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Vettel: «Du sollst das Auto fahren, nicht umgekehrt»

Von Mathias Brunner
Sebastian Vettel und seine Ingenieure: Die Stimmung stimmt

Sebastian Vettel und seine Ingenieure: Die Stimmung stimmt

Der Weltmeister über die Gefahr der Boxenstopps, das Potential seines Rennstalls, den Reiz des Schandflecks Ungarn-GP und einen 18-Jährigen im Formel-1-Feld 2014.

Medienrunde mit Weltmeister Sebastian Vettel: eine bunte Mischung aus Zeitungs-Veteranen und Internet-Novizen, aus TV-Mannschaften und Gästen des Hauses, die sich nach dem Champion diskret den Hals verrenken. Der dreifache Weltmeister federt herein und entert einen Barhocker. Auf der Agenda stehen viele ernste Themen und einige leichtfüssige.

Sebastian, du führst in der WM-Zwischenwertung recht komfortabel. Schleicht sich da langsam das Gefühl ein, den vierten Titel vielleicht nicht in der Tasche, aber quasi die Hand am Pokal zu haben?

Nein, überhaupt nicht. Wir haben nach dem Ungarn-GP eine Pause. Das ist eine gute Gelegenheit, um darüber nachzudenken, was wir richtig gemacht haben und in welchen Bereichen wir zulegen müssen. Ich sehe keinen Grund, an meinem Plan etwas zu ändern: Ein Rennen ums andere nehmen und dabei immer versuchen, jeweils das Maximum herauszuholen. Die zweite Saisonhälfte wird anstregend, da finden viele Rennen in kurzer Zeit statt. Vor dem Hintergrund des heutigen Punktesystems können sich die Dinge schlagartig ändern. Ich bin nicht von Fehlern frei, und kein Team ist vor technischen Problemen gefeit, egal wie gründlich man sich vorbereitet. In England bin ich ausgerollt, auf dem Nürburgring gab es das Problem mit dem Rad am Wagen von Mark. Solche Dinge passieren ratzfatz.

Zugegeben, wir haben schon Einiges erreicht und dürfen damit zufrieden sein. Aber von Dominanz will ich nicht sprechen. Selbst wenn etwas gut gelaufen ist, gibt es keine Garantie, dass das so weitergeht. Nun steht der Ungarn-GP im Vordergrund, wir arbeiten weiter hart, an den WM-Titel denken wir etwas später.

Was ist das Geheimnis, bei drei Titeln und der WM-Führung den Siegeshunger zu behalten?

(Schmunzelt) Vielleicht besteht das Geheimnis darin, nicht zu viel darüber nachzudenken! Die Formel 1 ist unsere Leidenschaft, und wenn man etwas so sehr liebt wie die Rennen, dann wird man dem auch nicht so leicht überdrüssig. Das Umfeld spielt ebenfalls eine grosse Rolle. Wir sind gemeinsam gewachsen vom Mittelfeld-Team zum Sieger-Team zum Weltmeister-Team. Das verbindet. Wir haben eine extrem gute Stimmung im Rennstall.

Du hast vor kurzem erstmals deinen Heim-GP gewinnen können. Wie gross ist die Chance, dass du nun auch auf dem Hungaroring zum ersten Mal gewinnst?

Ich sehe das gar nicht so eng wie andere Leute. Zum Teil wurde ja beim Nürburgring und Hockenheimring schon von einem Heimfluch gesprochen, das sah ich nie so. Ich bin da ganz entspannt. Wir haben ein Auto, das unter allen Bedingungen schnell ist. Wir haben aber mit den neuen Reifen noch nicht so viel Erfahrungen. Unsere Ausgangslage ist gesund. Wir sollten mindestens in der Nähe der Spitze sein, aber wenn es mit dem Sieg in Ungarn nicht klappt, geht die Welt auch nicht unter.

Aber fährt man bei einem solchen Vorsprung nicht anders Rennen?

Nein, es gilt immer noch volle Attacke, wenn auch mit dem notwendigen Augenmass. Bei Halbzeit der WM wäre es nicht richtig zu taktieren. Man muss einen klaren Kopf behalten und das Maximum aus sich und dem Wagen herausholen. Nur dann erobert man jene Punkte, die zum Titel führen. Das klingt jetzt sehr einfach, aber ich glaube daran. Wenn man im Auto zu viel überlegt, was nun gut ist oder schlecht, dann ist der Zug schon abgefahren.

Du hast in Silverstone Reifen getestet. Welches waren dabei deine Eindrücke, und bist du der Meinung, die Formel 1 müsste wieder innerhalb der Saison testen?

Testen ist immer lehrreich. In Silverstone gab es genaue Bestimmungen darüber, was wir am Wagen verstellen konnten oder vielmehr nicht. Wenn du so gut wie nichts am Wagen verändern kannst, dann lernst du über das Fahrzeug nicht so viel. Dieses Mal standen die Reifen im Mittelpunkt. Es war für England auch ungewöhnlich warm. Ich bin in Sachen Tests ein wenig hin- und hergerissen. Einerseits lernst du eine Menge dazu. Natürlich finde ich das gut. Andererseits sind rund zwanzig Rennen schon eine ziemliche Belastung fürs ganze Team, soll man da wirklich noch etwas draufpacken? Man muss da schon mit Augenmass vorgehen.

Und was ist nun mit den Reifen?

Ich habe nicht den Eindruck, dass sich die Situation enorm verändert hat. Ich wäre wirklich baff, wenn sich das Kräfteverhältnis hier dramatisch verändern würde.

Mit Sergey Sirotkin soll 2014 ein 18-Jähriger Formel 1 fahren. Kommt das nicht etwas zu früh?

Es kommt immer auf die Sichtweise an. Ich war ja auch noch ein Teenager, als ich in der Formel 1 debütieren konnte. Aus deiner Sicht, also aus jener des Rennfahrers, willst du natürlich die Chance beim Schopf packen, wenn sie sich anbietet. Mit einigen Jahren Abstand würde ich sagen: bei mir war es grenzwertig. Eine Chance kann tatsächlich zu früh kommen. Ich brauchte einige Zeit, um mich der Formel 1 anzupassen und alles zu lernen. Die Idee besteht ja darin, dass du den Wagen fährst und es nicht umgekehrt ist. Ich hatte allerdings auch den Luxus von viel Erfahrung im Einsitzer. Ich denke, das Ganze reduziert sich die Basis, die man sich bis zum Einstieg in die Formel 1 erarbeiten konnte, nicht gezwungenermassen aufs Talent.

Es wird davon gesprochen, beim Boxenstopp aus Sicherheitsgründen eine Minimalzeit einzuführen. Ist das der richtige Ansatz?

Zunächst einmal bin ich froh, dass der am Nürburgring verletzte Kameramann wieder auf die Beine gekommen ist. Es ist richtig gewesen, die Geschwindigkeit in der Boxengasse herunter zu setzen. Das stand bereits für 2014 auf dem Plan, wurde nun aber vorgezogen.

Was die Minimalzeit angeht, da bin ich schon kritisch: Die Boxenstopps wurden in der Formel 1 ja deshalb wieder eingeführt, weil man mehr Spektakel haben wollte. Die Mechaniker lieben auch die Herausforderung, einen Stopp schneller hinzukriegen als die Kollegen aus einem anderen Rennstall. Dass ein gewisses Risiko immer besteht, ist klar, das ist Teil des Motorsports. Und wenn es auf einmal hiesse, die Fahrer dürfen in einer bestimmten Kurve nur noch mit Tempo 200 durchfahren, dann weiss ich auch nicht, wieviele Zuschauer sich das anschauen würden. Sicherheit ist elementar, aber das sportliche Element muss auch bewahrt werden.

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