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Gilles Bigot zu Tom Lüthi: «Er hatte Kopf nicht frei»

Von Günther Wiesinger
«Ich wünsche mir, wir hätten in der MotoGP besser abgeschnitten», sagt Tom Lüthis Crew-Chief Gilles Bigot. Der Franzose analysiert die Hintergründe und übt leise Kritik.

Nach drei Jahren trennen sich die Wege des französischen Crew-Chiefs Gilles Bigot und Tom Lüthis. 2016 und 2017 hat das Duo jeweils den zweiten Rang in der Moto2-Weltmeisterschaft erobert. Doch die Saison 2018 in der MotoGP-Klasse blieb erfolglos. Jetzt kam es zur Trennung «Tom hat mich spät gefragt, ob ich ihn zu Intact begleite. Marc VDS wollte aber am Montag nach dem Brünn-GP eine Entscheidung, also bin ich dort geblieben», schildert Bigot, der 2019 für den Spanier Xavi Vierge arbeiten wird. Für genau jenen Fahrer, den Lüthi bei Intact ersetzt.

Tom Lüthi beteuert, das Verhältnis zu Bigot habe in der vergangenen Saison nicht gelitten. Der 62-jährige Techniker, der 1999 schon bei Repsol-Honda mit Alex Crivillé die 500-ccm-Weltmeisterschaft gewonnen hat, grübelt selbst über die Ursachen der schwachen Performance 2018 – mit null Punkten.

Bigot: «Es hat sich wieder gezeigt, wenn du im Motorrad-GP-Sport starke Leistungen zeigen willst, brauchst du einen freien Kopf. Sobald du durch irgendwelche äußeren Einwirkungen gestört wirst, fehlen dir zwei oder drei Prozent deiner maximalen Performance. Und das reicht schon! Besonders in der MotoGP schlägt sich jeder kleine Fehler viel deutlicher zu Buche als in der Moto2. In der Mittelgewichtsklasse kannst du dir ein paar kleine Fehler erlauben. Es ist dann einfacher, wieder die richtige Set-up-Richtung einzuschlagen und zu finden. In der MotoGP ist es vorbei, sobald du bei der Abstimmung ein bisschen daneben liegst. Du musst sehr, sehr präzise sein. Wenn du in der MotoGP das Gas aufdrehst, brauchst du Grip und ein stabiles Motorrad. Nur wenn du Marc Márquez heißt, kannst du auch ein nicht optimal abgestimmtes Motorrad bändigen. Er kann fast alle Rutscher abfangen. Aber so einen Fahrer gibt es nur einmal.»

Gilles Bigot bedauert heute, dass Tom Lüthi im letzten Januar beim ersten 2018-Test bereits mit einem deutlichen Rückstand in die «premier class» eingestiegen ist. Denn wegen einer Fußverletzung von Sepang 2017 hat er die Tests in Valencia und Jerez im November 2017 versäumt.

«Nachher hieß es bald, Hafizh Syahrin sei in der MotoGP viel besser zurechtgekommen als Tom. Ich stimme nicht zu. Ich behaupte: Er hat mit der Tech3-Yamaha ein viel besseres Motorrad gehabt als Tom. Wir hatten einen Data-Ingenieure im Team, der uns immer wieder erklärte, die Yamaha sei viel benutzerfreundlicher als die 2017-Honda», erzählte Gilles.

Aber insgesamt zieht Gilles Bigot eine positive Bilanz der dreijährigen Zusammenarbeit mit Tom Lüthi. Das Duo hat in der Moto2-WM im Schweizer CGBM-Team sechs Siege, sechs zweite und vier dritte Plätze erobert und dazu zweimal den zweiten WM-Rang erkämpft – 2016 und 2017.

«Ich bin konstant vorne mitgefahren, aber ich habe mich nie wirklich durchgesetzt», lautet die Bilanz von Tom Lüthi. «Ich war gut und bin vorne mitgefahren. Darauf bin ich stolz. Aber am Saisonende bin ich in der Moto2-WM nie ganz oben gestanden. Ich konnte nie behaupten: An mir kommt keiner vorbei.»

Deshalb konzentriert sich Tom Lüthi mit 32 Jahren noch einmal auf die Moto2-WM. «Ich habe bei Intact einen Zwei-Jahres-Vertrag unterschrieben, ohne Ausstiegsklausel, wenn für 2010 ein MotoGP-Angebot kommen sollte», schildert der Schweizer. «Ich will mich ganz auf die Moto2-WM konzentrieren.»

Seit 2005 hat Tom Lüthi keinen WM-Titel gewonnen. Viele Chancen bekomt er nicht mehr. Nicht zuletzt deshalb hat der Berner letzte Woche drei Tage lang in Almeria mit einer BMW S1000RR trainiert, sein neuer Riding Coach Alvaró Molina hat ihn begleitet. «Vor dem nächsten Moto2-Test am 10. Februar in Jerez werde ich noch einmal runterfliegen und trainieren», kündigte der 16-fache GP-Sieger an.

Gilles Bigot wird die Zusammenarbeit mit dem populären Schweizer in guter Erinnerung behalten. «Wir hatten Erfolg. Ich wünsche mir, dass wir 2018 ein bisschen besser abgeschnitten hätten… Aber es gab zu viele Nackenschläge und Enttäuschungen, zum Beispiel die Ungewissheit im Marc VDS-Team. Dadurch konnte Tom sein übliches Können als Fahrer nicht entfalten. Er hatte zu viele Dinge im Kopf, die ihn aus dem Konzept brachten. Jeder Fahrer will bei Saisonmitte wissen, wo er im folgenden Jahr fahren wird. Tom hat lange gedacht, er könne bei Marc VDS bleiben, zumindest in der Moto2. Aber plötzlich fiel diese Türe im August für ihn zu. Er hat sich natürlich Sorgen gemacht, das hat ihn von der eigentlichen Aufgabe in der MotoGP etwas abgelenkt, Er war nicht mehr zu 100 Prozent bei der Sache. Du vergisst dann, dich auf das aktuelle Rennen zu konzentrieren. Das sollte nicht passieren es ist aber schon vielen anderen Piloten widerfahren. Tom beklagte sich im Sommer: ‚Ich habe keinen Vertrag für 2019.‘ Ich habe ihm entgegnet: ‚Aber du hast ein Motorrad hier in der Box. Also bemühe dich, deine MotoGP-Saison zu genießen.‘»

«Ich habe schon oft von meinen Fahrern gehört, es sei nicht immer leicht, Freude am Fahren zu haben, wenn einiges schiefgeht», sagt Bigot. «Das stimmt. Ich verstehe das. Aber wenn du dich in diesem Sport durchsetzen willst, musst du im Kopf sehr stark sein. Denn das Motorradrennfahren ist gefährlich, es verlangt dir also mental viel ab. Wenn in diesem Sport nicht alles perfekt läuft, musst du trotzdem Risiken eingehen. Das ist nicht einfach. Ich kann mir das gut vorstellen.»

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