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Australien-GP: Die fünf emotionalsten Momente

Von Mathias Brunner
Seit 1996 findet der Grosse Preis von Australien im quicklebendigen Melbourne statt. Der Australien-GP hat den Fans hochemotionale Momente beschert, wie unsere Erinnerungen aus «down under» zeigen.

Melbourne ist einer jener Austragungsorte, wo sich der Grand-Prix-Zirkus von Herzen willkommen fühlt. Eine Woche lang herrscht in der Stadt Ausnahmezustand, und die sportverrückten Melbornians sind voll bei der Sache. Den Fans wird im Albert-Park Donnerstag bis Sonntag vom Morgen bis am Abend Racing-Action geboten, so soll es sein!

Aber nicht immer wurde die Formel 1 hier mit offenen Armen empfangen, und das zeigt sich bei fünf Erinnerungen rund um den
Melbourne-Grand-Prix.

Handschellen und tote Fische
Das Rennen war zunächst umstritten, Umweltschützer nahmen den Sportanlass ins Visier und sparten nicht mit einfallsreichen Aktionen. Vor Jahren heckten die Aktivisten von «Rettet den Albert Park» (Save Albert Park = SAP) jedes Jahr etwas Neues aus: Renngegner blockierten den Weg zur Rennstrecke und brüllten die Ausländer aus voller Kehle an, als würden wir Pest und Cholera in die Stadt bringen.

Die fleissigen SAP-Mitarbeiter verteilten Flugblätter, ketteten sich ans Geländer der Boxengasse, schütteten tote Fische auf die Start/Ziel-Gerade (nein, wirklich!), der Phantasie waren offenbar keine Grenzen gesetzt. Ich habe immer gestaunt und bewundert, wie gelassen die australischen Polizisten vorgingen.

Später behaupteten die SAP-Aktivisten: Die Grand-Prix-Organisatoren fälschten die Zuschauerzahlen. Zudem begünstige der Anlass übermässigen Alkoholkonsum und zu schnelles Autofahren. Die Polizei blieb gleichmütig und verwies auf die Statistik: An einem durchschnittlichen GP-Wochenende gibt es auf dem Gelände bei 300.000 bis 350.000 Besuchern kein halbes Dutzend Festnahmen. Das ist jetzt kein besorgniserregender Prozentsatz.

Heute ist es um SAP ruhig geworden: Der Grand Prix gehört zum Leben der Melbournians wie das Tennis-Turnier «Australian Open» oder ein Ausflug an den Strand von St. Kilda. Und aus dem Albert-Park – vor der Formel 1 eine vergammelte Schande – ist ein echtes Schmuckstück geworden.

Angst um Martin Brundle
Kurve 3 ist die gefährlichste Ecke des Albert Park Circuit: Hier zerlegte Martin Brundle bei der GP-Premiere von Melbourne 1996 seinen Jordan, nachdem er beim Anbremsen mit dem Sauber von Johnny Herbert und dem McLaren von David Coulthard kollidiert war. Im Pressesaal guckten wir uns erschüttert an, und jeder Blick sagte: «Ich habe ein ganz mieses Gefühl.»

Dann aber krabbelte Brundle aus dem Totalschaden und eilte zurück Richtung Box, als wäre nichts passiert. Dort schlüpfte der unerschrockene Engländer ins Ersatzauto (das gab es damals), weit kam er beim zweiten Start aber nicht – Kollision mit dem Wagen von Pedro Diniz, Ausfall. Als Brundle später die Aufnahmen seines Sturfluges sah, war ihm der Ausfall egal. Er wusste, er hatte seinen zweiten Geburtstag gefeiert.

Mark Webber, der Siegerpodest-Pirat
Mark Webber wurde 2002 in seinem ersten Grand Prix Fünfter. Das war aus mehreren Perspektiven hochemotional: Minardi-Teambesitzer Paul Stoddart stammte aus Melbourne. Und Webber trug ein Auto ins Ziel, das an sich WM-punkteunfähig war. Siehe Startplatz 18 von 22. Mark entging aber dem üblichen Gerangel der Piloten auf dem tückischen Kurs und machte alles richtig.

Nach dem Rennen tauchten Webber und Stoddart urplötzlich auf dem Siegerpodest auf. Der Jubel der Fans war grösser als zuvor bei den drei Erstplatzierten Schumacher, Montoya und Räikkönen. Stoddart wedelte mit einem kleinen Känguruh in der Luft herum und hielt mit Webber die australische Flagge – kein trockenes Auge im Publikum. Eine Verletzung des Siegerpodestprotokolls ist bei der FIA kein Kavaliersdelikt, aber die Regelhüter reagierten mit gesundem Menschenverstand und schauten weg, als alle anderen hinschauten.

Skandal um Häkkinen und Coulthard
Piffe und Buhrufe nach dem Grossen Preis von Australien 1998, die Fans waren richtig sauer. Und das kam so: Mika Häkkinen führte vor David Coulthard, aber in Runde 36 kam der Finne überraschend zur Box. Er hatte einen Funkbefehl falsch verstanden. Mika fuhr ohne zu stoppen durch und ging gleich wieder ins Rennen, doch seine Führung war natürlich futsch. Neun Jahre später erzählte der damalige McLaren-Chef Ron Dennis, jemand habe sich in den Boxenfunk gehackt, um Häkkinen den falschen Befehl zu geben.

Kurz vor Schluss liess Coulthard seinen Teamgefährten vorbei. Auf der Start/Ziel-Geraden, damit es auch ja jeder sehen kann. Nach dem Rennen stellte sich heraus: Sie hatten vor dem Grand Prix vereinbart – wer nach der ersten Kurve führt, der bleibt vorne. Weil das Team fand, Mika habe die Führung nicht aus eigener Schuld verloren, gab es eine längere Funkdiskussion mit Coulthard. Der Schotte sagte Jahre später, er hätte nie klein beigeben dürfen. Weil damit die interne Hackordnung festgelegt worden sei.

Tod im Albert-Park
Im Jahr 2000 wurden Radseile in der Formel 1 zur Pflicht – sie verhindern im überwiegenden Teil der Unfälle, dass sich Räder vom Rennwagen lösen und jemanden erschlagen können. Die meist in der Schweiz hergestellten Seile aus Zylon verlaufen durch die Querlenker und sind am Radträger befestigt. Dennoch ging der Tod weiter in der Formel 1 um.

In Melbourne 2001 löste sich nach einer Kollision zwischen Ralf Schumacher (Williams) und Jacques Villeneuve (BAR-Honda) am Renner des Kanadiers ein Rad, es drang so unglücklich in eine Lücke im Zaun ein, dass es den Streckenposten Graham Beveridge tödlich verletzte.


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