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Pol Espargaró über Bruderliebe und Haustiere

Von Nereo Balanzin
Titelgewinn in Motegi: Bruder Aleix war natürlich erster Gratulant von Pol Espargaró (re.)

Titelgewinn in Motegi: Bruder Aleix war natürlich erster Gratulant von Pol Espargaró (re.)

Ein Blick hinter die Kulissen von Moto2-Champion Pol Espargaró: Der Spanier über früheren Berufswunsch, Heimat, seinen Bruder Aleix, andere Sportarten und sein Treffen als Knirps mit Alex Barros.

Das ist die Geschichte eines Jungen, der Tierarzt werden wollte. Stattdessen wurde er Weltmeister. Das Leben ist unvorhersehbar. «Aus meinen ersten Jahren erinnere ich mich an ein grosses Haus, an einen riesigen Garten und sehr viele Tiere», sagt Pol Espargaró, der Moto2-Weltmeister 2013. Er spricht mit leiser Stimme und nimmt sich Denkpausen, bevor er antwortet. Während er spricht, schaut er entweder sein Gegenüber an oder seine Hände, seine Finger bewegt er und nimmt sie zur Hilfe, um in seiner Erinnerung zu kramen.

«Wir hatten Hunde, Katzen und Eichhörnchen. Die Eichhörnchen waren in einem Käfig untergebracht; doch eines Tages sind sie geflüchtet, das Käfig blieb leer zurück. Aber sie kamen jeden Tag für ihr Fressen zurück.» Espargarós Tier-Restaurant. «Ich erinnere mich an zwei Hunde. Chip und Nuc. Sie waren ein bisschen verrückt, und sind irgendwann abgehauen. Sie haben die totale Freiheit gewählt… Aber da waren noch zwei: Eina, das bedeutet auf Katalanisch Werkzeug, und Alt. Die beiden waren ein Geschenk gewesen. Eina hatte mein Bruder Aleix bekommen, Alt war für mich. Alt war eine pyrenäische Dogge. Riesig, weiss. Der Hund meines Lebens… Jetzt habe ich eine Katze. Eine streunende Katze. Wir haben sie vom Tierarzt bekommen, ihr Name ist Mini. Und dann gibt es noch die Tiere, die ich da und dort auf unseren Reisen sehe. Mein Maskottchen ist ein Känguru. Also, als ich das erste Mal in Australien war, habe mich die ganze Freizeit damit verbracht, sie zu beobachten. Und auch die Pinguine. Ja, ich wollte Tierarzt werden…»

An Rennwochenenden lieber ohne Familie

Espargaró erzählt weiter: «Ich liebe es, zu schlafen. Ich mag es aber, in der Nacht wach zu sein, wenn alle anderen schlafen, das ist mein Moment. In diesem Moment kann ich ganz mit mir alleine sein. Ich liebe die Einsamkeit. Sehr sogar. Aleix ist da mehr der Familienmensch. Ich liebe sie, aber wenn sie mit im Fahrerlager dabei sind, fühle ich mich für sie verantwortlich, dass bei ihnen alles in Ordnung ist. Ich mache dann alles was ich kann, das führt aber dazu, dass ich mich selber weniger wohl fühle. Ich kann nichts dagegen machen, ich fühle mich verantwortlich für die Menschen, die ich liebe. Deshalb ziehe ich es an den Renntagen vor, für mich selber und nur für mich selber verantwortlich zu sein. Und für meinen Bruder, der denselben Beruf hat, es ist ein gefährlicher Job.»

«Die Leute sehen mich und Aleix im Fahrerlager, sie sagen oft, dass wir wie zwei Kätzchen sind – wir spielen zusammen, scherzen zusammen, leben zusammen. So ist das an den Rennwochenenden. Wir lieben einander, aber zu Hause führen wir unterschiedliche Leben. Im Fahrerlager kleben wir zusammen. Es ist schwierig, im Paddock einen Freund zu finden. Es ist schwierig, jemanden zu haben, der auf dich Acht gibt. Wir haben das Glück, dass wir uns haben. Er ist ein Vorteil für mich, und ich bin ein Vorteil für ihn. Er ist mein grosser Bruder. Er hatte immer ein härteres Leben als ich. Ich hatte immer gute Teams, er hatte das oftmals nicht. Wenn ich einen zweiten Platz hole, aber nicht den Sieg und deswegen nervös werde, kommt er zu mir und sagt: ‹Hei Bruder, schau mich an: Was soll ich sagen?› Da blüht meine Seele gleich wieder auf. Er ist derjenige, dem ich alles erzähle. Mein Vater und meine Mutter kennen mich seit der Geburt. Aber trotzdem wissen sie nicht so viel über mich wie er. Meine Mutter ist fähig, mich nur anzusehen um zu wissen, was los ist. Ohne ein Wort zu sagen. Aber Aleix ist noch schneller und braucht noch weniger, um mich zu verstehen. Und er kann mich immer zum Lachen bringen.»

Entscheidung zwischen Badminton und Motorrad

Der Spanier entschied das Titelduell mit Kalex-Markenkollege Scott Redding durch eine starke zweite Saisonhälfte in Japan vorzeitig für sich. Espargaró hätte aber auch Mannschaftssportler werden können. «Ich liebe Sport, jede Art von Sport. Ich spielte Fussball – als Torwart. Den Torhütern wird nachgesagt, ein bisschen verrückt zu sein? Das ist vielleicht wahr. Alle Rennfahrer sind verrückt. Wenn du bei Verstand wärst, würdest du dich nach einer anderen Sportart umsehen, die weniger gefährlich ist. Um ehrlich zu sein hatte ich Optionen, die sicherer gewesen wären. Ich war gut im Badminton, um nur eine zu nennen. Als ich damit begann, war ich aber bereits im Rennsport involviert, und deshalb vom Kraftraum und dem Training ziemlich fit. Ich bin schnell an die Spitze gekommen, ich habe bei der Katalanischen Meisterschaft mitgemacht. Ich war Zweiter im Einzelwettbewerb, Dritter im Doppel, Erster im gemischten Doppel. Aber du kannst nicht alle Sportarten gleichzeitig machen, ich musste also eine Wahl treffen. Mein Bruder war da schon komplett im Rennfahren drin… Also habe ich mich entschieden, es ihm gleich zu tun. Du weisst, was mit einem jüngeren Bruder passiert, wenn der ältere etwas macht… Er imitiert den grossen Bruder. Das habe ich gemacht. Man kann sagen, ich wurde Rennfahrer, weil ich es nachgemacht habe», erzählt der 22-Jährige aus Granollers über die Vorreiterrolle des drei Jahre älteren Aleix.

«Polyccio ist mein Vorname, das steht auch auf meinem Motorrad und meinem Leder. Der Name wurde damals von mir und ein paar Freunden eingeführt. Zu dieser Zeit war ich der italienischen Sprache verfallen – ich habe sechs Jahre mit italienischen Mechanikern verbracht – und wollte einfach etwas, das Italienisch klingt. Polyccio ist mein echter Name, der durch die Mangel genommen wurde, um einen italienischen Klang zu erhalten», erklärt der neue Weltmeister.

Schwierige erste Moto2-Saison

«Mentale Angelegenheiten sind im Sport wichtig. Von Amatriain (Anm.: Ex-Manager Dani Amatriain) weiss ich etwas, dass ich niemals vergessen werde. Er sagte mir: Jeder da draussen ist bereit, dich zu beissen. Und jeder ist ein Könner auf der Strecke, sogar der Letzte in der Startaufstellung. Deshalb gibt es nur etwas, womit du dich durchsetzen kannst. Benutze deinen Kopf. Dazu musst du emsig arbeiten. Es ist also alles eine Kopfsache. Und es geht um die Art, wie du antrittst. Meine Art hat sich stark geändert, weil ich in der 125-ccm-WM ein paar Widrigkeiten erlebte. Aber, sogar wenn du bei den 125ern gewinnst darfst du nicht glauben, der Job ist erledigt. Denn wenn du in die Moto2 aufsteigst, wirst du derart geschlagen, wie du es dir gar nicht vorstellen kannst. Wenn du ein guter Fahrer bist, kann dir die Moto2 einen heftigen Haken versetzen, so dass du angezählt wirst. Oder aber du wächst daran und wirst noch stärker. In meiner ersten Saison war ich nahe dran, auf den Boden zu knallen (Anm.: WM-Rang 13)

Espargaró: «Einmal sagte ich zu Carlota, meiner Freundin: Bitte, studiere etwas, baue auch ein eigenes Leben auf. Sie ist diejenige, die ich heiraten möchte, aber ich führe ein schwieriges Leben. Deshalb ist es besser, dass sie auch ein eigenes Leben hat, es soll nicht alles von einer Beziehung zu einem Rennfahrer abhängen.»

«Ich bewundere Alex Barros, sehr sogar. Ich war noch ein Kind – zehn oder elf Jahre alt – und wurde ihm auf dem Circuit de Catalunya vorgestellt. Er sagte mir: ‹Ich sehe, du bist ein Rennfahrer. Schau, das ist mein Motorhome. Wenn du mich etwas fragen willst, oder einfach plaudern möchtest, oder mich mit etwas konfrontieren willst, klopfe an die Tür… Mein Motorhome ist dein Motorhome.› Ich habe ein Tattoo auf meinem rechten Handgelenk ‹never give up›, und eine 44 auf meiner linken Flanke. Wenn ich könnte, würde ich wie Barros mit der Nummer 44 starten. Aber in der Moto2 war die Nummer bereits vergeben.»

In der MotoGP-WM ist sie das nicht. Monsieur Poncharal, bereiten sie die 44 auf der Tech3-Yamaha vor.

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