Kiefer Racing & David Pickworth: Keine Stille Nacht

Kolumne von Günther Wiesinger
Die schlimmsten Befürchtungen haben sich bewahrheitet. Die Übernahme des Kiefer-Teams hat sich als Bluff herausgestellt.

Natürlich kann man jetzt behaupten: Das hat sich ja abgezeichnet.
Russische Investoren. Dazu David Pickworth, dem in der Branche bisher nicht der beste Ruf voraneilte.

Er habe in seiner Zeit als Motorsport-Manager viel geplant und wenig umgesetzt, hörten wir im Oktober von einigen seriösen Insidern, die ihn aus seiner Superbike-Zeit kennen.

Es fand sich im Oktober kein Gesprächspartner, der ein gutes Haar an ihm ließ.

Jahrelang war Pickworth im Motorsport nicht in Erscheinung getreten. Dann tauchte er mit der Tochter eines russischen Oligarchen beim GP von Österreich in Spielberg auf und lernte Sandro Cortese kennen.

Es dürfte eine Mischung aus Mitleid und Begeisterung gewesen sein, die ihn zu Sandro Cortese hinzog, der ein neues Team suchte. Vielleicht hat auch ein bisschen Promigeilheit und Geltungssucht mitgespielt, die Bekanntschaft mit einem Ex-Weltmeister macht sich immer gut.

Jedenfalls erschien Pickworth nachher auch beim Misano-GP und in Aragón, so erlebte er den vermeintlichen Moto2-Sieg von Aegerter bei Kiefer in Italien mit. Er überlegte und plante dann, mit Hilfe russischer Investoren das Kiefer-Team zu kaufen und für 2018 mit KTM und dem Fahrerduo Aegerter/Cortese zu bestücken.

Vier Stunden vor dem Herztod von Stefan Kiefer in Sepang am 26. Oktober wurde ein Vorvertrag unterschrieben, der Pickworth das Anrecht auf zwei Startplätze, den Teamnamen, die Historie und den Briefkopf zusicherte.

«Das Geld ist überwiesen worden», freute sich Dorna-Manager Carlos Ezpeleta beim Malaysia-GP.

Aber bald stellte sich heraus: Das Geld war auf einem Treuhandkonto in den Niederlanden geparkt.

Die Begeisterung der Beteiligten erlitt beim Valencia-GP einen ersten Dämpfer, als Pickworth nicht erschien. Er versicherte glaubhaft, er müsse zuerst die neuen Eigentumsverhältnisse klären und prüfen lassen, wer jetzt für die Teamanteile von Stefan Kiefer zeichnungsberechtigt sei.

Obwohl die Zeit kostbar war, wurden nachher Tage und Wochen vergeudet. Immer mehr Skepsis machte sich breit. Zuerst hieß es, man werde sich am Tag nach dem Begräbnis von Stefan Kiefer zusammensetzen. Aber Pickworth reiste nirgends hin. Dann beteuerte er, er müsse zuerst die Firma Consularis AG in Trübbach/CH kaufen, sie werde die Teamübernahme abwickeln und den Rennstall betreiben. Er werde Lkw kaufen und eine Hospitality. 

Dann wartete der in Wien lebende britische Investmentbanker auf Dokumente von Jochen Kiefer, die per DHL nach Wien geschickt wurden. Wieder verstrich eine Woche.

KTM zögerte die Bestellfrist hinaus – aus Loyalität Kiefer und den beiden Fahrern gegenüber.

Am 6. Dezember wurde endlich der KTM-Vertrag unterschrieben. Jens Hainbach von KTM machte aus seiner Skepsis trotzdem kein Geheimnis.

Doch Pickworth diskutierte mit KTM sogar über verschiedene Teammanager und kündigte an, er werde demnächst einen prominenten Teammanager präsentieren.

Gleichzeitig räumte ein, er habe Verständnis, wenn sein Tun mit argwöhnisch beäugt werde.

Pickworth am 6. Dezember 2017 gegenüber SPEEDWEEK.com: «Ja, ganz sicher. Natürlich sind alle hochgradig skeptisch. Sobald du das Wort 'Russland' aussprichst, schlägt dir Skepsis entgegen. Aber wir bewegen uns im Motorsport auf eine methodische, professionelle Art und Weise. Ich weiß, trotzdem stehen uns viele Menschen skeptisch gegenüber. Aber irgendwann werden die Zweifler einsehen, dass wir real existieren. Wir können jedoch die Art und Weise, wie die Menschen über uns denken, nicht beeinflussen. Alles was wir machen können: Wir können sehr professionell vorgehen. Und das werden wir tun.»

Trotzdem wollte niemand dem Frieden so richtig trauen.

Anderseits: Es gibt viele schräge Vögel im Fahrerlager, die sich seit Jahren irgendwie über Wasser halten.

Außerdem kennen wir ein Dutzend namhafter Fußballclubs, die von russischen Oligarchen gekauft wurden. Und auch der Nürburgring befindet sich längst in russischem Besitz.

Deshalb wurde die Herangehensweise von David Pickworth zwar mit Stirnrunzeln betrachtet, aber niemand wollte den Stab über ihn brechen, niemand wollte ihn vorverurteilen. Auch wenn der Engländer sein Alter nicht verraten wollte, wenn sein Twitter-Profil Fragen aufwirft und wenn er vollmundig ankündigte: «Wir werden nächstes Jahr viel Wodka in der Hospitality haben.»

Es galt die Unschuldsvermutung.

Und: Im Nachhinein ist man immer schlauer.

Welche Alternativen hätten Jochen Kiefer, Aegerter und Cortese gehabt?

Suter Industries hat die Kiefer-Saison 2017 mit rund 1 Million Euro mitfinanziert und am Saisonende den Stecker gezogen, weil diese Subventionen an die Substanz gingen. Kiefer wusste, ohne Suter-Support lassen sich wohl nicht einmal die rund 1,2 Millionen für Aegerter allein auftreiben.

Deshalb wurde auf Pickworth und die russischen Investoren gesetzt, obwohl dieser Deal von Anfang an mit viel Bauchweh verbunden war.

Jetzt weiß man: Es wäre für Kiefer sinnvoller gewesen, den Plan B ab September mit Vollgas voranzutreiben und zu versuchen, ein Ein-Fahrer-Team mit Domi Aegerter umzusetzen.

Denn heute ist es nach menschlichem Ermessen zu spät für den Plan B.

Für Sandro Cortese wäre es zielführender gewesen, ab Juli 400.000 bis 500.000 Euro bei seinen Sponsoren zusammenzukratzen und sich in ein renommiertes Team einzukaufen. Vielleicht hätten sogar Pickworth und seine Hintermänner ein paar Rubel besteuern können statt mit 2 oder 3 Millionen hochtrabende eigene Teampläne zu schmieden.

Vielleicht hätte Cortese rechtzeitig über einen Plan C nachdenken und als WM-18. zur Sicherheit mit der Supersport-WM anfreunden sollen. Randy Krummenacher hat sie 2016 auf Anhieb als WM-Dritter beendet.

Wenn der bedauernswerte Domi Aegerter als WM-Zwölfter jetzt sein Erspartes für die Moto2-WM 2018 investieren und zum Nulltarif fahren will, dann stellte sich für einen Profi-Rennfahrer die Frage, ob es nicht zielführender gewesen wäre, sich im Herbst einmal in der Superbike-WM umzuschauen.

Dort sind sieben Hersteller am Werk, deshalb verdienen Fahrer seines Kalibers (drei Podestplätze beim Suzuka Eight Hour Race) dort jederzeit zwischen 300.000 bis 500.000 Euro.

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