100 Jahre AVUS: Mythos der Automobil-Geschichte

Von Thorsten Horn
Die Super-Tourenwagen (STW) 1996 auf der AVUS

Die Super-Tourenwagen (STW) 1996 auf der AVUS

Im Zuge der rasant wachsenden Mobilisierung mittels Kraftfahrzeugen war die Automobil-Verkehrs- und Übungsstraße in Berlin, kurz AVUS, eine der ersten «richtigen» Rennstrecken. Heute vor 100 Jahren wurde sie eröffnet.

Nach Städtefahrten wie Paris-Rouen, Paris-Bordeaux, Paris-Berlin usw. sowie Bahnrennen auf Galopp- und Radrennbahnen verlangte der sich ebenfalls gut entwickelnde Motorsport und nicht zuletzt die stark wachsende Industrie nach deutlich kompakteren und dennoch anspruchsvollen «Rennstrecken», auf denen man der Bevölkerung und dem geneigten Käufer die Produkte schmackhaft machen konnte.

«Win on Sunday, sale on Monday» wurde damals vielleicht sogar noch stärker als heute gelebt. 1906 wurde in Le Mans der erste Grand Prix ausgeschrieben und 1907 erstmals auf der Isle of Man ein Rennen durchgeführt.

Der Erste Weltkrieg verzögerte den Aufstieg des Motorsports zwar, aufhalten konnte er ihn allerdings nicht. Nach diesem nahm in Deutschland, konkret in Berlin, das Projekt einer Automobil-Verkehrs- und Übungsstraße Fahrt auf. Dessen Anfänge reichen bis ins Jahr 1909 zurück, doch neben dem Ersten Weltkrieg verzögerten auch genehmigungs- und finanztechnische Probleme den Bau.

1921 wurde die rund zehn Kilometer lange, kreuzungsfreie Straße im Berliner Südwesten schließlich fertiggestellt. Die erste Autobahn war geboren. Durch die Verbindung der beiden Fahrbahnhälften mittels Nord- und Südkehre war gleichzeitig die Nutzung als Rennstrecke gegeben.

Am 24. und 25. September 1921 erfolgte die feierliche Einweihung, bei der Fritz von Opel im «Firmenwagen» siegte. Am 10. Juni 1922 debütierten unter Regie des ADAC auf der etwas verkürzten Strecke auch die Motorräder. Klassensieger waren Walter Ebstein, Albert Schuster, Georg Högl, Friedrich Kellringer und Johannes Rössig. Zwei Jahre später wurde das AVUS-Motorradrennen erstmals international ausgeschrieben und 1925 sogar als erster Großer Preis von Deutschland für Motorräder.

Weitere Meilensteine waren der erste „Großer Preis von Deutschland“ für Sportwagen im Jahr 1926, den Rudolf Caracciola in einem Mercedes gewann.

Auch für Rekordversuche eignete sich die schnurgerade Straße im Berliner Grunewald. Diesbezüglich war es erneut Fritz von Opel, der seinen Opel RAK 2-Raketenwagen am 23. Mai 1928 vor 20.000 Zuschauern auf 230 km/h beschleunigte.

Vier Jahre später erlebten die Berliner den obskuren Wettstreit Auto (Manfred von Brauchitsch im Mercedes) gegen Flugzeug (Ernst Udet mit seinem Doppeldecker «Flamingo»).

Nach der Machtübernahme der Nazis in Deutschland wurde 1937 auf Geheiß Hitlers die gigantische über zwölf Meter hohe Steilwand-Kurve gebaut.

Nach dem Zweiten Weltkrieg begannen in Berlin 1948 die motorsportlichen Aktivitäten wieder. Allerdings im Bezirk Zehlendorf auf der so genannten «Kleinen AVUS».

Die Auferstehung der echten AVUS erfolgte 1951 mit einem gemeinsamen Motorrad- und Wagenrennen. 350.000 Zuschauer sollen für einen neuen und gleichzeitig nie mehr erreichten Rekord gesorgt haben. 1953 wurde das AVUS-Rennen erstmals als Lauf zur Deutschen Motorrad-Straßenmeisterschaft ausgetragen, bei dem sich Otto Daiker, Werner Haas, Ashley Parry, Walter Zeller und Ludwig Kraus/Bernhard Huser in die Siegerlisten eintrugen.

Vom Rennen 1956 gingen erneut Bilder von der AVUS um die ganze Welt, die zeigten, wie Richard von Frankenberg mit seinem Porsche Spyder von der bis zu 44 Grad überhöhten Steilwandkurve ins dahinter liegende Fahrerlager katapultiert wurde. Zum Glück blieb er weitestgehend unverletzt.

1959 wurde in Berlin zum zweiten Mal ein «Großer Preis von Deutschland für Automobile» ausgetragen, diesmal als Weltmeisterschaftslauf der Formel 1. Dabei gelang Ferrari ein Dreifachsieg mit dem Briten Tony Brooks vor den beiden US-Amerikanern Dan Gurney und Phil Hill. Wermutstropfen war allerdings, dass der Franzose Jean Behra auf regennasser Straße tödlich verunglückte. Danach diente die Grunewaldpiste nur noch für nationale Auto- und Motorradrennen.

1967 musste die berühmte Steilwandkurve dem Autobahndreieck Funkturm weichen.

Die Motorräder fristeten da nur noch ein minimalistisches Dasein auf der von Leitplanken eingefassten Rennpiste. Bei den regelmäßigen Läufen zum Junioren-Pokal in den 1960er- und 1970er-Jahren waren nur einzelne DM-Klassen im Programm, erlebten in den 1980er-Jahren jedoch noch einmal eine Renaissance.

Über die Jahre stellten sich dabei nationale und internationale Größen wie Dieter Braun, Toni Mang, Werner Schwärzel, Rolf Steinhausen, Reinhold Roth, Gustav Reiner, Martin Wimmer, Manfred Herweh, Peter Rubatto, Manfred Fischer, Ralph Bohnhorst und Jochen Schmid dem Berliner Publikum vor. Am 9. September 1989 wurde das Kapitel Motorräder auf der AVUS ein für alle Mal geschlossen.

Mit der DTM, der deutschen Formel 3 und später den Super-Tourenwagen (STW) konnte zwar im Autobereich auf nationaler Ebene noch ein paar Jahre im Konzert der Großen mitgefidelt werden, doch am 3. Mai 1998 senkte sich die allerletzte Zielflagge auf der AVUS, der heutigen Stadtautobahn A115.

Zwei Jahre später wurde der EuroSpeedway Lausitz im Süden Brandenburgs als jüngste deutsche Permanent-Rennstrecke eingeweiht. Vom 25. bis 27. August 2000 war es der IDM vorbehalten, die ersten Rennsieger zu ermitteln. Vom 1. bis 3. September zog die DTM nach, wobei die Veranstaltung im Dauerregen ertrank, weil bei der Kanalisation «Pfusch am Bau» betrieben wurde.


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