Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Valentino Rossi: Ersetzt ihn Johann Zarco in Misano?

Von Günther Wiesinger
2010 dauerte die Genesung von Valentino Rossi nach dem Schien- und Wadenbeinbruch sechs Wochen. Er wird Misano und Aragón verpassen. Yamaha hätte einen schnellen Ersatzmann in den Reihen.

Momentan will es noch niemand so richtig wahrhaben: Aber der «Gran Premio della San Marino e Riviera di Rimini» wird am kommenden Wochenende, zehn Jahre nach der Rückkehr in den GP-Kalender, ohne Lokalmatador Valentino Rossi stattfinden.

Das gelbe Meer der VR46-Fans wird Trauer tragen.

Die Umsätze an den Merchandising-Verkaufsständen werden historische Tiefstände erreichen.

Immerhin: Mit Ducati-Held Andrea Dovizioso liegt ein Italiener auf Platz 1 der WM-Tabelle.

Sobald bei Movistar-Yamaha der erste Schock über die Hiobsbotschaft von Rossis Schien- und Wadenbeinbruch verklungen ist, werden sich Lin Jarvis, Managing Director von Yamaha Motor Racing, und Kouchi Tsuji, Projektleiter von Yamaha für die MotoGP-WM, Gedanken über einen geeigneten Ersatzfahrer machen müssen.

Schon beim Assen-GP beklagte Valentino Rossi, dass Yamaha über keinen Test- und Ersatzfahrer verfüge wie zum Beispiel Ducati Corse mit Casey Stoner und Michele Pirro, die jederzeit für Top-5-Ränge oder gar die erste Startreihe gut wären.

Sogar Neuling Red Bull KTM hat mit Mika Kallio (Platz 10 beim GP von Österreich mit Wildcard) einen schnellen Ersatzmann.

Honda ist in dieser Hinsicht auch nicht gerade erstklassig aufgestellt: Für den Japaner Takuma Takahashi haben die japanischen Superbike-Meisterschaft und der 8h-WM-Lauf in Suzuka Vorrang, und HRC-Testfahrer Hiroshi Aoyama ist längst nicht mehr der Schnellste.

Aprilia erlebte 2016 mit Testfahrer Mike di Meglio einen Reinfall und engagierte für 2017 Eugene Laverty, der aber in der Superbike-WM viele Verpflichtungen für Milwaukee-Aprilia hat.

Suzuki begnügt sich mit Testfahrer Tetsuya Tsuda und musste den 35-jährigen Sylvain Guintoli ins Spiel bringen, als Alex Rins im Frühjahr verletzt war.

Rossi war im Frühjahr 2017 nicht gerade begeistert, weil er und Maverick Viñales die ganze Testarbeit selber verrichten müssen. Es ging damals um die Beurteilung des neuen Chassis', das am Montag nach dem Barcelona-GP erstmals getestet wurde. «Die meisten Testfahrer sind sowieso zu langsam», stellte der Italiener fest.

Der logische Ersatzfahrer für Rossi wäre jetzt der Japaner Katsuyuki Nakasuga, der 2012 mit Platz 2 beim ausfallsreichen Valencia-GP glänzte, aber inzwischen auch 36 Jahre alt ist und außerdem am kommenden Sonntag in Autopolis einen Lauf zur «All Japan Superbike Championship» bestreiten muss, die er anführt. Am 15. Oktober soll er dann mit einer Wildcard für Yamaha in Motegi den Japan-GP bestreiten.

Der Vertrag zwischen Yamaha und der Dorna erlaubt bei Verletzung eines Werksfahrers, diesen Platz für zwei Grand Prix nicht zu besetzen. Und wenn’s drei sind, wird ein Auge zugedrückt.

Deshalb engagierte Yamaha auch 2010 keinen Ersatz für Rossi, als er von Mugello bis zum Sachsenring-GP fehlte.

Aber heute geht es für Movistar-Yamaha nicht nur um die Fahrer-WM, wo Yamaha mit Maverick Viñales ohnedies noch ein heißes Eisen im Feuer hat, sondern auch um die Team-WM und die prestigeträchtige Konstrukteurs-WM.

Stand Team-WM: 1. Movistar-Yamaha 327 Punkte. 2. Repsol-Honda 322. 3. Ducati Corse 273.

Stand Konstrukteurs-WM: 1. Yamaha 231. 2. Honda 224. 3. Ducati 212.

Deshalb würde es für Yamaha viel Sinn machen, diesmal einen Ersatzfahrer zu engagieren.

Einen arbeitslosen Piloten wie Alex De Angelis zu verpflichten, wäre sinnlos, da er kaum Aussichten für die Top-Ten hätte.

Man darf also davon ausgehen, dass sich Yamaha überlegen wird, bei Tech3-Yamaha-Teambesitzer Hervé Poncharal wegen des unerschrockenen Johann Zarco anzurufen, der in Le Mans schon Zweiter war und als Rookie in der WM an sechster Stelle liegt.

Zarco hat zwar im Gegensatz zu Vorgänger Pol Espargaró keinen Vertrag mit Yamaha Motor Racing, aber das ließe sich für so eine Gefälligkeit für 2018 rasch ändern. Yamaha könnte die Fahrergage des schnellen Franzosen für die nächste Saison übernehmen...

Als Rookie darf Zarco jetzt eine Werksmaschine steuern, diese Vorschrift wurde für Marc Márquez 2013 über Bord geworfen und nie mehr installiert.

Das Movistar-Team und der Tech3-Rennstall haben mit Monster denselben Sponsor, das würde so einen Deal erleichtern. Zarco hat Rossi in diesem Jahr schon in drei von zwölf Rennen besiegt.

Aber wen soll Poncharal für Misano auf die zweite M1-Yamaha setzen?

Auch hier könnte eine Lösung gefunden werden: Alex Lowes, Yamaha-Werkspilot in der Superbike-WM, könnte einspringen – wie 2016 bei der Verletzung von Bradley Smith.

«Man kann sich vorstellen, dass es dazu bisher keine Diskussionen gibt», stellte Hervé Poncharal dazu Freitagmorgen fest. «Es ist schwer vorstellbar. Lass' uns abwarten.»

Die deutschen Fans würden natürlich gerne Jonas Folger auf der Werks-Yamaha sehen: Doch der Bayer wird nach den beiden Bremsdefekten von Spielberg und Silverstone zuerst sein Selbstvertrauen wiederfinden müssen, was schwer genug ist.

Bis zum Japan-GP in Motegi am 15. Oktober sollte Rossi wieder einsatzfähig sein, wenn keine Komplikationen auftreten. Nach dem Crash 2010 hatte er vier Wochen nach dem Schien- und Wadenbeinbruch in Misano schon wieder mit einem R1-Superbike getestet. Bei dieser Gelegenheit lernte er seinen heutigen Crew-Chief Silvano Galbusera kennen.

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