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Reizthema Funk: Charlie Whiting, wer hat gesündigt?

Von Mathias Brunner
Charlie Whiting

Charlie Whiting

Charlie Whiting, Sicherheitsdelegierter und Ansprechpartner der Teams in Sachen Regeln zum Aufreger Funk: «Im ersten Training gab es nichts, was fragwürdig wäre.»
Charlie, das erste Training war für viele Zuschauer verwirrend: Was ist nun eine Fahrer-Anweisung und was ist eine technische Anweisung? Was ist erlaubt und was nicht? Ein Beispiel: Es gab beispielsweise Tipps hinsichtlich der Bremsbalance. Was ist das nun?

Das ist eigentlich in meiner technischen Direktive alles erklärt. Aber wenn es um dieses spezifische Thema geht, dann ist es so: Infos über das Verstellen der Bremsbalance sind okay, so lange sichergestellt ist, dass die Info sich nicht auf eine spezifische Stelle der Rennstrecke beschränkt. Wenn also generell die Balance nach hinten verstellt wir, dann fein. Wenn es aber im Funk heisst, «Für Kurve 5 bitte zwei Klicks nach vorne», dann sehen wir das als unerlaubtes Coaching des Piloten. Das geht nicht. Und das gilt auch für weitere Systeme am Wagen.

Wieso diese Einschränkung des Boxenfunks überhaupt vor dem Singapur-GP? Und wieso dann wieder ein Zurückkrebsen vor dem ersten Training? Indem eben nicht alles verboten wird, was noch vor wenigen Tagen untersagt werden sollte.

Also, grundsätzlich wurde es einfach klar, dass die Fahrer mehr und immer mehr Unterstützung erhalten. Und das widerspricht dem Artikel 20.1, wonach der Pilot sein Auto alleine und ohne fremde Hilfe fahren muss. Als wir uns die ganze geplante Latte an Einschränkungen zusammen mit den Teammanagern ansahen, da wurde jedoch klar, dass einige Rennställe gemessen an anderen im Nachteil sein würden. Es geht hier nicht nur darum, wie schnell ein Rennstall auf eine Änderung reagieren kann. Es geht auch darum, dass die zwei verschiedenen Arten von Lenkrädern eben vor mehr als einem Jahr ausgewählt wurden. Jene Teams mit dem grossen Display hätten einen Vorteil gehabt, das wäre ungerecht gewesen.

Aber warum diese Änderung jetzt? Wieso nicht sowieso auf Beginn 2015?

Das wäre ohne Zweifel leichter gewesen, aber wenn es darum geht, einer Regel Nachdruck zu verleihen, dann müssen wir handeln. Das ist unser Job.

Von wem kam der Anstoss? Wirklich von der FIA? Bernie Ecclestone hat gesagt, er habe da Druck gemacht ...

Wir haben im Rahmen der Sitzung unserer Strategiegruppe in Monza über dieses Thema gesprochen. Was genau in diesen Meetings passiert, darüber spreche ich nicht.

Charlie, hast du im ersten Training auch nur einen Funkspruch gehört, der untersuchungswert ist? Und falls denn ein Team gegen die neue Regel verstösst, welches wäre eine angemessene Strafe?

Nein, wir haben im ersten Training nichts gehört, was auch nur im Entferntesten fragwürdig wäre. Ich hatte den Eindruck, dass die Rennställe überaus vorsichtig vorgehen, um ja nichts Falsches zu machen. Die Teams sind da in der Regel auch recht vorsichtig: Wenn sie sich bei einem Punkt nicht ganz sicher sind, dann erhalten wir normalerweise zuvor eine Anfrage.

Was nun Strafen angeht, so würden wir einfach einen Fall den Rennkommissaren melden. Die müssten entscheiden. Aber ich würde vermuten, das würde keine Geldstrafe setzen, sondern eine sportliche Strafe, wie zum Beispiel im Rennen eine Fünf-Sekunden-Zeitstrafe oder im Abschlusstraining einen Rang zurück.

Aber besteht da nicht die Gefahr, dass wir dann ziemlich lange nach dem Grand Prix noch hiersitzen, weil über Strafen debattiert wird?

Nein, diese Gefahr sehe ich nicht. Wir hören in Echtzeit den Rennställen zu. Und vergesst nicht, wie intensiv die Rennställe einander zuhören. Wir würden also ziemlich bald von einem leicht anrüchtigen Funkspruch hören, dazu müssen wir nicht nach dem Rennen stundenlang Bänder abhören.

Wieviele Leute hören sich den Funkverkehr an?

Ungefähr acht. Aber es ist kein Problem für einen Mann, zwei oder drei Teams zu folgen, die reden ja nicht alle ununterbrochen. Und wir können uns später alle Aufzeichnungen anhören.

Nicht verboten sind jene Pieps, die dem Piloten in den Helm geschickt werden – als Aufforderung zu schalten. Ist das nicht auch eine Fahrhilfe?

Das könnte ja auch visuell gemacht werden, mit einem Band, das die Drehzahl anzeigt. Nein, wir sehen das nicht als problematisch, daher bleibt das erlaubt.

Gibt es einen Plan, die Funkregel für 2015 zu vereinfachen?

Nein, es ist ganz im Gegenteil der Plan, die ganzen technischen Bereiche 2015 ebenfalls mit einzuschliessen, so wie das eigentlich schon für Singapur geplant war. Was wir dann aber aus obigen Gründen fallengelassen haben. Wird das noch komplizierter? Ich fürchte, ja. Aber die Formel 1 ist nun mal ein sehr komplexer Sport, das liegt in der Natur der Sache. Ganz einfach wäre nur – überhaupt kein Funkverkehr mehr. Aber ich kann mir vorstellen, dass dies auf wenig Begeisterung stossen würde. Die Teams würden einen solchen Schritt widerwärtig finden.

Ist das hier nicht – wie von Bernie Ecclestone angedeutet – der erste Schritt dazu, auch die Datenübertragung vom Wagen zur Box einzuschränken? Wenn die Teams doch nicht wissen, in welchem Zustand sich der Wagen befindet, dann sind die meisten Funksprüche zu diesem Thema sowieso überflüssig.

Nein, das ist derzeit nicht unser Plan. Wir haben das noch nicht einmal diskutiert. Hier geht es wirklich nur darum, dass der Fahrer seinen Job alleine machen soll.

Wie wollt ihr denn kodierten Meldungen auf die Schliche kommen? Da kann ja jede Menge von Sätzen vor einem Einsatz abgemacht werden.

Ich gebe zu – es wird nicht einfach sein, einen Code zu knacken.

Aber ist es noch erlaubt, einem Lewis Hamilton ins Cockpit zu funken: «It’s hammer time.» Zeit also, richtig anzugreifen?

Das bedeutet im Grunde ja nichts anderes als: volle Attacke. Das ist kein Problem.

Aber der Spruch könnte ja auch bedeuten, dass Hamilton im Auto etwas verstellen soll, etwa mehr Drehzahl freizugeben ...

Dann müssten wir uns das im Detail ansehen. Ich bin sicher, Sprüche wie «hammer time» werden bei uns ein Thema sein.

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