Rossi gegen Márquez: Rechtssprechung wird geändert

Von Günther Wiesinger
Valentino Rossi

Valentino Rossi

Die Entscheidungen der Race Direction sind seit Jahren umstritten, nicht immer nachvollziehbar und inkonstant. Jetzt soll das System geändert werden.

Nach den jüngsten Vorkommnissen und besonders nach dem Revanchefoul von Valentino Rossi gegen Marc Márquez in der siebten Runde des Malaysia-GP gehen die Wogen weiter hoch.

Es finden auch Grundsatzdiskussionen statt. Manche Experten wie der 13-fache GP-Sieger Randy Mamola fordern striktere und engmaschigere Reglements wie in der Formel 1.

Viele MotoGP-Fans wünschen sich die alten Zeiten zurück, wo nicht jede Kleinigkeit bestraft wurde.

Eines steht fest: Nicht immer sind die Strafen in der GP-Weltmeisterschaft nachvollziehbar. Manchmal wird zu hart durchgegriffen.

Der Motorradrennsport lebt von Überholmanövern. Wenn jeder gescheiterte Überholversuch mit einem Penalty Point oder einer Rückversetzung in der Startaufstellung endet, werden die Akteure irgendwann nur noch brav im Gänsemarsch um die Strecke fahren.

Als Konsequenz würde man danach Tankstopps einführen oder Reifen vorschreiben müssen, die nicht die ganze Renndistanz überstehen. Dann kommt es wenigstens durch die Boxenstopps, Tankmanöver und Radwechsel zu Positionswechseln.

Wollen wir das? Nein. Das haben wir ja in der Formel 1, die stark an Interesse verliert, weil sie überreglementiert ist.

Héctor Barbera brachte im Warm-up in Sepang seinen Landsmann Pol Espargaró zu Sturz. Es war ein misslungener Überholversuch. Kann passieren. Barbera wurde deshalb in der Startaufstellung um fünf Plätze nach hinten versetzt.

Über die Sinnhaftigkeit solcher Strafen kann man streiten. Es kann nicht jeder Angriff gelingen. Seien wir doch froh, dass sich die Fahrer bemühen, sogar im Warm-up.

Diese Diskussion führt uns zu den Penalty Points für Rossi in Sepang. Drei hat er bekommen, er musste dann als erster MotoGP-Fahrer wegen zu vielen Penalty Points in Valencia vom letzten Startplatz wegfahren.

Hat das die Weltmeisterschaft entschieden? Kann sein.

Denn als Rossi auf Platz 4 eintraf, hatte er erstens seine Reifen stark beansprucht und zweitens breits rund elf Sekunden Rückstand auf Lorenzo.

Der Italiener war sich bewusst, dass dieser Rückstand nicht wettzumachen war. Also fuhr er abwartend.

Natürlich mag es sein, dass Rossi auch bei einem Start aus der zweiten oder dritten Reihe nicht über Platz 4 hinausgekommen wäre.
Aber er musste wegen einer lässlichen Sünde aus der letzten Reihe losbrausen.

Drei Strafpunkte bewirken nämlich gar nichts, erst bei vier wird der Sünder auf den letzten Startplatz verbannt. Bei sieben übrigens in die Boxengasse, bei zehn wird man fürs nächste Rennen gesperrt.

Nun hat Valentino Rossi diesen einen entscheidenden Strafpunkt in Misano kassiert, im Qualifying, weil er Lorenzo eine schnelle Runde zerstört hat, unabsichtlich, wie der neunfache Weltmeister glaubwürdig darstellte.

Auch bei Lorenzo hielt sich der Schaden im Misano-Quali in Grenzen. «Jorge war schon vor meiner Behinderung auf der Pole-Position und blieb dort auch», hält Rossi fest.

So gesehen wirkt dieser Penalty Point von Misano lächerlich und überflüssig. Das Resultat im Fall Rossi: Eine kleine Unachtsamkeit kann eines Tages die WM-Titelchancen erheblich beeinflussen.

63 Jahre ging es im Motorrad-GP-Sport ohne Strafpunkte ab. Seit drei Jahren existieren die Penalty Points, die jeweils ein Jahr nach der Verhängung wieder verfallen.

Karel Hanika rempelte in der Auslaufrunde zum Jerez-GP 2015 den Spanier Juanfran Guevara absichtlich vom Motorrad und gab das auch zu. Guevara verletzte sich und musste ein Rennen auslassen.

Das gab nur fünf Strafpunkte für Hanika. Das kann man für vergleichsweise wenig halten?

Der Ermessensspielraum ist riesig.

Jetzt wird im Permanent Bureau, dem höchsten Gremium des GP-Sports, zusammengesetzt aus Dorna, FIM und Teamvereinigung IRTA, über Änderungen nachgedacht.

Höchste Zeit.

Seit Jahren ärgere ich mich zum Beispiel, dass Fahrer, die in der Hitze des Gefechts in der letzten Runde einen Gegner behindern oder touchieren oder ihn neben die Piste befördern, mit fünf oder zehn Strafsekunden bedacht werden und dadurch womöglich 15 Plätze verlieren.

Dabei sind diese Nahkämpfe die Würze des Sports. Wer sich in einem Moto3-Rennen in 22 Runden zum Beispiel im Spitzenpulk einen Top-5-Platz erkämpft und erarbeitet und dann einen Fehler gemacht hat, sollte nicht auf Platz 14 versetzt werden.

Im Radrennsport wird der Fahrer, der einen Gegner im Sprint abgedrängt hat, in so einem Fall auf den letzten Platz seiner Gruppe gereiht, also auf Platz 5, wenn der Spitzenpulk aus fünf Fahrern bestand. Das halte ich für fair und sinnvoll.

Das Permanent Bureau will Änderungen vornehmen, damit umstrittene Urteilssprüche wie in Sepang künftig vermieden werden können.

Ich glaub nicht dran. Wie soll das gelingen?

Alle Beteiligten sind finanziell von der Dorna abhängig. Und ein unabhängiges Schiedsgericht, das diesen Namen verdient, wird man sich nicht leisten.

Dass die Race Direction mit Race Director Mike Webb und den beiden Italienern Loris Capirossi und Franco Uncini im Endeffekt von der Dorna bezahlt werden, widerspricht den guten Sitten. So eine Situation ist untragbar.

Das ist ungefähr so, als würden die Fussballbundesliga-Schiedsrichter auf den Gehaltslisten der Clubs stehen.

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