Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Gordon Murray: Design-Genie, Querdenker, Buch-Autor

Von Mathias Brunner
​Turbulente Zeiten für Designer Gordon Murray: Er erhielt einen Orden, feierte 50 Jahre Racing, zeigte eine virtuelle Ausstellung, sein T.50-Sportwagen steht im Windkanal, und er schrieb das Autobuch des Jahres.

 Vor gut einem Jahr wurde bekannt: Der Südafrikaner Gordon Murray wird 2019 mit dem so genannten CBE ausgezeichnet, dem Commander of the British Empire – für seine Verdienste in der motorisierten Welt. Zur Erinnerung: Ritterorden werden in fünf Stufen vergeben – vom niedrigsten (Member of the British Empire, MBE), über den «Officer of the British Empire» (OBE) und den «Commander of the British Empire» (CBE) bis zum «Knight Commander» (oder «Dame Commander»).

Gordon Murray ist nichts weniger als eine Rennsportlegende, in Sachen Genialität mit Colin Chapman, John Barnard und Adrian Newey in einem Atemzug zu nennen. Murray war der Sohn eines einfachen Mechanikers aus Südafrika. Schon während seiner Maschinenbau-Studien an der Technischen Uni von Durban bastelte er an eigenen Rennwagen, die er selber einsetzte. Erfolg: mässig. Der Sprössling schottischer Auswanderer sah seine Heimat als Sackgasse, was eine Karriere im Rennsport anging, also reiste er kurzerhand nach Grossbritannien.

Eigentlich wollte Murray bei Lotus arbeiten, aber zufälligerweise traf er den damaligen Brabham-Konstrukteur Ron Tauranac. Die beiden fanden einen gemeinsamen Draht, und so nahm Murray die Arbeit bei Brabham auf statt bei Lotus. Als Bernie Ecclestone den Rennstall von Jack Brabham und Ron Tauranac übernahm, ernannte er Murray zur rechten Hand des damaligen Chefdesigners Ralph Bellamy. Als der Brabham verliess, war Murray über Nacht neuer Technikchef. Mit 26 Jahren wohlgemerkt.

Mit Brabham und Nelson Piquet wurde Murray 1981 und 1983 Weltmeister, zuvor baute er eines der faszinierendsten GP-Autos, den Staubsauger-Brabham BT46B von 1978, der nach einem einzigen Einsatz verboten wurde.

Später wechselte Murray zu McLaren, wo es drei WM-Titel in Folge zu feiern gab (1988 bis 1990). Danach entwarf Gordon den McLaren-Sportwagen, der 1995 sogar die 24 Stunden von Le Mans gewann. 2005 gründete Gordon Murray eine eigene Firma (Gordon Murray Design). Derzeit arbeitet er am Supersportwagen T.50, der das Staugsaugerprinzip des damaligen Brabham auf die Strasse bringt.

Murrays Autos verschmolzen immer eine wunderbare Linienführung mit Ideen, welche den Begriff Innovation auch wirklich verdienen. Was freilich nicht heisst, dass alles funktionierte …

Ein Beispiel: Um gegen die überlegenden Lotus 78 und 79 zu kontern, tüftelte Murray am Staubsaugerprinzip (so gut, dass es verboten wurde) und an einer Oberflächenkühlung! Bei der Präsentation des Brabham BT46 verblüffte der Wagen ohne konventionelle Wasserkühler, üblicherweise in der Nase oder an der Fahrzeugflanke angebracht: Fahrtwind streicht durch diese stehend oder liegend angeordneten Elemente, das Wasser darin wird gekühlt und zum Motor oder Getriebe zurückgeleitet. So wie das noch heute im Grundprinzip getan wird.

Nein, stattdessen wies der Brabham Wärmetausch-Platten auf – ein Konzept aus der Aviatik (Wasserflugzeuge der 20er Jahre), von Weltrekord-Fahrer Sir Malcolm Campbell für seinen legendären «Bluebird» 1928 aufgegriffen. Es hatte allerdings schon seine Gründe gehabt, warum Haudegen Campbells nächster Weltrekordler 1929 wieder normale Kühler aufwies …

Die Oberflächenkühlung erlaubte es Murray, einen aerodynamisch überaus effizienten Wagen auf die Räder zu stellen. Leider zeigten erste Testfahrten im winterlichen England: Das Auto überhitzte masslos. Was zur Frage führte: Wenn dem Fahrzeug schon im bitterkalten Grossbritannien zu warm wird, was passiert dann erst in der Hitze von Argentinien und Brasilien?

In aller Eile musste ein herkömmlicher Kühler gebaut werden, der nicht nur Gewicht auf die Vorderachse packte, sondern auch die aerodynamische Effizienz beeinträchtigte. Die an sich clevere Idee der Oberflächenkühlung funktionierte in der Formel 1 einfach nicht.

Nach seiner Zeit bei Brabham gründete der geniale Techniker die Firma «Gordon Murray Design». Er baute einen Stadtkleinwagen und dachte sich neue Arbeitsprozesse für die Serienproduktion aus (iStream).

Nach 50 Jahren Motorsport wollte Gordon Murray ein Buch machen, und es liegt auf der Hand, dass dabei kein 0815-Produkt herausgekommen ist. Zusammen mit dem preisgekrönten Autor Philip Porter ist «One Formula – 50 Years of Car Design» entstanden. Das Buch ist eines der besten Motorsportbücher der vergangenen Jahre, und geht im Detail auf alle mehr als 70 Designs ein, mit welchen Murray die Fachwelt verblüfft hat. Es schliesst auch Entwürfe ein, die es nie in die Produktion schafften.

Das Buch ist typisch Murray: Ohne Blatt vor dem Mund geschrieben, mit wunderbaren Details geschmückt, mit Bildern und Geschichten, die wir noch nie gesehen und gehört hatten. Murray hat sein reiches Archiv geöffnet und verwöhnt uns mit Notizen, Entwürfen, Korrespondenz, Zeichnungen, Schnappschüssen. So entsteht nicht nur die lückenlose Historie einer einzigartigen Karriere, sondern auch ein Abbild einer aufregenden Phase im Rennwagenbau und in der Automobilindustrie. Zwei Jahre Arbeit stecken darin, und das merken wir auf jeder einzelnen Seite.

Der Zweibänder ist in jeder Hinsicht ein Schwergewichtler: Die beiden Bände wiegen zusammen rund acht Kilogramm, sie umschliessen 948 Seiten mit 1200 Abbildungen. Das Format von 30 x 30 Zentimetern erlaubt ein grossräumiges Layout. Zu einem Schnäppchenpreis ist ein solch monumentales Werk natürlich nicht zu haben, es kostet 300 Euro. Ziehen wir allerdings in Betracht, wieviel dem Leser hier geboten wird, dann kommt das Preis/Leistungs-Verhältnis in Balance.

Gordon Murray sagt: «Als 50 Jahre Autodesign und Rennwagenbau auf mich zukamen, war das der richtige Moment, um innezuhalten und zurückzublicken – auf Hunderte Ideen, auf Tausende Zeichnungen. Dies ist die Geschichte meiner Entwürfe, aber weil die menschliche Seit bei meinen Designs eine grosse Rolle spielte, ist es auch eine Teil-Biographie, wenn Sie so wollen, vor allem, was die frühe Zeit in Südafrika angeht. Ich war schon als fünfjähriger Knirps verrückt nach Rennwagen, vor allem wegen meines Vaters. Aber nie hätte ich mir damals träumen lassen, wo das alles hinführen würde.»

Gleichzeitig mit dem Buch hat Gordon Murray eine virtuelle Ausstellung der wichtigsten seiner Arbeiten online gestellt. Gucken Sie sich mal um bei www.oneformulagordonmurray.com

Gordon Murray sagt dazu: «Ich wollte meine Leidenschaft teilen, aber es war mir schnell klar – die klassische Ausstellung ‘One Formula’ erreichte nur eine begrenzte Anzahl Menschen. Also entschied ich mich für einen virtuellen Rundgang, der zudem frei zugänglich ist.»

Typisch Gordon Murray, dass er eben auch hier seinen ganz eigenen Weg gegangen ist.

Das Wichtigste in Kürze

Gordon Murray und Philip Porter: One Formula – 50 Years of Car Design
Aus dem Verlag Porter Press (England)
ISBN 978-1907085307
Format 30 x 30 cm
948 Seiten
1200 Abbildungen
Text in englischer Sprache
Zwei Bände im Schutzschuber
Erhältlich für 300 Euro im Fachhandel wie bei:
Inter Media Distribution
Im Grund 36
D-51588 Nümbrecht
D-49 /0) 2293-90 20 58
E-Mail
imd@imd-motorsport.de
Mehr Informationen bei www.imd-motorsport.de

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