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NRT Yamaha vor dem Ende: Nichts als leere Versprechen

Von Ivo Schützbach
Seit dreieinhalb Monaten vertröstet der Inder Vafi Khan, Eigentümer der Supersport-WM-Truppe NRT Yamaha, seine Mitarbeiter wegen der Gehälter. So wird es nicht weitergehen, der Bruch steht an.

Ende April bekamen die Angestellten des Nerds Racing Teams letztmals von Eigentümer Vafi Khan Geld bezahlt. Der Inder betreibt in Dubai ein Motorradgeschäft und ist dieses Jahr mit Hilfe von einigen renommierten Technikern in die Supersport-WM eingestiegen. Nach acht von zwölf Rennen liegt Jules Cluzel mit 133 Punkten nur fünf hinter WM-Leader Sandro Cortese auf Platz 2. Der Franzose brauste dieses Jahr schon fünfmal aufs Podium, dreimal als Sieger. Teamkollege Thomas Gradinger aus Österreich fährt eine hervorragende Debütsaison, konnte in sechs Rennen in den Top-12 punkten und ist vor dem letzten Saisondrittel WM-Neunter.

Bereits Anfang Juli stand das Team vor dem Rennen in Misano vor dem Auseinanderbrechen. Doch Vafi Khan, der 29-Jährige war letztmals in Donington Park Ende Mai persönlich vor Ort, vertröstete die Teammitglieder wiederholt. Weil Jules Cluzel die Chance hat Weltmeister zu werden, siegte bei den Teammitgliedern immer der grenzenlose Enthusiasmus.

Bis jetzt.

Es zeichnet sich ab, dass es in den kommenden Tagen den großen Schlag tut.

Andrea Ballerini erklärte gegenüber den Kollegen von GPone.com, dass sich er und andere Teammitglieder nach einem neuen Job umsehen. Der 125er-GP-Sieger von Phillip Island 2003 sagte außerdem, dass das Team «höchstwahrscheinlich nicht nach Portimao geht, die Situation ist unhaltbar. Seit dem Rennen in Imola haben wir nichts weiter bekommen als ständige Zusicherungen.»

Vafi Khan hat auch gegenüber SPEEDWEEK.com mehrfach Aussagen getätigt, die nachweislich unwahr sind. Am 19. Juli 2018 sagte Khan, er habe sämtliche ausstehenden Gehälter überwiesen. Bis zum heutigen 16. August 2018 hat keines der Teammitglieder sein Geld für die letzten Rennen erhalten.

Einige Teammitglieder schilderten Khan die verzweifelte Situation jetzt in einem letzten Versuch erneut. Pro Kopf stehen inzwischen fünfstellige Euro-Beträge aus, von Gesamtverbindlichkeiten in der Größenordnung von 150.000 Euro ist die Rede. Die Teammitglieder arbeiten inzwischen seit über 100 Tagen gratis, Mieten bezahlen sich aber nicht von alleine, Kühlschränke füllen sich nicht von Geisterhand. Bekommen die Mitarbeiter ihr Geld nicht die kommenden Tage, ist das Nerds Racing Team Geschichte.

Abhängig von den Zahlungen

Khan steht kurz davor, seine Glaubwürdigkeit und Reputation im SBK-Fahrerlager vollends zu verlieren. Dabei teilte er Anfang August SPEEDWEEK.com schriftlich mit: «Niemand mag es, wenn die eigene Reputation leidet. Ich weiß, dass die Familien meiner Teammitglieder von meinen Zahlungen abhängig sind. Ich versuche alles zu regeln.»

Khan schiebt fadenscheinige Gründe vor, weshalb er nicht bezahlt. Er sprach von einer Buchprüfung, die seine Firma anscheinend wochenlang zahlungsunfähig machte.

Was er hingegen nicht erwähnte, sind staatsanwaltliche Ermittlungen gegen seine Firma Nerds Motorcycle Repairing Garage LLC ist in Dubai. Ein Hobbyrennfahrer kam Medienberichten zufolge mit einem Motorrad von ihm ums Leben, weil anscheinend die Bremsanlage versagt haben soll. Die polizeilichen Ermittlungen laufen, es gilt die Unschuldsvermutung.

Weil er nach eigenen Aussagen seit Monaten kein Geld von Dubai zu seinen Angestellten nach Europa schicken kann, versuchte er dies von Indien aus – behauptet er. Angekommen ist bis heute nichts. Vafi Khans Vater, ein erfolgreicher indischer Geschäftsmann, soll millionenschwer sein. Wie sehr er bereit ist, für die Umtriebe seines Sohnes gerade zu stehen, ist unklar.

«Abgesehen von der ersten Zahlung an die Dorna, kam jegliches Geld von seinem Vater und nicht von Vafi», sagte der ehemalige Teammanager Gary Reynders im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Der Sohn ist nur der Mittelsmann.»

Unklar ist die sportliche Zukunft der bemitleidenswerten Fahrer Jules Cluzel und Thomas Gradinger.

Cluzel hat dem Vernehmen nach sein Gehalt bekommen, der Franzose wartet aber auf ausstehende Bonuszahlungen. Ihm ist bewusst: Verlässt er das Team, sieht er dieses Geld nie.

Bei Kawasaki Puccetti sind die Türen für Cluzel zugefallen, dort wurde Hector Barbera als Nachfolger von Kenan Sofuoglu verpflichtet. Wird er bei NRT arbeitslos, könnte der WM-Zweite eventuell beim Yamaha-Team GMT94 andocken. Teameigentümer Christophe Guyot hat seinem Landsmann Hilfe in Aussicht gestellt.

Gradinger musste bei NRT um die 100.000 Euro für die Saison 2018 abliefern. Wird das Team vor Saisonende zugesperrt, gehört der 22-Jährige zu den am schlimmsten Betrogenen.

Mitte September geht die Supersport-WM ins letzte Saisondrittel. Nach Portimao und Magny-Cours kommen noch zwei Überseerennen in Argentinien und Katar. Dem Team läuft die Zeit davon. Die Motorräder müssen vorbereitet und vor Argentinien die Motoren revidiert werden. Von Frankreich aus wird das gesamte Material nach Argentinien verschickt. Für die Mitarbeiter von NRT macht die Fortsetzung der Arbeit in Portimao nur dann Sinn, wenn garantiert ist, dass die Saison bis zum Ende bestritten werden kann und sie dafür auch bezahlt werden.

Von WM-Promoter Dorna darf Khan keine Hilfe erwarten: Seine Zahlungsmoral gegenüber den Teammitgliedern hat bei der spanischen Agentur die letzten Monate für große Verstimmung gesorgt. Aus Barcelona ist außerdem zu hören, dass die finale Rate für Reifen und Clinica Mobile, die am 22. Juli fällig wurde, unbezahlt ist.

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