MotoGP-Finale: Verschiebung, Verlegung, Absage?

Matthias Walkner: «Daniel Sanders ist mein Held!»

Von Werner Jessner
Der Dakar-Sieger aus Österreich analysiert die Dakar 2024 aus dem Spitalsbett: Seine Helden, seine Momente, und was KTM braucht, um wieder an die Spitze zurückzukehren.

Seit 2001 hat KTM die härteste Rallye der Welt 19-mal gewonnen. Nimmt man Sam Sunderlands Sieg 2022 auf der GASGAS dazu, gab es nur zwei Jahre, in denen ein Fremd-Fabrikat gewinnen konnte: Honda in den Jahren 2020 und 2021. Man kann sich vorstellen, dass das Ergebnis 2024 in Mattighofen/Munderfing ein größeres Umdenken auslösen wird: Zwei Hondas auf dem Podest, außerdem der indische Hersteller Hero. 38 Minuten Rückstand auf die Spitze – selbst bei allem Verletzungspech und dem Ausfall von Sam Sunderland durch eine nicht ordnungsgemäß angezogene Öl-Ablassschraube und daraus resultierendem Motorschaden: das Ergebnis liegt deutlich unter den Erwartungen des jahrzehntelang dominanten Teams aus Österreich.

Es wird ein neues Motorrad brauchen, um gegen die erstarkte Konkurrenz bestehen zu können. Während die 450 Rally auf Sand einigermaßen mit bei der Musik war, fassten die Fahrer der Pierer Mobility Group umso mehr Rückstand auf, je ruppiger das Terrain wurde.

Matthias Walkner war während der gesamten Dakar in engem Austausch mit seinem Team. Via Whatsapp & Co. war er direkt an alle Team-Kanäle angebunden. Wir baten ihn um seine Analyse einer Dakar, die er sich aus vielerlei Gründen anders vorgestellt hatte.

 

 

 

Wie sieht die sportliche Bilanz dieser Dakar aus deiner Sicht aus?

Wir wissen alle, dass das nicht unser Anspruch ist. Es war das schlechteste Ergebnis für KTM seit 23 Jahren. Da braucht man nichts zu beschönigen. Es ist nichts, was wir uns erwartet hatten. Aber das Ergebnis spiegelt die Realität wider: Wir sind weiter weg von Honda als gedacht. Die haben mit ihrem neuen Motorrad einen richtig, richtig guten Job gemacht. Und fairerweise muss man auch Hero gratulieren: Ross Branch hatte bis zum vorletzten Tag die Chance, die Gesamtwertung zu gewinnen. Sehr beeindruckend, was dieser indische Hersteller, der mit einer kleinen Mannschaft aus Rosenheim operiert, auf dieser Dakar zusammengebracht hat.

 

Was kann KTM aus dieser Niederlage lernen?

Wichtig ist aus meiner Sicht, mehr auf die Fahrer einzugehen. Unsere Probleme und Defizite am Bike kennen wir seit 3 Jahren. Wir haben uns zwar beständig verbessert, aber wie es aussieht, waren die Schritte viel zu klein. Jetzt müssen wir etwas Radikales machen. Im Moment kämpfen mit stumpfen Waffen Vergleich zur Konkurrenz.

 

Wie ändert man das?

Wichtig wäre, dass wir uns alle zusammensetzen und an den richtigen Schrauben drehen, um lösungsorientiert zu denken. Wenn das wer kann, dann ist das KTM. Unsere Leute haben das Know-how, innerhalb kürzester Zeit ein gewaltiges Bike aus dem Boden zu stampfen. Wir haben mega-viele gute Leute in der Firma, auch durch Synergien und neues Wissen aus der MotoGP. Wenn sich die relevanten Leute mit uns Fahrern zusammensetzen und uns genau zuhören bin ich ganz fest davon überzeugt, dass wir 2025 wieder um den Sieg kämpfen werden.

 

Wer ist dein persönlicher Dakar-Held?

Schwierig, nur eine Person zu nennen. Für mich ist jeder einzelne, der die Dakar finisht, ein Held, ausnahmslos! Aber logischerweise ist mein Kontakt zu den Teamkollegen am engsten. Wir haben täglich miteinander geschrieben. Ich habe mit ihnen mitgelitten und hautnah erlebt, wie sie täglich alles gegeben haben. Und trotzdem konnten sie mit dieser enormen Pace nicht mit. Mein größter Held war vielleicht Daniel Sanders auf seiner GASGAS. Wenn man seinen Oberschenkel-Bruch vor einem halben Jahr gesehen hat und die Röntgen-Bilder kennt, wenn man weiß, dass er erst einen Monat vor der Dakar mit der Vorbereitung beginnen konnte, wenn man weiß, dass der Oberschenkel noch immer nicht vollständig verheilt ist, wenn man das Risiko der Folgen eines Sturzes abschätzen kann: das hat er echt gewaltig gemacht.

 

Hättest du geglaubt, dass er die Dakar finishen kann?

Ich war nicht einmal sicher, ob er sie überhaupt starten kann! Aber er hat die Zähne zusammengebissen und das durchgezogen. Was für ein Fighter! Und das sage ich nicht nur, weil wir wirklich gut befreundet sind und er mein Camper-Buddy ist. Die Aktion mit der Walkner-Puppe im Fahrerlager, in deren Person der er mich quasi mitgenommen hat – Daniel ist einfach ein Supertyp, und ich bin wahnsinnig stolz auf seine Leistung. Auch ein Held für mich: Wie Underdog Ross Branch gegen die Goliaths performt hat, ist gewaltig. Kevin Benavides hat sich einen Tag vor meiner Verletzung das Schienbein gebrochen, ist sofort heim und hat das rasch zusammenschrauben lassen – auch keine ideale Vorbereitung. Und jetzt ist er der beste Fahrer der Pierer Mobility Group. Respekt und Hochachtung auch vor ihm. Man sieht, aus welchem Holz er geschnitzt ist.

 

Hast du einen persönlichen Wow-Moment, als du gedacht hast: Wie geht denn das?

Der erste Tag, als Ross Branch der gesamten Meute 10 Minuten gegeben hat, war sehr beeindruckend. Wenn man sieht, dass das Podium zum Schluss, nach zwei Wochen Renndauer, gerade durch 12 Minuten getrennt ist, erkennt man, was für eine Hausnummer das war – auch weil sich an diesem Tag sämtliche Fahrer gute Start-Positionen aussuchen konnten. Und Mason Kleins Leistung zu Beginn möchte ich erwähnen. Er ist von KTM zum chinesischen Hersteller Kove gewechselt. Er musste vornweg fahren und navigieren. Seine Leistung hätte ich ihm auf diesem Paket nicht zugetraut.

 

Wie schätzt du die Leistung von Tobias Ebster ein?

Kleinigkeiten wie Stürze mit ihren Folgen, Kinderkrankheiten wie sie jeder auf seiner ersten Dakar erlebt – all das ist völlig normal und gehört zu jeder Dakar-Premiere. Tobias Ebster hat sich sehr, sehr passabel geschlagen. Er hat jeden Tag sein Bestes gegeben, konnte Akzente setzen und vor allem hat mir getaugt, mit welcher Freude und welchem Funkeln in den Augen er seine erste Dakar bewältigt hat. Er darf sehr, sehr stolz darauf sein, das Ziel erreicht zu haben. Wenn er so weitermacht, hat er eine gute Zukunft in diesem so schwierigen und harten Sport vor sich.

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