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Rücktritt Sandro Cortese (32): 2012 war seine Saison

Kolumne von Ivo Schützbach
Sepang 2012: Sandro Cortese jubelt mit Vater Antonio über den Moto3-Titel

Sepang 2012: Sandro Cortese jubelt mit Vater Antonio über den Moto3-Titel

Am 3. April erklärte Sandro Cortese nach langer Verletzungspause den Rücktritt. Für SPEEDWEEK.com lässt er seine beiden herausragenden Jahre in der Weltmeisterschaft noch einmal Revue passieren.

Der 8. August 2020 wurde zu Sandro Corteses Schicksalstag. Damals ging in Portimao zwar seine Rennfahrerkarriere zu Ende, die Ärzte retteten aber auch sein Leben und bewahrten ihn vor dem Rollstuhl.

Der Schwabe kämpfte im ersten Superbike-Rennen mit Tati Mercado um Platz 16, als es zu einer Berührung kam, Sandro das Vorderrad wegrutschte und er mit 130 km/h in die nahestehende Begrenzungsmauer von Kurve 12 krachte.

«Ich hatte damals einen Trümmerbruch im sechsten Brustwirbel, im rechten Knie einen Außenbandriss, der Schienbeinkopf rechts war gebrochen, dazu der rechte Fuß», erinnerte sich Cortese im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Auf der rechten Seite waren bis auf eine alle Rippen gebrochen und meine Lunge war kollabiert. Mein Glück war, dass ich so gut trainiert war, drum hat das meine Lunge ausgehalten.»

Der schwere Unfall ist jetzt beinahe 20 Monate her. Was sich schon länger abzeichnete, ist jetzt Tatsache: Sandro Cortese erklärte seinen Rücktritt als professioneller Rennfahrer.

«Nur dank einer erstklassigen Versorgung in Portimao und der Notoperation in Faro bin ich einer Querschnittslähmung entkommen», schilderte der 32-Jährige in ergreifenden Worten. «Jeden Tag denke ich daran und bin unendlich dankbar und glücklich, noch ein normales Leben führen zu dürfen. Aber andererseits bin ich ein bisschen traurig, dass ich nach diesem Unfall meine Karriere so abrupt beenden musste. Dank des bedingungslosen Rückhalts durch meine Familie, meine Freundin und meine Freunde ging es mir in dieser schweren Zeit immer gut. Mein Körper ist seit dem Sturz nicht mehr so belastbar wie früher und es waren viele Monate der Reha nötig, um wieder einigermaßen schmerzfrei gehen zu können.»

«Ich blicke auf eine Karriere zurück, die ich mir so nie erträumt hätte», hielt Sandro fest. «16 Jahre durfte ich den Traum eines Rennfahrers leben und Teil der MotoGP-Szene sowie der Supersport- und Superbike-WM sein. Mein Traum geht weiter, denn ich bleibe dem Rennsport treu. Ich werde auch in diesem Jahr mit großer Begeisterung Teil der ServusTV- und Yamaha-Familie sein. Dazu gesellt sich noch eine neue Aufgabe bei meinem langjährigen Sponsor, der Gutmann Gruppe, auf die ich mich freue. Ein großes Dankeschön gilt euch allen, liebe Freunde, Fans, Partner und Sponsoren. Ihr habt mich immer unterstützt und meinen Traum mit mir gelebt.»

Neun deutsche Solo-Rennfahrer haben im GP-Sport mindestens einen WM-Titel errungen:

Werner Haas: 1953 (125 ccm), 1953 (250 ccm), 1954 (250 ccm)
Hermann Paul Müller: 1955 (250 ccm)
Ernst Degner: 1962 (50 ccm)
Hans-Georg Anscheidt: 1966, 1967, 1968 (alle 50 ccm)
Dieter Braun: 1970 (125 ccm), 1973 (250 ccm)
Toni Mang: 1980 (250 ccm), 1981 (250 ccm), 1981 (350 ccm), 1982 (350 ccm), 1987 (250 ccm)
Dirk Raudies: 1993 (125 ccm)
Stefan Bradl: 2011 (Moto2)
Sandro Cortese: 2012 (Moto3)

In den seriennahen SBK-Weltmeisterschaften holten nur zwei Deutsche einen Titel:

Jörg Teuchert: 2000 (Supersport)
Sandro Cortese: 2018 (Supersport)

Cortese konnte als einziger Deutscher in der Prototypen- und Serienmeisterschaft Champion werden. Nur Haas, Braun, Mang und Cortese schafften es, Titel in verschiedenen Kategorien zu holen. Das zeigt, dass Sandro einen besonderen Platz in der deutschen Motorsport-Historie einnimmt. Er gewann sieben Grand Prix und stand 29 Mal auf dem Podium. In der Supersport-WM fuhr er nur zwölf Rennen, gewann davon zwei und stand achtmal auf dem Podium.

In seinen 16 Jahren in der Weltmeisterschaft zeigte Cortese zwei herausragende Saisons, in seinem letzten Jahr auf der 125er (2011) war er ebenfalls sehr stark und wurde mit zwei Siegen und sechs Podestplätzen WM-Vierter.

«Sepang 2012 war ein Highlight», erzählte Sandro. «Aber diesem Highlight gingen Jahrzehnte voran, in denen ich für diesen Moment gearbeitet habe. Das war ein Traumwochenende, ich konnte mit einem Sieg den Moto3-WM-Titel feiern. Da bekomme ich jetzt noch Gänsehaut, wenn ich dran denke. Mein Motorrad von damals steht bei mir im Wohnzimmer, das sehe ich jeden Tag. Da kommen Erinnerungen hoch. Das ist der Traum jedes Rennfahrers, so einen Moment erleben zu dürfen. Und das mit KTM und Red Bull und Aki Ajo, bei dem ich schon davor zwei Jahre gefahren bin. Da hat alles gepasst in dem Jahr. Die Kombination aus Aki, Werks-KTM und Red Bull als Hauptsponsor war perfekt. Aki Ajo ist einer der besten Teamchefs, die ich kennengelernt habe in meiner Karriere. Er kann unglaublich motivieren und einen Rennfahrer in die richtige Spur bringen, wie man ihn am Sonntag braucht. Mit Aki hatte ich schon 2009 unglaubliche Momente, 2010 war ein schweres Jahr als Teamkollege von Marc Marquez, der die Saison dominiert hat. Neben ihm habe ich aber unfassbar viel gelernt.»

Seinen zweiten WM-Titel holte Cortese sechs Jahre später in der Supersport-WM im Team Kallio Yamaha. «Dass ich in meiner Rookie-Saison den Titel gewann, war mindestens genauso wichtig wie der erste Titel – wenn nicht wichtiger. Ich hatte in Moto2 schwierige Saisons und brauchte ein gewisses Selbstbewusstsein. Ich musste mir immer wieder sagen, dass ich es kann. Mit dem zweiten Titel hatte ich dann alles erreicht, was man sich als Motorradrennfahrer vorstellen kann. Natürlich will jeder MotoGP fahren, was leider ein offener Traum bleibt. Aber alles andere durfte ich fahren: 125er, Moto3, Moto2, Supersport und dann noch zwei Jahre Superbike-WM.»

«Der erste WM-Titel ist immer etwas Besonderes. Wenn man einen kleinen Buben fragt, der Rennen fährt, was er mal werden möchte, dann wird er Weltmeister sagen. Nach dem Moto3-Titel hatte ich mir diesen Traum erfüllt. Aber dann bekam ich die Bestätigung, es noch mal geschafft zu haben. Zweimal Weltmeister zu werden, ist besonders. Vor allem nach so vielen Jahren, die für mich schwierig waren. Ich hatte viele Verletzungen in meiner Moto2-Zeit, viele Stürze, ich stand oft vor dem Karriereende. Und dann gewann ich noch mal einen WM-Titel, das tat meiner Seele gut. Ich wurde oft angezählt, es hieß, der WM-Titel war eine einmalige Sache. Einmal Weltmeister zu werden schaffen mehr Fahrer als zweimal. Nach dem zweiten Titel war ich mit mir wieder im Reinen.»

Sandro abschließend: «Rückblickend habe ich jedes Jahr genossen. Natürlich sagt man, dass ich hier und da andere Entscheidungen hätte treffen sollen. Aber hätte ich egal wo andere Entscheidungen getroffen, wäre ich vielleicht nie bei Vesa Kallio gelandet. Oder 2012 bei Aki Ajo. Es kam alles genau so, wie es kommen sollte.»

Die größten Erfolge von Sandro Cortese:

2012: Weltmeister Moto3 auf KTM
2018: Weltmeister Supersport auf Yamaha

125 ccm: 2 Siege, 11 Podestplätze, 3 Pole-Positions
Moto3: 5 Siege, 15 Podestplätze, 7 Pole-Positions
Moto2: 3 Podestplätze
Supersport: 2 Siege, 8 Podestplätze, 3 Pole-Positions

Sandro Corteses Jahre in der Weltmeisterschaft:

2005 – 125 ccm: Kiefer Bos Honda – 26.
2006 – 125 ccm: Elit Emmi Caffé Latte Honda – 17.
2007 – 125 ccm: Elit Emmi Caffé Latte Aprilia – 14.
2008 – 125 ccm: Emmi Caffé Latte Aprilia – 8.
2009 – 125 ccm: Ajo Interwetten Derbi – 6.
2010 – 125 ccm: Avant Mitsubishi Ajo Derbi – 7.
2011 – 125 ccm: Intact Racing Team Germany Aprilia – 4.
2012 – Moto3: Red Bull KTM Ajo – 1.
2013 – Moto2: Dynavolt Intact GP Kalex – 19.
2014 – Moto2: Dynavolt Intact GP Kalex – 9.
2015 – Moto2: Dynavolt Intact GP Kalex – 11.
2016 – Moto2: Dynavolt Intact GP Kalex – 15.
2017 – Moto2: Dynavolt Intact GP Suter – 18.
2018 – Supersport: Kallio Yamaha – 1.
2019 – Superbike: GRT Yamaha – 12.
2020 – Superbike: Outdo Kawasaki TPR – 19.

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