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Michael Schumacher-Ingenieur: Vettel wird überschätzt

Von Mathias Brunner
​Sebastian Vettel muss nach seinem jüngsten Fahrfehler in England viel Kritik einstecken. Auch vom früheren Renningenieur Michael Schumachers, Luca Baldisserri. Der Italiener: «Vettel wird überschätzt.»

Der 56jährige Luca Baldisserri war Renningenieur von Michael Schumacher in der goldenen Ära des Rennstalls – fünf WM-Titel in Folge von Schumi 2000–2004. Die beiden verstanden sich fast ohne Worte. Später kümmerte sich Baldisserri um den Ferrari-Nachwuchs in der so genannten Fahrerakademie. Von dort folgte er dem jungen Lance Stroll zu Williams.

Klar geht Ferrari ohne Luca Baldisserri. Aber Baldisserri ohne Ferrari, das geht gar nicht. Wer so lange und so erfolgreich in Maranello gearbeitet hat, für den behält Ferrari einen grossen Platz im Herzen. Und Baldisserri schmerzt, was er bei Ferrari sieht.

Im italienischen Portal «Pit Talk» haut Baldisserri Sebastian Vettel gnadenlos in die Pfanne: «Auch ich halte ihn für einen überschätzten Fahrer, ganz sicher nicht für den Erben von Michael. Auf der anderen Seite ist er auch ein vierfacher Weltmeister. Aber er hat viele Fehler gemacht. Er muss wieder zu sich selber finden.»

Luca weiter: «Wenn Leclerc anhaltend reift und zu einem echten Top-Fahrer wird, dann wird er einen Piloten brauchen, der ihn unterstützt. Aus dieser Perspektive könnte Vettel erfahren genug sein, um ein idealer Stallgefährte zu sein.» Zwischen den Zeilen heisst das: Dann wäre Vettel die Nummer 2.

Fehler von Sebastian Vettel: Liste immer länger

Tatsächlich wird die Liste von Vettels Fehlern immer länger, wie ein Blick auf die vergangenen zwölf Monate zeigt.

In Frankreich 2018 legte sich Vettel kurz nach dem Start mit Valtteri Bottas an. Sebastian wurde zu einer Aufholjagd gezwungen, obendrein gab es eine Fünfsekundenstrafe. Nach dem Rennen gab er zu, dass gegen die Mercedes wohl nichts auszurichten gewesen wäre. Real siegte Hamilton vor Bottas, Vettel wurde Fünfter, das heisst zwischen Hamilton in diesem Rennen ging es 25:10 aus. Wenn wir annehmen, dass Hamilton auch ohne Vettels Patzer gegen Bottas gewonnen hätte, wäre Sebastian realistisch wohl Dritter geworden. In Le Castellet hat er also zehn Punkte liegenlassen.

Hockenheim 2018 schmerzte am meisten. Ein Aufschrei ging durch die Menge: Sebastian Vettel, Ferrari-Star, WM-Leader, Hockenheim-Lokalheld, hatte eben sein Auto in der Sachskurve in die Pistenbegrenzung gesetzt. Nicht hart, aber hart genug. Wir haben während des Rennens den Funk des Heppenheimers verfolgt. Vettel hämmerte aufs Lenkrad und schimpfte: «Oh, Scheisse, oh-nee, so ’ne Kacke!» Der Ärger war verständlich. Vettel hatet nicht nur den so sehr erhofften ersten Formel-1-Sieg in Hockenheim weggeschmissen, aus einem Acht-Punkte-Vorsprung gegen Hamilton nach dem Sieg in Silverstone war auch ein 17-Punkte-Rückstand geworden. Schlimmer hätte es nicht kommen können. Dann würgte Vettel noch ins Mikro: «Sorry, guys», bevor seine Stimme in einem Schluchzer endete und er wie ein geprügelter Hund davontrottete.

Vettel nach dem Rennen: «Meine Reifen waren nicht die frischesten, also hatte ich es schwerer als andere Fahrer. Aber das darf keine Ausrede sein. Ich liess nur ganz kurz ein Vorderrad stehen und schon ging es geradeaus, dann blockierten die Hinterräder, und an diesem Punkt mehr gibt es kein Weg zurück. Es war gewiss nicht der grösste Fehler, den ich in der Formel 1 je gemacht habe, aber es ist bestimmt einer, der mich am teuersten zu stehen kommt. Ich stand im Kiesbett und wusste – hier komme ich nicht mehr heraus.»

Hamilton liess sich nicht zwei Mal bitten und gewann, 25:0 gegen Vettel. Andersrum hätte es 25:18 gegen Hamilton geheissen.

In Italien 2018 wäre das zwischen Vettel und Hamilton eine ganz enge Kiste geworden: In einer idealen Welt hätte sich Kimi Räikkönen so positioniert, dass Vettel in Führung gezogen wäre. Gehen wir davon aus, dass die Ferrari-Fahrer mit einer Doppelführung ihren Reifen nicht so viel hätten zumuten müssen wie im wahren Rennverlauf, wäre ein Doppelsieg drin gewesen, Hamilton wäre dann bestenfalls Dritter geworden. Real hiess es am Ende zwischen Sieger Hamilton und dem erneut zu einer Aufholjagd gezwungenen, viertplatzierten Vettel 25:12. Durch die Ferrari-rote Brille hätte es 15:25 gegen Hamilton enden können.

In Japan eine Kollision mit Max Verstappen, bevor Vettel in Texas eine Drei-Ränge-zurück-Strafe erhielt, weil er bei roter Flagge ungenügend verzögert hatte. Dann ein Dreher im Zweikampf mit Ricciardo. Da war der WM-Zug ohnehin längst abgedampft.

Und so geht es 2019 weiter: Dreher hinter Lewis Hamilton in Bahrain, nur Rang 5. Fahrfehler in Kanada, Hoppelei über die Wiese, knapp vor Hamilton auf die Bahn zurückgekommen, zu knapp, wie die Rennkommissare fanden – Fünfsekundenstrafe, Sieg futsch. In England dann die Kollision mit Verstappen.

Den Tifosi ist längst klar: Mit einer solchen Fehlerquote ist gegen einen Hamilton nichts auszurichten.

Sebastian Vettel liegt 100 Punkte hinter Lewis Hamilton.

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