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Sachsenring: Aus Skepsis ist Begeisterung geworden

Kolumne von Günther Wiesinger
Sachsenring-GP: Die Begeisterung und Leidenschaft der Fans ist grenzenlos

Sachsenring-GP: Die Begeisterung und Leidenschaft der Fans ist grenzenlos

Es war eine riskante Angelegenheit, als der Motorrad-GP von Deutschland 1998 auf den Sachsenring wanderte. Die 500er-Stars waren skeptisch. Heute ist der Event ein Highlight im GP-Kalender.

Sachsenring-GP, zum 18. Mal hintereinander schon.
Ich erinnere mich noch an den Sommer 1997, als die Piste in Hohenstein-Ernstthal erstmals als Schauplatz für den Motorrad-GP von Deutschland 1998 zur Diskussion stand.

Unglauben, Zweifel, Stirnrunzeln und Ungewissheit herrschte im GP-Tross, obwohl anfangs auch der Lausitzring zur Diskussion stand und der Hockenheimring, nur auf dem Nürburgring gab es keine GP-Zukunft mehr. Nur 17.000 Zuschauer hatten sich dort beim WM-Lauf 1997 blicken lassen. Und in Hockenheim hatte Bernie Ecclestone 1991 als Motorrad-GP-Promoter satte 1,1 Millionen Euro Verlust erwirtschaftet, bald darauf wanderte der Event für drei Jahre in die Eifel.

Niemand kannte 1997 Details über die neue halb-permanente Strecke im Freistaat Sachsen, höchstens ein paar IDM-Fahrer.

«Das ist eine Micky-Mouse-Strecke», regte sich 500-ccm-Welmeister Mick Doohan auf, nachdem er sich ein erstes Bild gemacht hatte.  «Sie ist höchstens für Clubrennen geeignet.»

Tatsächlich sah ich damals in einem DTM-Jahrbuch einen Streckenlänge von 3400 und noch was Metern, die GP-Mindestlänge beträgt aber 3,5 km. Also rundete der ADAC Sachsen die Streckenlänge listig auf 3500 und ein paar zusätzliche Meter auf, ohne Umbauten allerdings, diese wurden erst später vorgenommen.

Ich suchte jedenfalls bereits im Sommer 1997 sicherheitshalber ein Quartier für den Grand Prix 1998.

Steve Jenkner, 125-ccm-GP-Pilot aus HOT, nannte mir drei Hotels, er bezeichnete das «Drei Schwanen» auf dem Marktplatz in Hohenstein-Ernstthal als erste Adresse. Ich rief an, bestellte zwei Zimmer für Donnerstag bis Sonntag und bat um eine sofortige Bestätigung der Reservation per Fax.

Der Hotel-Manager meinte, ich solle mir keine Sorgen machen, die Bestätigung habe keine Eile, der Grand Prix werde sowie niemals nach Sachsen kommen.

Ein paar Wochen später waren alle anderen Strecken aus dem Rennen, ADAC und Dorna wagten sich in den Osten.

Die meisten Westdeutschen waren nicht begeistert. Aufbau Ost, der Solidaritätszuschlag und die Geschäfte der Treuhand hatten einen gewissen Grimm gegenüber den wiedervereinigten «Ossies» erzeugt. Jetzt hatten sie auch noch den Motorrad-GP erbeutet.

Aber Sachsen brachte auch 26 Jahre nach dem letzten Grand Prix auf dem legendären 8,7 km langen Strassenkurs wieder Zehntausende begeisterte Fans auf die Beine, die Motorradtradition mit DKW, Simson, MZ und so weiter war wegen der DDR-Reiseverbote und der wertlosen Ostmark jahrelang geschlummert, es gab kaum Zugand zu Fachmag?azinen und Ergebnislisten, nach dem Fall der Mauer kannte die Begeisterung und Leidenschaft keine Grenzen mehr.

1998: Top-Speed knapp über ?200 km/h

Ich wettete damals mit Streckenarchitekt Ing. Hermann Tilke, die 500-ccm-Maschinen würden auf dem SaRi nicht einmal 200 km/h Top-Speed erreichen. Ich verlor die Wette wegen 4 oder 5 km/h.
Dafür sitzen die Fans hier so dicht an der Rennstrecke wie sonst nirgends auf der Welt.

Seither 1998 die Infrastruktur rund um die Strecke stetig verbessert worden, die Boxenanlage wurde auf der andere Seite der Start/Ziel-Geraden verlegt, es wurde ein neues Start-Ziel-Gebäude udn ein Media Centre errichtet. Es existieren seither zwei getrennte Fahrerlager, was längere Fussmärsche verursacht. Aber die GP-Familie kommt gerne nach Sachsen, man fühlt sich willkommen, die Hotels und Pensionen verdreifachen am GP-Weekend nicht ihre Preise, wegen der bevorstehenden Sommerpause sind Fahrer, Teamchefs und Mechaniker ein bisschen gelassener als sonst.

Die Zuschauerränge sind schon am Freitag zum Bersten voll, während in Assen vor zwei Wochen am ersten Trainingstag keine ?Menschenseele zu sehen war. Die Fahrer werden in Sachsen schon in der Out-lap angefeuert wie anderswo nach einem triumphalen Sieg, die Fans warten geduldig auf Autogramme, sie kennen jeden Ex-Rennfahrer und Chefmechaniker, der Enthusiasmus kennt keine Grenzen.

Naja, die Fahrer finden halt nicht sehr viele Rechtskurven vor, aber dafür liefert Bridgestone heute in der MotoGP-Klasse asymmetrische Reifen, die rechts weichere Mischungen haben als links.

Was sich in den 18 Jahren nicht geändert hat: Unter den 100.000 Zuschauern am Renntag finden sich kaum 6000 Fans aus den alten Bundesländern. In den ersten Jahren waren es 4000.

Ein interessantes Phänomen.

Die GP-Freunde aus den alten Bundesländern fahren offenbar lieber nach Le Mans, Assen, Mugello, Brünn oder Misano.

Schade, denn Ost und West sollten nach 25 Jahren längst zusammengewachsen sein. An den Dialekt der Sachsen kann man sich bei gutem Willen auch gewöhnen. Ich habe sogar Gefallen daran gefunden.

Aus der Sicht eines neutralen Beobachters aus Österreich mit Wohnsitz Schweiz vermute ich: Offenbar ist der Aufbau Ost auf zwischenmenschlicher Ebene noch nicht ganz vollendet. Es existieren Vorbehalte.

2017 verlangt die Dorna 4 Millionen

2017 läuft der aktuelle GP-Vertrag zwischen Dorna und ADAC aus. Die Dorna verlangt künftig von den GP-Veranstaltern in Mitteleuropa eine jährliche Austragungsgebühr von 4 Millionen, bisher liegt sie bei 3 bis 3,5 Millionen.

Diese Summe wird der ADAC nur stemmen können, wenn die Eintrittspreise und die Zuschauerzahlen erhöht werden.
Der Zuwachs an Fans wird aus Österreich, aus der Schweiz und aus den westlichen Bundesländern kommen müssen. Sonst besteht die Gefahr, dass Deutschland nach dem Formel-1-GP auch noch den MotoGP-Event verliert.

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