den Beinamen "Professor" gewöhnt.
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