Wenn Platz 2 das Beste ist, was du kriegen kannst

Kolumne von Michael Scott
Marc Márquez dominierte die ersten fünf Saisonrennen und führt die WM-Tabelle mit stolzen 42 Punkten Vorsprung an. Für die anderen Piloten scheint der zweite Platz derzeit das Maximum zu sein.

In fünf Rennen feierte Marc Márquez fünf Siege, als sei das selbstverständlich. Sein Ziel ist es, noch viel mehr zu gewinnen, vielleicht sogar jedes Rennen der Saison. Sein Fahrstil vereint einen tollkühnen Speed mit immer ausgereifteren Taktiken. Ihn in Aktion zu sehen, ist etwas Besonderes.

Er hat den Standard der MotoGP-Klasse angehoben, waghalsige Überholmanöver wieder eingeführt und gezeigt, dass die Exzellenz der letzten Jahre gar nicht so exzellent war. Derzeit sieht es so aus, als könnte dies über Jahre so weitergehen. Doch es könnte sich natürlich auch alles auf einen Schlag verändern. Zu seinem Wohl wollen wir das nicht hoffen.

Der Gedanke an eine neue Ära der Dominanz und Berechenbarkeit alarmierte viele Motorsport-Fans. Manche benutzen sogar das Wort langweilig. Als könnte dieses Level des Rennsports je so bezeichnet werden.

Andere sind weniger besorgt. Sie haben es genossen, als Rossi dominiert hat und viele haben bereits erkannt, dass Márquez mindestens halb so liebenswert wie sein Vorgänger ist und mit ihm in Sachen Popularität gleichziehen kann. Márquez lacht viel und trotz seiner Empfänglichkeit für eingeübt wirkende Aussagen, hat er auch Sinn für Humor. Er ist erst 21 Jahre alt und hat noch viel Zeit. Die Marke VR46 hat sich etabliert, doch die Marke MM93 steht erst am Anfang.

Rossi versus Márquez

Rossi erkennt dieses Potenzial, was die Pressekonferenz nach dem Rennen in Le Mans zeigte. Sie war von der gegenseitigen Liebe zweier Männer geprägt. Rossi verlor Platz 1, weil er weit gehen musste und verkündete freudig, dass er mit Márquez gekämpft hätte, wenn ihm nicht dieser Fehler unterlaufen wäre. Es war auffällig, wie glücklich Rossi mit Platz 2 war. Dieses Ergebnis fuhr er in fünf Rennen bereits dreimal ein.

Hmm, es gab einige Situationen mit einem engen Kampf und während Rossis Karriere einen goldenen Herbst genießt, ist das Resultat immer dasselbe: Rossi überquert hinter Márquez die Ziellinie.

Er war der beste Yamaha-Pilot und mit viel Vorsprung der beste Oldie. Noch wichtiger: Er war «best of the rest». Das ist wohl das höchste der Gefühle in der zweiten Saison des neuen MotoGP-Superstars.

Was wurde aus dem Credo von Barry Sheene, das auch von Kenny Roberts, dem letzten Rookie-Champion 1978, bekräftigt wurde? Damals war der Zweite nur der erste Verlierer.

Abgesehen von Stoner, Lorenzo, den beiden Ducati-Jahren und der nicht besonders erfolgreichen Rückkehr zu Yamaha 2013 ist Rossi noch immer die Gallionsfigur der MotoGP-WM.

Der alte und der neue König

Doch auch wenn er seinen Vertrag mit Yamaha bis 2016, dann wird er 37 Jahre alt sein, verlängert, geht seine Herrschaft zu Ende. Wir erleben derzeit die anmutige und sportliche Übergabe des Zepters.

Vor seinem Heim-GP auf seiner Lieblingsstrecke Mugello räumte Rossi ein: «Ich wäre gerne 22 statt 35.» Márquez unterbrach ihn. «In Mugello wird er 22 Jahre alt sein», erklärte Márquez mit einem erfrischenden Lachen, beidseitiger Bewunderung und absoluter Begeisterung. Der alte und der neue König teilen eine wichtige und gewinnende Eigenschaft: Sie versprühen beide ihre Freude am Rennsport.

Aus diesem und anderen Gründen kann Rossi seine Niederlage mit einem Lächeln hinnehmen. Lorenzo gelingt das nicht. Seine Reaktion ist es, sich in eisige Ruhe zurückzuziehen. Pedrosa scheint im Gegensatz nahezu erleichtert. Sein Auftreten wirkt in diesem Jahr entspannter, denn die Bürde der Verantwortung für den Honda-Erfolg ist von seinen schmalen Schultern genommen worden. Für alle anderen Fahrer ist der Gedanke an den zweiten Platz bereits eine große Anstrengung.

Der 250-ccm- und Superbike-Weltmeister John Kocinski, der damals für Roberts antrat, wies den «Erster Verlierer»-Glaubenssatz seines Mentors zurück. Nach einer Niederlage bestand er darauf, nicht verloren zu haben, sondern einfach Zweiter geworden zu sein.

In jüngerer Vergangenheit erinnern sich GP-Kenner an das Pressestatement des damaligen Suzuki-Teammanagers Paul Denning, als Kenny Roberts 2005 in Donington hinter Rossi Zweiter wurde. «Valentino ist so gut, dass dies wie ein Sieg ist.»

Das ist es natürlich nicht. Man lernt nur, klein beizugeben und sich dabei nicht selbst zu verlieren. Dies ist auch die bittersüße Pille, welche die anderen Fahrer 2014 schlucken müssen. Doch das Letzte was sie tun wollen, ist: Es jemand anderen wissen zu lassen.

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