Jeremy Burgess: «Vier Jahre nach Regenbogen gejagt»

Von Günther Wiesinger
Ist Jeremy Burgess ein Bauernopfer? Muss er den Sündenbock spielen? Wir haben uns mit dem Weltmeister-Macher unterhalten.

Jeremy Burgess war wie vom Blitz getroffen, als ihm Valentino Rossi am Donnerstag die Kündigung mitteilte. Der Australier hat immer offen seine Meinung gesagt. In Assen 2012 machte er kein Geheimnis aus seiner Meinung, Rossi habe im zweiten Ducati-Jahr die Motivation verloren. Und kürzlich hat er gesagt: «Es wird ein Wunder nötig sein, wenn Valentino noch einmal Weltmeister werden will.»

Jeremy, wie fühlst du dich? Und hast du für deinen Spruch mit dem Wunder die Rechnung quittiert bekommen?

Schau, natürlich habe ich diese Kündigung nicht erwartet, sie hat mich wie ein Blitz getroffen. Aber ich habe gleich gewusst, dass sich Valentino nicht mit mir über meinen Weihnachtsbonus unterhalten will, als er mich am Donnerstag hier zu einer Unterredung ins Motorhome gebeten hat...
Ausserdem muss ich zu meinem Ausspruch eines festhalten, der wurde manchmal etwas aus dem Zusammenhang gerissen.
Wörtlich habe ich gesagt: «Wir werden die Weltmeisterschaft nicht gewinnen, bevor wir nicht wieder regelmässig Rennen gewinnen und dauernd auf das Podium fahren.» Das war mein Statement. Ich glaube nicht, dass mir diese Aussage jetzt zum Verhängnis geworden ist.
Es ist ein alter Hut: Du musst Rennen gewinnen, bevor du Meisterschaften gewinnst.

Wirst du weiter im MotoGP-Paddock arbeiten?

Ich habe bis zu diesem Zeitpunkt noch überhaupt keine Zukunftspläne gemacht. Mein ursprünglicher Plan hat so ausgesehen, dass ich 2014 mit Valentino weitermache.
Aber unsere Verträge erstrecken sich immer über ein Jahr. Alles hängt von den Ergebnissen und vom Verlangen ab. Also gibt es für den Partner immer die Freiheit, den Vertrag nicht zu verlängern.
Wir haben jetzt vier Jahre lang Regenbogen gejagt... Wir haben in vier Jahren nichts Vernünftiges erreicht. Das sind lange Perioden, besonders im Rennsport. In solchen Phasen wird es schwieriger und schwieriger.
Ich habe viele Biografien von Spitzensportlern gelesen. Deshalb war mir bewusst, dass sie sich oft einen neuen Caddy oder Coach suchen, wenn sich ihre Karriere dem Ende zuneigt.
Das ist jetzt auch hier passiert. Wir haben vier Jahre lang versucht, die Probleme zu lösen. Das war jetzt der nächste Schritt beim Versuch, Valentino wieder zurück an die Spitze zu bringen. Damit er seine Karriere um zwei weitere Jahre ausdehnen kann.

Hättest du die Kündigung lieber erst nach diesem WM-Lauf erhalten?

Nein, mir ist es so lieber. Das ist eine viel bessere Methode, als plötzlich am Sonntag rausgeschmissen zu werden. Ich fühle mich wohler, als wenn ich am Sonntag nach dem Rennen den Laufpass bekommen hätte.
Jetzt weiss ich, woran ich bin.

Was sind deiner Erinnerung nach die besten Rennen von Valentino in den 14 Jahren eurer Zusammenarbeit?

Da gibt es viele. Ganz klar Welkom 2004, das erste Rennen auf Yamaha, der erste Sieg... Phillip Island, als Valentino wegen Missachtung der gelben Flagge eine Zeitstrafe bekam und trotzdem gewann. Auch die ganzen Titelgewinne mit Yamaha waren grossartig.

Du wirkst, als hättest du einen Schlag gegen deine Zähne bekommen. Musst du am Montag den Zahnarzt aufsuchen?

(Er bemüht sich um ein Lächeln). Natürlich bin ich enttäuscht. Aber ich verstehe, dass gewisse Änderungen nötig sind.
Die Zukunft wird zeigen, welche Ergebnisse diese Änderungen nach sich ziehen. Klar, es wird alles versucht, um das Gesamtpaket für Valentino schlagkräftiger zu machen.
Wenn sich diese Entscheidung als die richtige Lösung herausstellt, dann betrachte ich sie als Erfolg.

Wie fühlst du dich?

Es waren 14 Jahre. Wir haben in der Königsklasse gemeinsam 80 GP-Siege gefeiert. Das sind durchschnittlich 5,7 Siege pro Saison.
Was wir erreicht haben, ist aussergewöhnlich. Ich habe jede Sekunde genossen.
Aber mir war bewusst, dass ich mit 60 Jahren ans Ende meiner Karriere komme. Ich habe mir immer Gedanken über eine Exit-Strategie gemacht. Da habe ich Valentinos Konkurrenzfähigkeit zu Grunde gelegt und die Jahre, die er noch in der MotoGP-Klasse verbringen will. Die australische Gold Coast ist jedes Jahr ein Stück näher gerückt.
Deshalb kann ich jetzt mit dieser Entscheidung leben.

Letztes Jahr hast du in Assen öffentlich die Motivation von Valentino angezweifelt, weil er sich von einem Training zum andern mit der Ducati nicht gesteigert hat. Da waren erste Anzeichen einer Zerrüttung zu spüren. War die Ducati-Zeit der Anfang vom Ende?

Ich weiss nicht, ob das der Anfang vom Ende war... Aber die Ducati-Ära, das waren sicherlich zwei sehr schwierige Jahre für Valentino. Wir haben den erwarteten Erfolg nicht zustande gebracht.
Die Rückkehr zu Yamaha war fantastisch. Valentino hat sich mit diesem Motorrad und mit dem Team sehr rasch wieder angefreundet. Valentino hat sich für die nächste Saison eine gute Ausgangslage geschaffen.

Was waren die Tiefpunkte in den 14 Jahren der Zusammenarbeit mit Valentino?

Mir fällt kein Tiefpunkt ein. Es waren 14 sehr gute Jahre.
Ach, ich habe beinahe Katar 2004 vergessen. Die Folgen unserer Startplatzreinigung... Das war ein Augenblick, da haben wir nicht genug nachgedacht. (Red.: Das Gresini-Team von Gibernau protestierte damals, Rossi wurde auf den letzten Startplatz zurück versetzt und stürzte bei der Aufholjagd im Rennen).

Du bist mit Gardner, Doohan und Rossi Weltmeister geworden. Wer von ihnen ist der Grösste?

Sehr schwierige Frage. Aber man wird zu keinem Zeitpunkt in der Zukunft über den Motorradrennsport plaudern können, ohne den Namen Valentino Rossi zu erwähnen. Er hat in allen drei Kategorien Weltmeisterschaften gewonnen. Das erhebt ihn in eine auserwählte Gruppe von Rennfahrern, der Gardner und Doohan nicht angehören.

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