Radikal: Alles neu bei den KTM 790er-Modellen
Seit Ende Juli wird am KTM-Stammsitz in Mattighofen wieder produziert. Damit geht, wenn alles nach Plan läuft, die herausforderndste Zeit für die Firma seit dem Neustart unter Stefan Pierer Anfang der 1990er-Jahre zu Ende. Im Laufe der nächsten Monate werden die, ursprünglich für einen Verkaufsstart zur Saison 2025 geplanten, neuen Modelle nacheinander in Produktion gehen und zu den Händlern kommen. In Bezug auf die langfristige Modellpolitik muss sich KTM unter neuer Führung jedoch erst noch finden. So werden geplante Nischenmodelle derzeit überprüft. Die Kernmodell-Palette ist jedoch fix und nach der Ergänzung der LC4-Modelle um die 690 Rally und der Ablösung der 890 Adventure, steht als Nächstes die Runderneuerung der 790er-Baureihe an: Diese besteht auch künftig aus Duke und Adventure.
Die aktuelle Generation der beiden Mittelklassemodelle wurde, nach der erstmaligen Einführung der 790 Duke im Jahr 2018, zwischenzeitlich durch die inzwischen abgelösten 890er-Modelle verdrängt. Durch die Verlagerung der Produktion zum chinesischen Partner CFMOTO und der damit verbundenen attraktiveren Bepreisung wurde für die Kategorien Naked Bike und Reiseenduro jedoch wieder ein Platz frei im Modellprogramm der Innviertler.
Auch die neue Modellgeneration der beiden soll, im Rahmen der laufenden Verträge, wieder bei den zuletzt noch als möglichen KTM-Investoren gehandelten Chinesen gefertigt werden. Nach dem derzeitigen Stand zumindest, denn ob der Zollstreit zwischen China und den USA eine zumindest teilweise Produktion der Baureihe an anderer Stelle nötig macht, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt schwer vorhersagen und hängt auch davon ab, wie sich die politische Lage entwickelt. Tatsache ist: Der US-Markt ist für KTM einer der wichtigsten und die aktuellen 790 Duke- und Adventure-Modelle sind dort seit kurzem nicht mehr erhältlich.
Als Volumenbaureihe kommt der Neuauflage der beiden Modelle für KTM zudem essentielle Bedeutung zu. Gestaltung, Qualität und Bereifung müssen passen, um aktuelle Kunden zu halten, neue zu gewinnen und verunsicherte oder vergrämte Kunden zur Marke zurückzubewegen. Technisch werden sowohl 790 Duke wie auch 790 Adventure runderneuert – so viel verraten frühe Prototypen. In den letzten Wochen, jedoch auch kurz vor und während der Sanierungsphase, absolvierten beide Modelle bereits zahlreiche Entwicklungsfahrten. Die größte Baustelle scheint dabei für Außenstehende der Motor zu sein. Dessen aktuelle Generation hatte, vor allem in den ersten Produktionsjahren, mit mehreren Qualitätsproblemen zu kämpfen. Diese scheinen die Oberösterreicher zwar inzwischen im Griff zu haben, dennoch überrascht es nicht, dass der LC8c genannte Reihentwin in der nächsten Generation stark überarbeitet wird. Von der Ölwanne bis zum Ventildeckel bleibt, so legen es unsere Fotos nahe, kein Stein auf dem anderen. Einzig der Verlauf der Krümmer gleicht dem des aktuellen Modells – erfahrungsgemäß gibt es in diesem Bereich jedoch häufig in späteren Entwicklungsstufen noch Anpassungen.
Auch der restliche Abgastrakt wird überarbeitet und gänzlich neu konstruiert. Die kommende Motorgeneration erhält einen großzügiger dimensionierten Vorschalldämpfer, der dafür sorgt, dass der Endschalldämpfer tiefer montiert wird. Dies hat sowohl für die kommende 790 Adventure als auch für ihre Naked-Bike-Schwester optische Folgen: Bei der Duke wird der kontrovers aufgenommene Endtopf in Bananenform abgelöst und auch bei der Adventure wird ein neues Auspuffdesign die Seitenansicht prägen. Der Vorschalldämpfer sorgt gleichzeitig, wie schon bei der erhältlichen 990 Duke, dafür, dass die Schwinge einseitig in Bananenform ausgeführt wird, um Auspuff und eben dem Vorschalldämpfer Platz zu lassen. Sowohl Hubraum als auch Nennleistung dürften sich allenfalls marginal ändern, schließlich müssen die Entwickler nach oben Respektabstand zu 990 Duke und Adventure halten und nach unten auf die kommende 650-Baureihe Rücksicht nehmen.
Der Motor steckt in einem nur wenig veränderten Rahmen, der Heckrahmen wird neu konstruiert. Die auf den Bildern gezeigten Heckrahmen dürften an beiden Prototypen jedoch bislang Interimsteile sein. Zur Gestaltung beider Modelle lässt sich im jetzigen Entwicklungsstadium nur wenig sagen – zu viele Teile an den Erprobungsmotorrädern sind lediglich Platzhalter. Am Prototyp der 790 Duke fällt jedoch die geänderte Ergonomie ins Auge. Der Fahrer des Motorrades auf unserem Bild scheint eine entspanntere Haltung als auf der aktuellen Generation einzunehmen. Am Adventure-Prototyp sichtbar ist die Positionierung der TFT-Instrumente. Sie deutet darauf hin, dass die Front der 790 Adventure im Stil der 450 Rally steil aufragen dürfte. Überraschend ist das nicht, denn auch die kommende 690 Rally und 990 Adventure werden diesen Stil verwenden. Bei der Adventure zudem sichtbar ist die Positionierung des Tanks: Dieser ist klassisch vor dem Fahrer platziert. Die Tankfässer vor beiden Füßen des Piloten haben damit endgültig ausgedient. Zwar ist die jetzige Lösung fahrdynamisch positiv, optisch jedoch unglücklich. Schon bei der Husqvarna Norden 901 wurde eine weniger auffällige Lösung gewählt als bei den Plattformschwestern 790 und 890 Adventure. Gleiches gilt für die kommende, die 890 Adventure ersetzende, 990 Adventure: Diese wird ebenso wieder ein klassisches Spritfass vor dem Fahrer bekommen.
Spannend wird zu sehen sein, wie KTM die kommende 790 Adventure am Markt positioniert. Preislich könnte ihr die asketischere 690 Rally nahekommen, die jedoch mit ihrer Abstammung von der 690 Enduro und der vom Dakar-Wettbewerbsmotorrad 450 Rally abgeleiteten Optik glaubhafter Off-Road-Fähigkeiten ins Feld führen kann und so andere Kunden ansprechen soll. Entsprechend dürfte die Reihentwin-Adventure künftig noch konsequenter die Rolle als Reiseenduro ausfüllen. Die 790 Duke dürfte hingegen eine ähnliche Rolle am Markt einnehmen, wie es bereits die aktuelle Generation des Naked Bikes tut. Größter Unterschied: Neben der leistungsstärkeren Schwester 990 Duke wird ihr künftig eine darunter positionierte 650 Duke zur Seite gestellt.
Wann die Vorstellung der beiden Modelle erfolgt, ist noch nicht verlässlich vorherzusagen – auch weil das Sanierungsverfahren zu Verzögerungen geführt haben dürfte. Vor 2027 ist jedoch nicht mit dem Verkaufsstart zu rechnen.