MX1/MX2: Die Analyse des Trentino-GP
Ein Kinderspiel: GP-Sieger Tony Cairoli bei einem KTM-Event vor dem Rennen
Es heisst, dass die Italiener ein Volk sind, dass schöne Dinge bewundert. Beim vierten Grand Prix der Saison wurde jede Menge fürs Auge geboten, und mit den Resultaten von erneuten Red-Bull-KTM-Siegen durch die Weltmeister Tony Cairoli und Jeffrey Herlings in der MX1 und MX2 wurde auch neue Meilensteine in der Statistik geschaffen.
Arco Di Trento war eine typische italienische Strecke: eine leicht unadäquate Grösse, eng, harter Boden, eine diskussionswürdige Beschaffenheit und irgendwie archaisch. Es war aber auch eindeutig einer der schönsten Rennplätze, die ich jemals gesehen habe. Nicht weit weg vom Gardasee am Fuss der Dolomiten gelegen, rundherum gab es Berggipfel mit Schneespitzen und von gewaltigem Ausmass.
Die kleinen, aber vollen Zuschauerräume rund um die Strecke gab der Strecke ein lebendiges und farbenfrohes Bild, als ob sie aus allen Nähten platzen würde. Das war ein geschäftiger Motocross-Event mit grossen Erwartungen an die Nummer «222», und Cairoli lieferte nach einem schwierigen Samstag – als der Sizilianer einen Nachmittag brauchte, um sich auf die verschiedenen Grip-Niveaus der Strecke einzustellen – das Gewünschte am Sonntag ab.
Cairoli: Holeshots auf Bestellung
«Ich bin immer sehr glücklich, wenn ich in Italien gewinnen kann. Ausserdem hatte ich am Samstag wirklich grosse Mühe», sagte der Champion. «Ich wusste, dass ich meinen Fokus auf gute Starts legen muss. Du hast ja gesehen, was mit Fahrern passiert ist, die das nicht geschafft haben. Wenn du nicht gut weggekommen bist, konntest du danach nicht mehr zurückschlagen.»
Cairoli legte zwei Holeshots hin und verabschiedete sich an der Spitze. Im ersten Lauf konnte Kawasaki-Pilot Gautier Paulin und ein frustrierter Clément Desalle (Suzuki) einigermassen folgen, während im zweiten Durchgang KTM-Teamkollege Ken de Dycker ihm den Rücken frei hielt. Das alles führte zum dritten Sieg im vierten GP der Saison und zu einem Karriere-Total von 57 GP-Siegen. Damit schloss Cairoli zu Joel Smets als zweiterfolgreichster Fahrer der Geschichte auf, eine Lücke von 44 Siegen klafft jetzt noch bis Stefan Everts. Aber Tony ist erst 27 Jahre alt.
Herlings ist 18 Jahre alt und hat nun 20 Siege auf dem Buckel. Den ersten holte er mit 15, nun erreichte er den vierten in Serie in diesem Jahr. Herlings ist weiter ungeschlagen, sogar zwei problematische Starts ( ein Sturz im ersten Lauf, im zweiten blieb er im Startgatter hängen) konnten ich auf der Jagd an die Spitze nicht aufhalten. Die Linienwahl und das Selbstvertrauen des Niederländers sind Klassen besser als bei jedem anderen in der MX2-Klasse und man kann anhand seiner Körpersprache schon fast sagen, dass er am liebsten Ken Roczen, Tommy Searle oder Marvin Musquin herausfordern will.
KTM-Teamkollege Jordi Tixier kommt Herlings noch am nächsten, der Franzose führte im ersten Rennen einmal mit 7 sec Vorsprung, ehe der Weltmeister entschied, in den nächsten Gang zu schalten und an der Spitze einfach zu entfliehen. Die Top-3-Positionen waren ein Zankapfel zwischen dem Monster-Energy-Yamaha-Duo Christophe Charlier und Dean Ferris. Möglicherweise hätte auch der Brite Jake Nicholls in den Kampf um die dritte Podeststufe – die sich José Butron zum zweiten Mal in dieser Saison sicherte – eingreifen können, wenn nicht im zweiten Lauf ein Sturz als Dritter dazugekommen wäre. Danach musste Nicholls mit einem kranken Motor ganz aufgeben.
KTM-Piloten im Vorteil
Zurück zur Königsklasse: Ein Durcheinander zwischen David Philippaerts (der noch immer sämtlichen Glücks beraubt ist), Tommy Searle und Clément Desalle in der zweiten Kurve des zweiten Rennens beendete das Rennen mehr oder weniger, bevor es richtig begonnen hatte. Fahrer wie Xavier Boog, Rui Goncalves, Jonathan Barragan und Matiss Karro folgten Cairoli und de Dycker. Es war eine orange Armee an der Spitze des MX1-Feldes an einem Wochenende, an dem eine KTM SX-F zu fahren ein deutlicher Vorteil schien.
Honda-Star Max Nagl arbeitete sich auf Rang 3 nach vorne für sein bisher bestes Ergebnis auf der exotischen CRF, während Gautier Paulins Aufholjagd – wie auch diejenige von Suzuki-Pilot Kevin Strijbos und von Searle, die es noch nahe an die Top-4 schafften – war einer der Brennpunkte dieses Laufs, der deshalb aus einem Rennen im Rennen zu bestehen schien. In der MX1 schauten Evgeny Bobryshev (Fraktur im rechten Schienbein nach einem Trainingssturz unter der Woche) und beide Yamaha-Fahrer Steven Frossard (Schmerzen nach Fuss-OP) und Joel Roelants (Schulter angeschlagen und leichte Hirnerschütterung) von der Boxengasse aus zu.
US-Boy Decotis bleibt ohne Punkte
Jimmy Decotis brachte ein wenig der dringend benötigten Präsenz aus den USA in die WM und war einem beträchtlichen Scheinwerferlicht ausgesetzt. Der Fahrer ergänzt das Team CLS Monster Energy Kawasaki Pro Circuit für den Rest der Saison war erst eine Woche in Europa und braucht noch mehr Akklimatisationszeit. Er wird der Erste sein, der findet, dass es noch nicht viel in seine Heimat zu berichten gab nach seinem Debüt in Arco (keine Punkte). Aber das Team war ermutigt durch einige aufblitzende, vielversprechende Momente während des Weekends, und der New Englander bekommt Zeit.
«Es war in Ordnung», meinte Decotis nach der ersten Erfahrung. «Ich mühte mich ziemlich ab, ein gutes Gefühl auf dieser Strecke zu bekommen, ausserdem hatte ich Arm-Pump. Ich denke, meine Kondition ist in Ordnung. Aber das Problem war, dass ich unter Druck geriet und danach ein bisschen die Nerven verloren habe. Wir werden diese Woche an einigem arbeiten können. Mein Stolz ist verletzt, aber wir werden für einen erneuten Versuch am nächsten Wochenende zurückkehren.»
Ein beeindruckender Prozentsatz des Publikums flutete nach den Rennen das Startgelände, um Cairolis jüngsten Sieg zu feiern, obwohl zu erwarten ist, dass erst beim Italien-GP in Maggiora Mitte Juni so richtig die Stunde des Sizilianers schlagen wird. Dazwischen gibt es vier WM-Runden – es ist schwer vorzustellen, dass Cairoli oder KTM in dieser Zeit von der obersten Podeststufe verdrängt wird.