Der «Patron» Herbert Schnitzer ist 80
Herbert Schnitzer 2001 mit Charly Lamm
Am 5. Juni feiert mit Herbert Schnitzer ein Urgestein des Tourenwagen- und GT-Sports 80. Geburtstag. Der Name Schnitzer steht seit 1963 für Spitzenleistungen im Motorsport, mehr als 50 Jahre flitzten die Rennautos mit dem schnellen, schräg gestellten Schriftzug auf der Frontscheibe dort, wo es weltweit was zu gewinnen gibt. Häufig genug überqueren sie als Erste den Zielstrich. Und Herbert Schnitzer hatte immer den Überblick!
Gerhard Berger nennt Herbert «die Seele» der Schnitzer-Truppe. Herbert Schnitzer war zu seiner Zeit immer der Patron dieser Familie. «Ein knochenharter Geschäftsmann, der sich aber nicht zu gut war, um 24 Stunden lang die Rundentabelle zu führen» (Dieter Quester).
Herberts Lebensgeschichte in Steno: Geboren in Freilassing, wie sein zwei Jahre älterer Bruder Josef lernt er im elterlichen, später vom Stiefvater geleiteten Betrieb das Kfz-Handwerk. 1966 übernehmen die Brüder die BMW Vertretung, ein Jahr später gründen sie die Rennabteilung und das Team Schnitzer. Inzwischen hat der Bruder sein Ingenieurstudium abgeschlossen und schickt sich erfolgreich an, im selbst frisierten BMW 1800 TISA und im BMW 2000ti Deutscher Rundstreckenmeister zu werden. Von da an bilden die Schnitzer-Brothers die Doppelspitze des Familienunternehmens.
Während Josef ebenso eigensinnige wie erfolgreiche technische Meisterleistungen vollbringt, sorgt Herbert dafür, dass «der Laden» - Autohaus und Rennteam - «brummt».
Technische Eckpfeiler des oberbayerischen Teamworks sind der mutige Schritt eines eigenen BMW Formel 2-Motors (Europameister Jacques Lafitte siegte 1975 mit Schnitzer-Power) und der Einzug der Turbotechnik in die kleine Division der Deutschen Rennsport-Meisterschaft 1977. Umso schwerer trifft Herbert der Unfalltod des genialen Bruders 1978. Es spricht Bände über den Geist im Team, wenn allemann in «jetzt erst recht»-Manier loslegen und im selben Jahr mit Harald Ertl Deutscher Rennsportmeister werden.
Gewissermaßen als Auftakt zu einer Sammlung von Meisterschaften ohnegleichen. Überall, wo BMW um sportliche Erfolge bemüht ist, verrichtet das Team Schnitzer schnellen, soliden Dienst und meldete stetig: Auftrag ausgeführt, Tourenwagen-Europa- und Weltmeisterschaft, Deutsche, Italienische, Britische, Japanische, Asien Pazifik-Tourenwagen-Meisterschaft, American Le Mans-Series - alles gewonnen!
Dann entwickeln die Schnitzers, Herbert und seine Halbbrüder Dieter und Karl («Charly») Lamm, der seit vielen Jahren virtuos die Renneinsätze inszeniert, eine neue Domäne: Es gibt praktisch weltweit kein namhaftes 24 Stundenrennen, das nicht mindestens einmal mit einem von Schnitzer eingesetzten Auto gewonnen wurde. Prominentester Triumph dabei: 1999 siegten Dalmas//Martini/Winkelhock im BMW V12 LMR bei dem 24 Stunden in Le Mans - gegen die stärkste Konkurrenz, die je dort angetreten ist.
Kein Wunder, dass sich in den zurückliegenden Jahrzehnten die Creme de la Creme der Vollgasbranche die Türklinke zu Herbert Schnitzers Büro in die Hand gab. Die Liste reicht, um nur ein paar wenige zu nennen, von A wie Aaltonen über Bellof, Berger, Cecotto, Farfus, Fitzpatrick, Ickx, Ludwig, (Dirk und Jörg) Müller, Piquet, Priaulx, Quester, Röhrl, Rosberg, Spengler, Stommelen, Stuck bis W wie (Manfred und Jockel) Winkelhock.
Seine beiden Halbbrüder können Herberts 80. Geburtstagsfest nicht mehr mitfeiern: Dieter verstarb 2014, Charly fünf Jahre später. So bleibt dem Jubilar nur die Erinnerung an gemeinsame Großtaten, in jüngster Zeit primär das Jahr 2012 – als Schnitzer mit BMW nach jahrlanger Abstinenz mit Glanz und Gloria in die DTM zurückkehrte: Gewinn der Fahrer-, Marken- und Teamwertung!
Ein Jammer, das dieses über Jahrzehnte so erfolgreiche und sympathische Team seit Jahresbeginn, wohl in letzter Konsequenz aus wirtschaftlichen Gründen, nicht mehr an den Start geht. Hat doch gerade Herbert immer wie ein Löwe für den finanziellen Background der Schnitzer-Aktivitäten gekämpft. Unvorstellbar! Unvorstellbar?