Wilco Zeelenberg: «Fahrer machen 7 Mal die Augen zu»
Der niederländische CryptoDATA-RNF-Aprilia-Teammanager Wilco Zeeelenberg sagt, die MotoGP-Fahrer werden durch das neue Format zu stark beansprucht. Deshalb plädiert er für Veränderungen.
Alle MotoGP-Fans fieberten der Saison 2025 entgegen. Ein sensationeller Dreikampf mit Marc Marquez, Pecco Bagnaia und Jorge Martin war vorprogrammiert. Doch für zwei Piloten lief das Jahr komplett aus dem Ruder.
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Am vorletzten Donnerstag stimmten die elf MotoGP-Teams darüber ab, ob das Programm für die "premier class" ab dem Silverstone-GP (4. bis 6. August) am Freitag und Samstag wieder abgeändert werden soll. Der Vorschlag der Pierer-Gruppe (KTM und GASGAS) sowie anderer Teams lautete: Das freie Training am Freitagvormittag (45 Minuten) sollte nicht mehr gemeinsam mit dem FP2 am Freitagnachmittag (60 Minuten) über den direkten Einzug ins Qualifying 2 mitentscheiden, sondern nur das FP2 am Freitag. Außerdem wurde darüber diskutiert, ob man das FP3 am Samstag (es gilt eigentlich jetzt als Warm-up für Quali und Sprint) von 30 auf 20 Minuten verkürzen sollte, um den anspruchsvollen Samstag für die Fahrer etwas zu erleichtern.
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Denn die meisten Teammanager wollten das FP1 (offizielle Bezeichnung P1) zum Testen und Ausprobieren neuer Teile nutzen und den Fahrern nach langen Rennpausen (nach Le Mans gab es drei freie Wochenende, jetzt bis Silverstone fünf) die Möglichkeit geben, sich ohne "time attack" wieder an die 300-PS-Raketen zu gewöhnen. Aber für eine Änderung des Formats wäre unter den elf Rennställen Einstimmigkeit nötig gewesen. Ducati Corse stimmte jedoch gegen eine Änderung, weil die Italiener acht Bikes im Feld haben und genug Fahrer haben, die neue Teile ausprobieren können.
Der 56-jährige Wilco Zeelenberg, einst GP-Fahrer in den Klassen 250 und 500 ccm sowie in der Supersport-WM aktiv, plädierte als Teammanager des CryptoDATA-RNF-Aprilia-Teams mit Miguel Oliveira und Raúl Fernández für die Änderung, muss aber jetzt bis 2024 warten. Dann soll das neue Programm wirksam werden und das FP1 nicht mehr über den Einzug ins Q2 entscheiden.
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Zeelenberg, 250-ccm-GP-Sieger 1990 auf dem Nürburgring und als Manager des Yamaha-Werksteam dreimal MotoGP-Weltmeister mit Jorge Lorenzo, kritisiert als Ex-Rennfahrer eine zu starke Beanspruchung der Piloten, nicht nur wegen der hohen Anzahl von Grand Prix, sondern auch wegen der neu eingeführten Sprintrennen am Samstag um 15 Uhr.
Alle MotoGP-Fans fieberten der Saison 2025 entgegen. Ein sensationeller Dreikampf mit Marc Marquez, Pecco Bagnaia und Jorge Martin war vorprogrammiert. Doch für zwei Piloten lief das Jahr komplett aus dem Ruder.
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"Momentan müssen die MotoGP-Fahrer sieben Mal am Wochenende die Augen zu machen und alles riskieren", rechnet der Niederländer vor, der bei Petronas-Yamaha auch Fabio Quartararo zum GP-Sieger und Weltmeister geformt hat. "Ja, das FP1 am Freitag in der Früh sollte wirklich ein freies Training sein und nicht mehr über den Einzug ins Q2 entscheiden. Wir haben bei den ersten acht Grand Prix gesehen, wie viele Stürze und Verletzte es gegeben hat."
Tatsächlich: Auch bei der Dutch-TT waren nur Bradl (statt Rins), Lecuona (statt Mir) und Folger (statt Pol Espargaró) drei Ersatzfahrer am Start. Und mit Marc Márquez fehlte dann am Sonntag der nächste Stammfahrer in der Startaufstellung. "Auf dem Sachsenring wurde allein am Freitag Material für mehr als 1 Million Euro verschrottet", beklagte Zeelenberg im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. Denn es crashten am Freitag im Turn 11 Morbidelli, Nakagami, Di Giannantonio und Rául Fernández, dazu Viñales und Zarco am Ende von FP2 im Turn 1. Von den fünf Crashes von Marc Márquez innerhalb von 40 Stunden gar nicht zu reden.
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Die "Formula One Commission" geht bei der Einführung der Sprints etappenweise vor. Für 2022 wurden zuerst nur drei Sprints durchgeführt, 2023 wurde die Anzahl auf sechs erhöht. Außerdem wurde an den Sprint-Weekends in der Formel 1 das Qualifying auf den Freitag vorverlegt, um die Belastung für den Samstag zu reduzieren. Wegen der vielen Simulator-Stunden brauchen die F1-Teams am Freitag keine 105 Minuten für freie Trainings; gestern reichten in Spielberg 60 Minuten. "Ich kann natürlich nicht genau einschätzen, wie hoch der Materialschaden in Sachsen am Freitag war, aber bei drei Bikes sah es nach einem Totalschaden aus", meint Zeelenberg. "Klar, das ist nicht das Schlimmste, denn Material ist ersetzbar, wie wir alle wissen. Wir sind alle Teilnehmer diese Show. Die Motorräder sind da, um von den Fahrern ans Limit gebracht zu werden. Und alle Beteiligten wollen die Show für das Publikum verbessern. Und es ist unbestritten, dass in diesem Jahr viel mehr Spektakel geboten wird als in der Vergangenheit. Aber inzwischen wird das alles zu viel." Zeelenberg: "Denn die MotoGP-Teams haben nicht mehr ausreichend Zeit, um die Rennmaschinen im gewünschten Ausmaß für die Zeitenjagden, fürs Quali und die Rennen abzustimmen. Es prasselt so viel Druck auf die Fahrer ein, sich am Freitag für das Q2 zu qualifizieren, dann einen Top-Startplatz zu erobern und insgesamt sieben Mal am Weekend alles aufs Spiel zu setzen. Sie müssen drei Tage lang vom ersten bis zur letzten Runde am Limit performen. Sie müssen die Augen zu früh, zu oft und zu lang schließen. Das führt zu den ganzen Dramas, meiner Ansicht nach." "Es würde sehr helfen, wenn wir mehr Vorbereitungszeit für die Motorräder hätten. Es wäre auch für die Fahrer hilfreich, wenn sie etwas Zeit hätten, um auf Speed zu kommen, wenn das FP1 nicht für den Einzug ins Q2 gewertet würde. Die Fahrer könnten in einem wirklich freien ersten Training am Freitag etwas ruhiger ans Werk gehen, ohne sich frühzeitig in Gefahr zu bringen. Wir haben letztes Jahr dem neuen Format zugestimmt. Aber es wurde auch beschlossen, das neue Format nach acht Grand Prix 2023 zu bewerten. Jetzt sind pausenlos drei oder vier Fahrer verletzt. Deshalb müssen wir jetzt begutachten, ob wir etwas verbessern können. Aber jetzt wurde beschlossen, für 2023 keine Änderungen zu machen. Ich hoffe, dass uns trotzdem weitere Verletzungen erspart bleiben, die auf den erhöhten Stress zurückzuführen sind", erklärte Zeelenberg im Interview mit SPEEDWEEK.com.
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Hier ist die lange Liste der Versehrten seit dem Portimão-GP: Pol Espargaró, Bastianini, Oliveira, Marc Márquez, Marini, Martin, Mir, Raúl Fernández, Rins, Bagnaia, Aleix Espargaró und Fabio Quartararo. Immerhin neun von 22 Piloten sind bisher von Knochenbrüchen verschont geblieben. MotoGP-Ergebnisse, Assen (25. Juni): 1. Bagnaia, Ducati, 26 Rdn in 40:37,640 min 2. Bezzecchi, Ducati, + 1,223 sec 3. Aleix Espargaró, Aprilia, + 1,925 4. Brad Binder*, KTM, + 1,528 5. Martin, Ducati, + 1,934 6. Alex Márquez, Ducati, + 12,437 7. Marini, Ducati, + 14,174 8. Nakagami, Honda, + 14,616 9. Morbidelli, Yamaha, + 29,335 10. Augusto Fernández, KTM, + 33,763 11. Savadori, Aprilia, + 35,084 12. Raúl Fernández, Aprilia, + 39,622 13. Bradl, Honda, + 42,504 14. Folger, KTM, + 45,609 – Di Giannantonio, Ducati, 8 Runden zurück – Lecuona, Honda, 12 Runden zurück – Oliveira, Aprilia, 14 Runden zurück – Bastianini, Ducati, 20 Runden zurück – Viñales, Aprilia, 23 Runden zurück – Quartararo, Yamaha, 24 Runden zurück – Zarco, Ducati, 24 Runden zurück – Miller, KTM, 25 Runden zurück *= ein Platz zurück ("track limits"-Vergehen) Ergebnisse MotoGP-Sprint Assen (24. Juni):
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